Archiv für 2007

Guten Rutsch

Dezember 29, 2007
Allen Abonnenten und Lesern und solchen, die es noch werden könnten (also allen Menschen dieser Erde), wünsche ich einen guten Rutsch in’s neue Jahr 2008. Besondere Wünsche schicke ich an folgende Menschen (in alphabetische Reihenfolge):
Achim
Anita
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Birger
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Christiane
Christine
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Wim
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[Alle Namen sind nur einmalig aufgeführt, auch wenn mehrere Personen damit gemeint sein können. Alle, die ich trotz großer Sorgfalt vergessen haben sollte, bitte ich vorsorglich um Vergebung.]

Guten Rutsch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Silvestergruß Guten Rutsch ist etymologisch möglicherweise eine Ableitung aus dem Jiddischen, bzw. Bibel-Hebräischen und leitet sich vom hebräischen ראש השנה טוב Rosch ha-Schana tov (= einen guten Anfang – wörtlich Kopf – des Jahres; also etwa: „Gutes Neujahr“) ab.

Ob dieser Ausdruck tatsächlich aus dem Jiddischen stammt, ist allerdings umstritten, da es weder im Hebräischen noch im Jiddischen eine Grußformel gibt, die dieses „Rosch“ beinhaltet (etwa „Guten Rosch ha-Schana“ o.ä.); die gängige Formel lautet: „Schana tova“ (=Hebr.) oder „a gut yor“ (=Jidd.).

Andere Auffassungen (Lutz Röhrich im Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten; Heinz Küpper im Wörterbuch der Alltagssprache) leiten den Silvestergruß vom Gebrauch des Wortes „Rutsch“ für „Reise“ ab.

Siehe auch

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Bibliografische Angaben für „Guten Rutsch

Joachim Ringelnatz

Silvester

Es gibt bei Armen und Reichen
So manche Herzen bang und still;
Aus manchem dieser Herzen will
Die Sorge nimmer weichen.

Ich bin einer neuen Idee auf der Spur
Und überlege sie sehr:
Man sollte armen Leuten nur
Gutes tun oder sagen,
Ohne vorher oder hinterher
Nach ihnen zu fragen.

Wer hat das wohl zuerst bestellt,
Was nun so glatt sich leiert:
Daß jeder Stand und alle Welt
Terminlich trauert und feiert.

So wünschlein-pünschlein den andern gleich
Will ich mich nüchtern betrinken,
Um gegen Morgen durchs Federweich
In Kaktusträume zu sinken.

Etwa: Daß eine Mutschekuh,
Die vollgefressen mit Heu war,
Mein Zimmer betrat und rief mir zu:
»Prost Neujahr, Herr Doktor, prost Neujahr!«

Quellenangabe

Name Wert
type poem
booktitle Flugzeuggedanken
author Joachim Ringelnatz
firstpub 1929
year 1929
publisher Ernst Rowohlt Verlag
address Berlin
title Flugzeuggedanken
created 20050217
sender gerd.bouillon
pfad /ringelnz/flugzeug/book.xml

© Projekt Gutenberg

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berwis bei pixelio.de

Gustav Meyrink

Hony soit qui mal y pense

„Du, Fredy, was bedeutet den eigentlich dir rote, riesige ’29‘ dort drüben über dem Podium?“

„Na, weißt du, Gibson, du stellst manchmal Fragen!? – Was die ’29‘ bedeutet! – Weshalb sind wir denn hier? – weil Silvester ist – Silvester 1929!“

Die Herren lachten alle über Gibsons Zerstreutheit.

Graf Oskar Gulbransson, der unten im Saale stand, blickte zur Brüstung empor, und als er die fröhlichen Gesichter mit den modischen, lang herabhängenden Schnurrbartspitzen à la chinois über dem verschnörkelten Geländer sah, mußte er unwillkürlich mitlachen und rief hinauf: „Jemand einen Witz gemacht, eh? – Messieurs, wenn Sie wüßten, wie furchtbar lustig Sie mit Ihren mongolisch glattrasierten Schädeln da oben auf dem goldenen Balkon aussehen! – Wie Vollbluttataren. – Warten Sie, ich komme auch hinauf, ich muß nur meine Dame auf ihren Sitz führen. – Es fängt nämlich gleich an –: die Komtesse Jeiteles wird ein Lied von Kurt Sperling singen und der Komponist sie selber auf der Harfe begleiten, kurz: – (er legte die Hände wie Schalldämpfer an die Wangen) – es wird schau–der–haft!“

„Wirklich ein prachtvoller alter Aristokrat, dieser Graf Oskar, – riesig vornehm, und wie er durch das gelbe Seidengewimmel da unten schießt, wie ein Hecht“, sagte einer der Herren, ein Russe, namens Zybin. „Ich habe neulich ein Bild von ihm in der Hand gehabt, wie er vor fünfundzwanzig Jahren oder so ungefähr, aussah, – Frack, – ganz schwarz – von anno dazumal, aber trotzdem verdammt elegant.“

„Muß übrigens eine scheußliche Mode gewesen sein; schon die Idee, sich anliegend und noch dazu schwarz zu kleiden“, warf Fred Hamilton dazwischen, „wenn da auf einem Balle ein paar Herren bei einer Dame standen, mußte das ja rein aussehen, als ob sich die Raben um ein Aas – – – – – –“ „In galanten Vergleichen leisten Sie wirklich Übernatürliches, Fredy“, unterbrach der Graf, der etwas atemlos, so schnell er war er die Stufen hinaufgelaufen, hinzutrat – „aber jetzt rasch, Messieurs, ein Glas Sekt, ich habe mich von Frau Werie bereits verabschiedet und möchte mich recht, recht, recht amüsieren.“

„Apropos, Graf, wer ist das junge Mädchen dort?“ fragte Gibson, der immer noch von der Balustrade in den oval gebauten Saal hinabsah, aus dem eine Flut von hellroten Polstern, zu Sitzen für die Zuschauer aufeinandergelegt, in entzückendem Kontrast zu den goldgelben türkischen Pluderhosen der Damen und eine Nuance dunkleren Togavestons der Herren hervorleuchtete.

„Welche meinen Sie, lieber Gibson?“

„Die dekolletierte meine dort.“

Allgemeine Heiterkeit.

„Sie sind wirklich köstlich, Gibson; – die dekolletierte! – Es sind doch alle dekolletiert! – Aber ich weiß, wen Sie meinen, – die kleine Chinesin, nicht wahr, neben dem Professor R. mit dem schlecht rasierten Kopf? – Das ist ein Fräulein von Chün-lün-tsang. – – – – AH, da ist ja schon der Champagner!“

Ein livrierter Pavian war vorgetreten und wies zum Zeichen, daß der Wein serviert sei, mit seiner zottigen Hand auf den schillernden Vorhang, der den Hintergrund des Balkons abschloß.

„Eigentlich für Affen eine sehr kleidsame Tracht“, bemerkte ein Herr halblaut, um das Tier, das mittels Hypnose dressiert war und jedes Wort verstand, nicht zu kränken.

„Besonders die Idee, die Knöpfe mit Nummern zu versehen, ist sehr sinnreich, – dadurch kann man sie voneinander unterscheiden“, setzte Fredy hinzu. „Übrigens erinnert das an die kriegerisch lächerlichen Zeiten vor fünfundzwanzig Jahren. – – –“

Der dröhnende Schall einer Tritonmuschel schnitt ihm das Wort ab: das Konzert begann.

Die Bogenlampen erloschen, und der Saal in seinem zarten Schmuck aus japanischen Pfirsichblüten und Efeu versank in tiefe Finsternis.

„Gehen wir, Messieurs, es ist höchste Zeit, – sonst überrascht uns der Gesang“, flüsterte der Graf, und man schlich auf den Zehen in das Trinkzelt.

Hier war alles schon vorbereitet, – die Atlaspolster im Kreise geordnet und zum Sitzen oder Liegen geschlichtet, kleine Wannen aus Chinaporzellan daneben, voll Nelkenblätter zum Trocknen der Finger; – die Sektkelche, mit dem perlenden Gemisch von indischem Soma und Champagner soeben angefüllt, staken in Schulterhöhe in goldenen Drahtschlingen, die vom Plafond herabhängend durch rhythmisch leises Erzittern den Wein in stetem Moussieren erhielten. Von den Zeltwänden strahlte gleichmäßig mildes Kaltlicht aus und floß in märchenhaftem Glanze über die weichen seidenen Teppiche.

„Ich glaube, heute bin ich an der Reihe?“ sagte Monsieur Choat, ein kirgisischer Edelmann. „Jumbo, Jumbo“, – und er rief in den winzigen Schalltrichter an dem Metallstab, der mitten vom Boden des Gemaches empor durch einen Ausschnitt im Plafond bis zur vollen Höhe des Hauses reichte; – „Jumbo, Jumbo, die Kugel, rasch, rasch!“

Im nächsten Augenblick glitt der Affe lautlos aus der Dunkelheit die Stange herab, befestigte eine kopfgroße, geschliffene Beryllkugel an zwei Schlingen und verschwand behende wieder in die Höhe.

Der Kirgise zog ein Mescal-Etui hervor und warf den weiten Seidenärmel zurück: „Darf ich vielleicht einen der Herren bitten?!“ –

Geschickt brachte ihm der Graf mit einer Pravazschen Spritze eine Injektion am Arme bei: „So, das wird gerade für eine oder zwei Visionen ausreichen.“

Monsieur Choat schob die Beryllkugel ein wenig höher, so daß er sie bequem fixieren konnte, und lehnte sich zurück: „Also – worauf soll ich meine Gedanken richten, meine Herren?“

„Auf den neuen Propheten in Shambala, – Szenen aus einer römischen Arena, – Orionnebel, – Buddha im Stiftungsgarten Kosambi“, riefen alle durcheinander; jeder wollte etwas anderes. –

„Wie wäre es, wenn Sie einmal erforschen wollten, wo eigentlich das Paradies gestanden haben mag“, schlug Graf Oskar vor.

Gibson nützte die günstige Gelegenheit und schlüpfte unbemerkt aus dem Zelt, er hatte dies visionäre Schauen – diesen neuen Sport – nachgerade satt bis zum Überdruß, was kam dabei heraus? Farbenprächtige Halluzinationen, die jeder schilderte, so lebendig er konnte, – und was es eigentlich sei, ob unbewußte Gedanken, die der Beryll reflektierte, ob vergessene Vorstellungen aus früherem Dasein, war doch niemand zu sagen imstande.

Er trat an die Brüstung und schaute hinab.

Harfenakkorde, durchbrochen von abgerissen gesungenen Tönen, die zuweilen im Hintergrunde von einem jähen intensiven Aufblitzen eines Lichtfunkens, – rot, blau, grün, – begleitet waren, zitterten durch die Dunkelheit. – Moderne Musik!

Er lauschte gespannt diesen aufregenden Weckrufen, die seltsam ruckweise an das Herz brandeten, als sollten sie beim nächsten Pulsschlag die durch das Leben dünngeschabten Scheidewände der Seele zu neuer, unerhörter Verzückung durchbrechen.

Der Saal da unten lag in Finsternis, nur die Diamantagrafen im Haar und am Halse der Frauen und Mädchen warfen funkelnd den Schein von winzigen Radiumperlen, die wie Leuchtkäfer grünlich erglommen, auf in Opalpuder schimmernde Busen.

Unbeweglich standen die Herren hinter ihren Damen, und hie und da sah man die vergoldeten Fingernägel aufblitzen, wenn sie, Kühlung zufächelnd mit der Hand, in die unmittelbare Nähe des phosphoreszierenden Haarschmuckes gerieten.

Gibson mühte sich den Platz herauszufinden, wo Fräulein von Chün-lün-tsang sitzen mußte. – Noch heute wollte er den Grafen bitten, ihn vorzustellen – – – – –, da faßte ihn jemand am Arm und zog ihn höflich in das Zelt zurück.

„Ach, verzeihen Sie, lieber Gibson, wenn wir Sie gestört haben, – aber Sie sind ja ein großer Schriftgelehrter, und Monsieur Choat hat da so merkwürdige Visionen im Beryll gehabt und meint, daß sie sich wirklich auf das Paradies, – den Garten Eden, – beziehen könnten.“

„Ja, denken Sie nur, eine vorsintflutliche unendlich üppige Landschaft erschien mir“, bestätigte der Kirgise, „dabei Nordlicht, unsagbar prachtvoll, – weiß mit rosa Rändern, wie Spitzen herabhängend vom Himmel, und die Sonne, glühend rot, zog am Horizont entlang, ohne unterzugehen; es war, als ob sich das Firmament im Kreise drehe und – – –“

„Das sind doch alles die Himmelszeichen des Polarkreises, nicht wahr? – Denken Sie nur, die Wiege der Menschheit auf dem Nordpol!“ unterbrach Graf Oskar. – Übrigens tropisches Klima war tatsächlich in grauer Vorzeit dort oben.“

Gibson nickte mit dem Kopf: „Wissen Sie, daß das alles sehr merkwürdig ist, – wie heißt es denn nur schnell im Zendavesta? Ja: ‚Dort oben sah man die Sonne, die Sterne, den Mond einmal nur kommen und gehen im Jahr‘, – und: – ‚es schien ein Jahr ein einz’ger Tag zu sein‘, auch steht im Rig-Veda, daß damals die Morgendämmerung tagelang am Himmel stand, ehe die Sonne aufging (die Herren stießen sich an: was der Mensch für ein unglaubliches Gedächtnis hat), und dann sagt schon Anaximenes – – –“

„Ich bitte dich um Gotteswillen, hör schon auf mit deiner Gelehrsamkeit“, rief Fredy und schlug den Vorhang zurück. – „Ah: die Musik ist aus.“

Blendende Helle strömte herein.

Ein plätscherndes, pritschelndes, tätschelndes Geräusch erfüllte den Saal und wollte nicht enden. –

„Welch ein Applaus, meine Herren, sehen Sie nur, wie der Opalpuder in die Luft steigt, – über die Brüstung kommt eine wahre Wolke herauf.“

„Eine recht merkwürdige Mode, diese Art zu applaudieren“, sagte jemand. „Daß sie übrigens dezent wäre, könnte man nicht – – –“

„Na, und wie weh das tun muß, – ich möchte keine Dame sein, bestimmt nicht – – – à propos, wissen Sie nicht, Graf, wer die erste war, die diese Mode erfand?“

„Das kann ich Ihnen ganz genau sagen“, sagte dieser lachend, „das war vor Jahren die Fürstin Juppihoy, eine sehr korpulente Dame, die gewettet hatte, die Menge werde ihr auch das nachmachen, – und sie hatte nicht nur die Courage, sondern auch – – – die Dekolletage dazu. – Sie können sich vorstellen, welches Entsetzen das damals erregte.“

Wieder erscholl das plätschernde, pritschelnde, tätschelnde Geräusch aus dem Saal empor.

Die kleine Gesellschaft schwieg nachdenklich.

„Warum eigentlich die Herren nicht auch mit applaudieren dürfen“, sagte plötzlich Gibson träumerisch.

Einen Augenblick große Verblüffung, dann brachen alle in ein stürmisches, schallendes Gelächter aus.

Gibson wurde rot: „Aber ich meine es doch gar nicht so; hony soit qui mal y pense.“ – – –

Die Heiterkeit verdoppelte sich; Fred Hamilton wand sich auf seinem Polster; „Ha, ha, ha, um Gotteswillen, hör auf, – ich sterbe, – mir scheint, du hast an deine kleine Chinesin gedacht.“

Dröhnende Gongschläge hallten durch das Haus.

Der Graf hob sein Glas in die Höhe: „Messieurs, wollen Sie nicht anstoßen, so hören Sie doch“, – vor Lachen konnte er kaum weitersprechen, – „Messieurs, – es schlägt soeben 24 Uhr, – prosit Neujahr 1929, prosit, prosit!“ –

Quellenangabe

Name Wert
type narrative
author Gustav Meyrink
title Des Deutschen Spießers Wunderhorn
sender hille@abc.de
created 20030803
firstpub 1913
pfad /meyrink/wunderho/book.xml

© Projekt Gutenberg

 

 

 

 

Adventskalender 24. Dezember 2007

Dezember 23, 2007

adventskalender_24.png

 

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Hoffmann von Fallersleben

 

 

Fröhliche Weihnachten überall!

 

„Fröhliche Weihnachten überall“
tönet durch die Lüfte froher Schall.
Weihnachtston, Weihnachtsbaum,
Weihnachtsduft in jedem Raum!„Fröhliche Weihnacht überall!“
tönet durch die Lüfte froher Schall.
Darum alle
stimmet in den Jubelton,
denn es kommt das Licht der Welt
von des Vaters Thron.

 

„Fröhliche Weihnacht überall“
Licht auf dunklem Wege,
unser Licht bist du;
denn du führst, die dir vertrau’n,
ein zu sel’ger Ruh’.

 

„Fröhliche Weihnacht überall“
Was wir ander’n taten,
sei getan für dich,
daß bekennen jeder muß,
Christkind kam für mich.

heiligabend.png

pixelio-logo.jpg

 

 

 

Theodor Fontane

Vor dem Sturm

Erster Band

Hohen-Vietz

 

Erstes Kapitel

Heiligabend

Es war Weihnachten 1812, Heiliger Abend. Einzelne Schneeflocken fielen und legten sich auf die weiße Decke, die schon seit Tagen in den Straßen der Hauptstadt lag. Die Laternen, die an langausgespannten Ketten hingen, gaben nur spärliches Licht; in den Häusern aber wurde es von Minute zu Minute heller, und der »Heilige Christ«, der hier und dort schon einzuziehen begann, warf seinen Glanz auch in das draußen liegende Dunkel.

So war es auch in der Klosterstraße. Die »Singuhr« der Parochialkirche setzte eben ein, um die ersten Takte ihres Liedes zu spielen, als ein Schlitten aus dem Gasthof »Zum grünen Baum« herausfuhr und gleich darauf schräg gegenüber vor einem zweistöckigen Hause hielt, dessen hohes Dach noch eine Mansardenwohnung trug. Der Kutscher des Schlittens, in einem abgetragenen, aber mit drei Kragen ausstaffierten Mantel, beugte sich vor und sah nach den obersten Fenstern hinauf; als er jedoch wahrnahm, daß alles ruhig blieb, stieg er von seinem Sitz, strängte die Pferde ab und schritt auf das Haus zu, um durch die halb offenstehende Tür in dem dunklen Flur desselben zu verschwinden. Wer ihm dahin gefolgt wäre, hätte notwendig das stufenweise Stapfen und Stoßen hören müssen, mit dem er sich, vorsichtig und ungeschickt, die drei Treppen hinauffühlte.

Der Schlitten, eine einfache Schleife, auf der ein mit einem sogenannten »Plan« überspannter Korbwagen befestigt war, stand all die Zeit über ruhig auf dem Fahrdamm, hart an der Öffnung einer hier aufgeschütteten Schneemauer. Der Korbwagen selbst, mutmaßlich um mehr Wärme und Bequemlichkeit zu geben, war nach hinten zu, bis an die Plandecke hinauf, mit Stroh gefüllt; vorn lag ein Häckselsack, gerade breit genug, um zwei Personen Platz zu gönnen. Alles so primitiv wie möglich. Auch die Pferde waren unscheinbar genug, kleine Ponys, die gerade jetzt in ihrem winterlich rauhen Haar ungeputzt und dadurch ziemlich vernachlässigt aussahen. Aber wie immer auch, die russischen Sielen, dazu das Schellengeläut, das auf roteingefaßten, breiten Ledergurten über den Rücken der Pferde hing, ließen keinen Zweifel darüber, daß das Fuhrwerk aus einem guten Hause sei.

So waren fünf Minuten vergangen oder mehr, als es auf dem Flur hell wurde. Eine Alte in einer weißen Nachthaube, das Licht mit der Hand schützend, streckte den Kopf neugierig in die Straße hinaus; dann kam der Kutscher mit Mantelsack und Pappkarton; hinter diesem, den Schluß bildend, ein hochaufgeschossener, junger Mann von leichter, vornehmer Haltung. Er trug eine Jagdmütze, kurzen Rock und war in seiner ganzen Oberhälfte unwinterlich gekleidet. Nur seine Füße steckten in hohen Filzstiefeln. »Frohe Feiertage, Frau Hulen«, damit reichte er der Alten die Hand, stieg auf die Deichsel und nahm Platz neben dem Kutscher. »Nun vorwärts, Krist; Mitternacht sind wir in Hohen-Vietz. Das ist recht, daß Papa die Ponys geschickt hat.«

Die Pferde zogen an und versuchten es, ihrer Natur nach, in einen leichten Trab zu fallen; aber erst als sie die Königsstraße mit ihrem Weihnachtsgedränge und Waldteufelgebrumm im Rücken hatten, ging es in immer rascherem Tempo die Landsberger Straße entlang und endlich unter immer munterer werdendem Schellengeläut zum Frankfurter Tore hinaus.

Draußen umfing sie Nacht und Stille; der Himmel klärte sich, und die ersten Sterne traten hervor. Ein leiser, aber scharfer Ostwind fuhr über das Schneefeld, und der Held unserer Geschichte, Lewin von Vitzewitz, der seinem väterlichen Gute Hohen-Vietz zufuhr, um die Weihnachtsfeiertage daselbst zu verbringen, wandte sich jetzt, mit einem Anflug von märkischem Dialekt, an den neben ihm sitzenden Gefährten. »Nun, Krist, wie wär‘ es? Wir müssen wohl einheizen.« Dabei legte er Daumen und Zeigefinger ans Kinn und paffte mit den Lippen. Dies »wir« war nur eine Vertraulichkeitswendung; Lewin selbst rauchte nicht. Krist aber, der von dem Augenblick an, wo sie die Stadt im Rücken hatten, diese Aufforderung erwartet haben mochte, legte ohne weiteres die Leinen in die Hand seines jungen Herrn und fuhr in die Manteltasche, erst um eine kurze Pfeife mit bleiernem Abguß, dann um ein neues Paket Tabak daraus hervorzuholen. Er nahm beides zwischen die Knie, öffnete das mit braunem Lack gesiegelte Paket, stopfte und begann dann mit derselben langsamen Sorglichkeit nach Stahl und Schwamm zu suchen. Endlich brannte es; er tat, indem er wieder die Leine nahm, die ersten Züge, und während jetzt kleine Funken aus dem Drahtdeckel hervorsprühten, ging es auf Friedrichsfelde zu, dessen Lichter ihnen über das weiße Feld her entgegenschienen.

Das Dorf lag bald hinter ihnen. Lewin, der sich’s inzwischen bequem gemacht und durch festeren Aufbau einiger Strohbündel eine Rückenlehne hergerichtet hatte, schien jetzt in der Stimmung, eine Unterhaltung aufzunehmen. Ehe des Kutschers Pfeife brannte, wär‘ es ohnehin nicht rätlich gewesen.

»Nichts Neues, Krist?« begann Lewin, indem er sich fester in die Strohpolster drückte. »Was macht Willem, mein Päth?«

»Dank schön, junger Herr, he ist ja nu wedder bi Weg.«

»Was war ihm denn?«

»He hett sich verfiert. Un noch dato an sinen Gebortsdag. Et is nu en Wochner drei; ja, up’n Dag hüt, drei Wochen. Oll Doktor Leist von Lebus hett’em aber wedder torecht bracht.«

»Er hat sich verfiert?«

»Ja, junger Herr, so glöwen wi all. Et wihr wol so um de fiefte Stunn, as mine Fru seggen däd: Willem geih un hol uns en paar Äppels, awers von de Renetten up’n Stroh, dicht bi de Bohnenstakens. Un uns‘ Lütt-Willem ging ooch, un ick hürt‘ em noch flüten un singen un dat Klapsen von sine Pantinen ümmer den Floor lang. Awer dunn hürt ick nix mihr, un as he nu an de olle wackel’sche Döör käm un in den groten Saal rinnwull, wo uns‘ Äppels liggen un wo de Lüt seggen, dat de oll‘ Matthias spöken deiht, da möt em wat passiert sinn. He käm nich un käm nich; un as ick nu nahjung un sehn wull, wo he bliwen däd, da läg he, glieks achter de Schwell, as dod up de Fliesen.«

»Das arme Kind! Und Eure Frau…«

»De käm ooch, un wi drögen em nu torügg in unse Stuv‘ un rewen em in. Mine Fru hätt ümmer en beten Miren-Spiritus to Huus. As he nu wedder to sich käm, biwwerte em de janze lütte Liew, un he seggte man ümmer: ›Ick hebb em sehn.‹«

Lewin hatte sich zurechtgerückt. »Es geht also wieder besser«, warf er hin, und wie um loszukommen von allerhand Bildern und Gedanken, die des Kutschers Erzählung in ihm angeregt hatte, fuhr er hin und her in Erkundigungen, worauf Krist mit so viel Ausführlichkeit antwortete, wie ihm die Raschheit der Fragen gestattete. Dem Schulzen Kniehase war einer von seinen Braunen gefallen; bei Hoppenmarieken hatte der Schornstein gebrannt; bei Witwe Gräbschen hatte Nachtwächter Pachaly einen mittelgroßen Sarg, mit einem Myrtenkranz darauf, vor der Haustür stehen sehn, »un wihl et man en mittelscher Sarg west wihr, so hedden se all an de Jüngscht, an Hanne Gräbschen‘ dacht. De is man kleen und piept all lang.«

Die Sterne traten immer zahlreicher hervor. Lewin lupfte die Kappe, um sich die Stirn von der frischen Winterluft anwehen zu lassen, und sah staunend und andächtig in den funkelnden Himmel hinauf. Es war ihm, als fielen alle dunklen Geschicke, das Erbteil seines Hauses, von ihm ab und als zöge es lichter und heller von oben her in seine Seele. Er atmete auf. Zwei, drei Schlitten flogen vorüber, grüßten und sangen, sichtlich Gäste, die im Nebendorf die Bescherung nicht versäumen wollten; dann, ehe fünf Minuten um waren, glitt das Gefährt unserer zwei Freunde unter den Giebelvorbau des Bohlsdorfer Kruges.

Bohlsdorf war drittel Weg. Niemand kam. An den Fenstern zeigte sich kein Licht; die Krügersleute mußten in den Hinterstuben sein und das Vorfahren des Schlittens, trotz seines Schellengeläutes, überhört haben. Krist nahm wenig Notiz davon. Er stieg ab, holte eine der Stehkrippen heran, die beschneit an dem Hofzaun entlang standen, und schüttete den Pferden ihren Hafer ein.

Auch Lewin war abgestiegen. Er stampfte ein paarmal in den Schnee, wie um das Blut wieder in Umlauf zu bringen, und trat dann in die Gaststube, um sich zu wärmen und einen Imbiß zu nehmen. Drinnen war alles leer und dunkel; hinter dem Schenktisch aber, wo drei Stufen zu einem höher gelegenen Alkoven führten, blitzte der Christbaum von Lichtern und goldenen Ketten. In diesem Weihnachtsbilde, das der enge Türrahmen einfaßte, stand die Krügersfrau in Mieder und rotem Friesrock und hatte einen Blondkopf auf dem Arm, der nach den Lichtern des Baumes langte. Der Krüger selbst stand neben ihr und sah auf das Glück, das ihm das Leben und dieser Tag beschert hatten.

Lewin war ergriffen von dem Bilde, das fast wie eine Erscheinung auf ihn wirkte. Leiser als er eingetreten war, zog er sich wieder zurück und trat auf die Dorfstraße. Gegenüber dem Kruge, von einer Feldsteinmauer eingefaßt, lag die Bohlsdorfer Kirche, ein alter Zisterzienserbau aus den Tagen der ersten Kolonisten. Es klang deutlich von drüben her, als würde die Orgel gespielt, und Lewin, während er noch aufhorchte, bemerkte zugleich, daß eines der kleinen, in halber Wandhöhe hinlaufenden Rundbogenfenster matt erleuchtet war. Neugierig, ob er sich täuschte oder nicht, stieg er über die niedrige Steinmauer fort und schritt zwischen den Gräbern hin auf die Längswand der Kirche zu. Ziemlich inmitten dieser Wand bemerkte er eine Pforte, die nur eingeklinkt war, aber nicht geschlossen war. Er öffnete leise und trat ein. Es war, wie er vermutet hatte. Ein alter Mann, mit Samtkäpsel und spärlichem weißen Haar, saß vor der Orgel, während ein Lichtstümpfchen neben ihm eine kümmerliche Beleuchtung gab. In sein Orgelspiel vertieft, bemerkte er nicht, daß jemand eingetreten war, und feierlich, aber gedämpften Tones klangen die Weihnachtsmelodien nach wie vor durch die Kirche hin.

Übte sich der Alte für den kommenden Tag, oder feierte er hier sein Christfest allein für sich mit Psalmen und Choral? Lewin hatte sich die Frage kaum gestellt, als er, der Orgel gegenüber, einen zweiten Lichtschimmer wahrnahm; auf der untersten Stufe des Altars stand eine kleine Hauslaterne. Als er nähertrat, sah er, daß Frauenhände hier eben noch beschäftigt gewesen sein mußten. Ein Handfeger lag da, daneben eine kurze Stehleiter, die beiden Seitenhölzer oben mit Tüchern umwunden. Das Licht der Laterne fiel auf zwei Grabsteine, die vor dem Altar in die Fliesen eingelegt waren; der eine zur Linken enthielt nur Namen und Datum, der andere zur Rechten aber zeigte Bild und Spruch. Zwei Lindenbäume neigten ihre Wipfel einander zu, und darunter standen Verse, zehn oder zwölf Zeilen. Nur die Zeilen der zweiten Strophe waren noch deutlich erkennbar und lauteten:

Sie sieht nun tausend Lichter;

Der Engel Angesichter

Ihr treu zu Diensten stehn;

Sie schwingt die Siegesfahne

Auf güldnem Himmelsplane

Und kann auf Sternen gehn.

Lewin las zwei-, dreimal, bis er die Strophe auswendig wußte; die letzte Zeile namentlich hatte einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht, von dem er sich keine Rechenschaft geben konnte. Dann sah er sich noch einmal in der seltsam erleuchteten Kirche um, deren Pfeiler und Chorstühle ihn schattenhaft umstanden, und kehrte, die Türe leise wieder anlehnend, erst auf den Kirchhof, dann, mit raschem Sprung über die Mauer, auf die Dorfstraße zurück.

Der Krug hatte indessen ein verändertes Ansehen gewonnen. In der Gaststube war Licht; Krist stand am Schenktisch im eifrigen Gespräch mit dem Krüger, während die Frau, aus der Küche kommend, ein Glas Kirschpunsch auf den Tisch stellte. Sie plauderten noch eine Weile auch über den alten Küster drüben, der, seitdem er Witmann geworden, seinen Heiligen Abend mit Orgelspiel zu feiern pflegte; dann, unter Händeschütteln und Wünschen für ein frohes Fest, wurde Abschied genommen, und an den stillen Dorfhütten vorbei ging es weiter in die Nacht hinein.

Lewin sprach von den Krügersleuten; Krist war ihres Lobes voll. Weniger wollt‘ er vom Bohlsdorfer Amtmann wissen, am wenigsten vom Petershagener Müller, an dessen abgebrannter Bockmühle sie eben vorüberfuhren. Aus allem ging hervor, daß Krist, der allwöchentlich dieses Weges kam, den Klatsch der Bierbänke zwischen Berlin und Hohen-Vietz in treuem Gedächtnis trug. Er wußte alles und schwieg erst, als Lewin immer stiller zu werden begann. Nur kurze Ansprachen an die Ponys belebten noch den Weg. Die regelmäßige Wiederkehr dieser Anrufe, das monotone Schellenläuten, das alsbald wie von weit her zu klingen schien, legte sich mehr und mehr mit einschläfernder Gewalt um die Sinne unseres Helden. Allerhand Gestalten zogen an seinem halbgeschlossenen Auge vorüber; aber eine dieser Gestalten, die glänzendste, nahm er mit in seinen Traum. Er saß vor ihr auf einem niedrigen Tabouret; sie lachte ihn an und schlug ihn leise mit dem Fächer, als er nach ihrer Hand haschte, um sie zu küssen. Hundert Lichter, die sich in schmalen Spiegeln spiegelten, brannten um sie her, und vor ihnen lag ein großer Teppich, auf dem Göttin Venus in ihrem Taubengespann durch die Lüfte zog. Dann war es plötzlich, als löschten alle diese Lichter aus; nur zwei Stümpfchen brannten noch; es war wie eine schattendurchhuschte Kirche, und an der Stelle, wo der Teppich gelegen hatte, lag ein Grabstein, auf dem die Worte standen:

Sie schwingt die Siegesfahne
Auf güldnem Himmelsplane
Und kann auf Sternen gehn.

Süß und schmerzlich, wie kurz vorher bei wachen Sinnen ihn diese Worte berührt hatten, berührten sie ihn jetzt im Traum. Er wachte auf.

»Noch eine halbe Meile, junger Herr«, sagte Krist.

»Dann sind wir in Dolgelin?«

»Nein, in Hohen-Vietz.«

»Da hab‘ ich fest geschlafen.«

»Dritthalb Stunn.«

Das erste, was Lewin wahrnahm, war die Sorglichkeit, mit der sich der alte Kutscher mittlerweile um ihn bemüht hatte. Der Futtersack war ihm unter die Füße geschoben, die beiden Pferdedecken lagen ausgebreitet über seinen Knien.

Nicht lange, und der Hohen-Vietzer Kirchturm wurde sichtbar. An oberster Stelle eines Höhenzuges, der nach Osten hin die Landschaft schloß, stand die graue Masse schattenhaft im funkelnden Nachthimmel.

Dem Sohne des Hauses schlug das Herz immer höher, sooft er dieses Wahrzeichens seiner Heimat ansichtig wurde. Aber er hatte heute nicht lange Zeit, sich der Eigentümlichkeit des Bildes zu freuen. Die beschneiten Parkbäume traten zwischen ihn und die Kirche, und einige Minuten später schlugen die Hunde an, und zwischen zwei Torpfeilern hindurch beschrieb der Schlitten eine Kurve und hielt vor der portalartigen Glastüre, zu der zwei breite Sandsteinstufen hinaufführten.

Lewin, der sich schon vorher erhoben hatte, sprang hinaus und schritt auf die Stufen zu. »Guten Abend, junger Herr«, empfing ihn ein alter Diener in Gamaschen und Frackrock, an dem nur die großen blanken Knöpfe verrieten, daß es eine Livree sein sollte.

»Guten Abend, Jeetze; wie geht es?«

Aber über diesen Gruß kam Lewin nicht hinaus, denn im selben Augenblick richtete sich ein prächtiger Neufundländer vor ihm auf und überfiel ihn, die Vorderpfoten auf seine Schultern legend, mit den allerstürmischsten Liebkosungen.

»Hektor, laß gut sein, du bringst mich um.« Damit trat unser Held in die Halle seines väterlichen Hauses. Ein paar Scheite, die im Kamin verglühten, warfen ihr Licht auf die alten Bilder an der Wand gegenüber. Lewin sah sich um, nicht ohne einen Anflug freudigen Stolzes, auf der Scholle seiner Väter zu stehen.

Dann leuchtete ihm der alte Diener die schwere doppelarmige Treppe hinauf, während Hektor folgte.

Quellenangabe

Name Wert
type fiction
booktitle Vor dem Sturm
author Theodor Fontane
year 1982
publisher Insel Verlag
address Frankfurt am Main
isbn 3-458-32283-3
title Vor dem Sturm
pages 5
created 19990412
sender gerd.bouillon@t-online.de
firstpub 1878
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© Projekt Gutenberg

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Großes Weihnachts-Hörbuch-Special zum Advent 2007
Kostenlose Weihnachtsgeschichten, Märchen und Gedichte
für Ihren Hörbuch-Adventskalender

Allen Besuchern und Freunden meines Adeventskalenders 2007 wünsche ich

Frohe Weihnachten in allerhand Sprachen

Afrikaans: Geseende Kerfees!
Albanisch: Gëzuar Krishlindjet!
Apache: Gozhqq Keshmish!
Arabisch: I’D Miilad Said!
Aragonese: Nabidà!
Armenisch: Shenoraavor Nor Dari!
Asturisch: Bones Navidaes!
Bandang: Mbung Mbung Krismie!
Bengalisch: Shuvo Baro Din!
Bislama: Mi wisim yufala eerywan one gutfala Krismas!
Bretonisch: Nedeleg laouen!
Bulgarisch: Vasel Koleda!
Chaha (Äthiopien): Bogem h n mh m!
Cherokee: Danistayohihv!
Cheyenne: Hoesenestotse!
Dänisch: Glædelig Jul!
Deutsch: Fröhliche Weihnachten!
Englisch: Merry Christmas!
Eskimo: Jutdlime pivdluarit!
Esperanto: Gajan Kristnaskon!
Estnisch: Rõõmsaid Jõulupühi!
Faroer: Gledhilig jól
Finnisch: Hyvää Joulua!
Flämisch: Zalig Kerstfeest!
Französisch: Joyeux Noël!
Friaulisch: Bon Nadâl!
Friesisch: Noflike Krystdagen!
Georgisch: Gilotsavt Krist’es Shobas!
Griechisch: Kala Christougenna!
Hausa: Barka da Kirsimatikuma!
Hawaiianisch: Mele Kalikimaka!
Hebräisch: Mo’adim Lesimkha!
Herero: Okresmesa ombwa!
Hindi: Shubh Naya Baras!
Holländisch: Vrolijk Kerstfeest!
Indonesian: Selamat Hari Natal!
Irisch: Nollaig Shona Dhuit!
Iroquois: Ojenyunyat Sungwiyadeson homungradon nagwutut!
Italienisch: Buon Natale!
Japanisch: Shinnen omedeto!
Javanesisch: Sugeng Natal!
Jiddisch: Gute Vaynakhtn!
Kantonesisch: Seng Dan Fai Lok!
Katalonisch: Bon nadal!
Kirundi: Noeli Nziza!
Kom (Kamerun): Isangle Krismen!
Korsisch: Bon Natale!
Krio: Appi Krismes!
Kroatisch: Sretan Bozic!
Kurdisch: Seva piroz sahibe!
Ladinisch: Bon Nadel!
Lakota: Wanikiya tonpi wowiyuskin!
Lettisch: Prieci’gus Ziemsve’tkus!
Littauisch: Linksmu Kaledu!
Luganda: Amazalibwa Agesanyu!
Luxembourgeois: Schéi Krëschtdeeg!
Malaysisch: Selamat Hari Natal!
Maltesisch: Nixtieklek Milied tajjeb!
Makassar: Salama‘ Natal!
Mandarin: Kung His Hsin Nien!
Manx: Nollick ghennal!
Maori: Kia orana e kia manuia rava!
Mazedonisch: Streken Bozhik!
Monégasque: Festusu Natale!
Ndogo: Esimano olyaKalunga gwokombandambanda!
Nepali: Krist Yesu Ko Shuva Janma Utsav Ko Upalaxhma Hardik Shuva!
Norwegisch: God Jul!
Palauanisch: Ungil Kurismas!
Polnisch: Wesolych Swiat!
Portugiesisch: Boas Festas!
Quechua: Sumaj kausay kachun Navidad ch’sisipi !
Rapa-Nui: Mata-Ki-Te-Rangi!
Rätoromanisch: Bella Festas daz Nadal!
Roma: Bachtalo krecunu Thaj!
Rumänisch: Craciun fericit!
Russisch: Pozdrevlyayu s prazdnikom Rozhdestva!
Sámi: Buorit Juovllat!
Sardinisch: Bonu nadale!
Schottisches Gaelisch: Nollaig chridheil!
Schwarzfuß: I’Taamomohkatoyiiksistsikomi!
Schwedisch: God Jul!
Schwyzerdütsch: Schöni Wienacht oder E guëti Wiënachtä!
Serbisch: Sretam Bozic!
Sizilianisch: Bon Natali!
Slowakisch: Vesele Vianoce!
Slowenisch: Vesele bozicne praznike!
Spanisch: Feliz Navidad!
Suaheli: Krismas Njema Na Heri!
Tagalog: Maligayang Pasko!
Tahitisch: Ia ora i te Noera!
Thai: Suksan Wan Christmas!
Tschechisch: Prejeme Vam Vesele Vanoce!
Ukrainisch: Veseloho Vam Rizdva!
Ungarisch: Kellemes Karacsonyiunnepeket!
Vietnamesisch: Chuc Mung Giang Sinh!
Walisisch: Nadolig LLawen!
Weißrussisch: Winshuyu sa Svyatkami!
Yupik/Sibirisch: Quyanalghii Kuusma!
Zulu: Sinifesela Ukhisimusi Omuhle!

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Heiliger Abend

Dezember 23, 2007

Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Kanada und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.

Joachim Ringelnatz

 

Einsiedlers Heiliger Abend

Ich hab‘ in den Weihnachtstagen
Ich weiß auch warum –
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.

Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.

Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abends noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.

Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.

Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.

Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat’s an die Türe gepocht,

Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder!
Ich aber rief nicht: „Herein!“

Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.

 

Heiliger Abend

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

 

Ein Weihnachtsbaum

 

Ein Weihnachtsbaum

Der Heilige Abend, umgangssprachlich kurz Heiligabend genannt, ist am 24. Dezember der Vorabend des Weihnachtsfestes. An diesem Abend findet unter anderem in Deutschland, der Schweiz und in Österreich traditionell die Bescherung statt. Dennoch ist der 24. Dezember kein offizieller Feiertag.

Inhaltsverzeichnis


//

Allgemeines

 

 

„Julaftonen“ (Der Heilige Abend) (190405), Aquarell von Carl Larsson

Nach dem antiken Kalender endete der Tag mit dem Sonnenuntergang, somit gehörte der Abend des 24. Dezember bereits zum Weihnachtstag. In Europa hat sich die familiäre Weihnachtsfeier mit Bescherung und Festessen mehr und mehr auf den Abend oder schon den Nachmittag des 24. vorverlagert. Neben den deutschsprachigen Ländern findet die Bescherung unter Anderem auch in Argentinien, Polen, Portugal und den nordischen Ländern am Heiligabend statt. In den meisten anderen, vor allem aber den englischsprachigen Ländern, werden die Geschenke erst am Weihnachtstag verteilt.

Weltlich gesehen gilt der Abend als besinnliches Fest, das traditionell im engsten Familienkreis gefeiert wird. Von vielen ist der Tag durchritualisiert. Zuerst folgt der Gottesdienstbesuch, danach die Bescherung und danach das Essen zum Heiligen Abend, das regional unterschiedlich begangen wird. In Deutschland ist es verbreitet, Kartoffelsalat mit Würstchen oder eine ähnlich einfache Mahlzeit zu essen, aber auch aufwändige Gerichte wie Gans oder Karpfen sind üblich.

Liturgie

Im liturgischen Kalender ist dem Heiligen Abend das Gedächtnis an Adam und Eva (Paradies und Sündenfall) zugeordnet: Er ist der letzte Tag der Adventszeit und wird noch heute vielerorts bis zur nächtlichen Weihnachtsmesse (Mette) als Fastentag begangen.

Auch die Gottesdienstzeit ist von Mitternacht immer weiter in die Abendstunden vorgezogen worden. Bei Sonnenuntergang am späten Nachmittag finden vielerorts bereits „Kinderchristmetten“ und „Krippenspiele“ statt. Die eigentliche Christmette darf gemäß den erneuerten liturgischen Vorschriften der Katholischen Kirche jedoch nicht vor 22 Uhr beginnen, da es sich um eine Nachtfeier handelt, weil Christus nach Auskunft des Neuen Testamentes nachts geboren wurde.

Termin

Das tatsächliche Geburtsdatum von Jesus Christus ist nicht bekannt. Der von der Kirche gewählte Termin für die Weihnachtsfeier fällt mit der Wintersonnenwende zusammen, was die Geburt von Jesus Christus mit der Rückkehr des Lichts nach den dunklen Wintermonaten verbindet. Zudem wurde dadurch der antike römische Feiertag des heidnischen Sonnengottes Sol Invictus abgelöst. Durch das erste Konzil von Konstaninopel 381 n. Chr. unter Kaiser Theodosius I. wurde die Feier der Geburt Christi am 25. Dezember zum Glaubensgrundsatz erklärt. Siehe dazu auch den Artikel Weihnachten.

Sonstiges

Nach dem Zweiten Weltkrieg brannten in vielen Fenstern an Heiligabend Grablichter. Mit dieser Geste wurde der Kriegsgefangenen gedacht, die nach Kriegsende noch nicht heimgekehrt waren. Diese Tradition versandete Anfang der 1960er Jahre, da die Anzahl der rückkehrenden Kriegsgefangenen stark sank.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary

Wiktionary: Heiligabend – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger_Abend

 

Andere Sprachen

 

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Bibliografische Angaben für „Heiliger Abend

Portal:Weihnachten

Adventskalender 23. Dezember 2007

Dezember 22, 2007

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Robert Reinick

 

Das Christkind

 

Die Nacht vor dem Heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum;
sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.Und während sie schlafen und träumen,
wird es am Himmel klar,
und durch den Himmel fliegen
drei Engel wunderbar.Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der Heilige Christ;
es ist so fromm und freundlich,
wie keins auf Erden ist.

Und wie es durch den Himmel
still über die Häuser fliegt,
schaut es in jedes Bettchen,
wo nur ein Kindlein liegt.

 

Und freut sich über alle,
die fromm und freundlich sind;
denn solche liebt von Herzen
das liebe Himmelskind.

 

Wird sie auch reich bedenken
mit Lust aufs allerbest‘
und wird sie schön beschenken
zum lieben Weihnachtsfest.

 

Heut schlafen noch die Kinder
und sehn es nur im Traum,
doch morgen tanzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum.

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Joseph von Lauff

Pittje Pittjewitt

I. Vorklänge

»Kathje Peerenboom ist tot. – Komme.«

Ich wußte nicht, wo ich diesen Namen hintun sollte. Irgendwo im Leben war er mir schon begegnet, allein das ›Wie‹ und ›Wo‹ blieb mir verschleiert; ich konnte mir keine Rechenschaft darüber geben und würde der Depesche, die mir nach Utrecht, wo ich mich eines neuen Romanstoffes halber für einige Wochen aufhielt, nachgeschickt wurde, keine weitere Bedeutung beigelegt haben, hätte nicht unter der lakonischen Drahtnachricht ein Name gestanden, der mir von jeher lieb und teuer gewesen.

Noch einmal las ich: »Kathje Peerenboom ist tot. – Komme. – Pittje Pittjewitt.«

Mein Buch beginnt mit Trauer und endet mit Trauer. Es ist ernst und zum großen Teil mit tiefer Wehmut geschrieben – und dennoch: es ist zuweilen, als wenn sich das Bahrtuch leise bewegte, als wenn sich ein launiges Gesicht aus den Falten vordrängte, das Näschen rümpfte, die Lippen schalkhaft verzöge und spräche: »Hier bin ich! – Jantje Klaas, Jantje Klans!« –

»Komme…!«

Der Name Pittje Pittjewitts entschied; ich machte mich reisefertig. – Gegen drei Uhr stampfte und polterte der Zug von Utrecht durch die verschneite Veluwe. Ich hatte meine Zigarre in Brand gesetzt und sah in die Landschaft hinaus, die verschleiert und mißfarben endlos sich dehnte. Feine Schneeflocken rieselten gegen die Wagenfenster, die Telegraphendrähte hoben und senkten sich, glühe Fünkchen sausten vorüber, und vereinzelte Krähen zogen hoch über das Schneefeld und strebten dem fernen Westen zu, der allmählich eine dunstige und ziegelrote Färbung annahm.

Prustend, pfeifend, keuchend und polternd ging es weiter und weiter. Draußen zogen tiefe Schatten über die Landschaft. Wie in Kobaltbläue getaucht, traten niedrige Giebel, vereinzelte Liegenschaften und Windmühlen in die Erscheinung, um wieder rasch zu verschwinden.

Ich hatte mich in die Wagenpolster gedrückt und sah den Rauchbildern nach, die den matten Schein des Abteillichtes noch matter gestalteten. Mir ging mancherlei durch den Kopf. Allerhand Kombinationen verflocht ich mit dem geheimnisvollen Telegramm, das mir erst vor wenigen Stunden zugegangen war, ja – mir schien es, als wenn Pittje Pittjewitt lautlos hereinschwebte, mir gegenüber in feierlichster Weise Platz nähme und blaue Rauchwölkchen aus seiner Gaudaer Tonpfeife bliese, die sich mit den meinen vereinten. – Wirklich – da saß er; ein Schemen nur, aber er war es: der veritable Pittje. Derselbe altmodische Zylinder, nur mit einem breiten Trauerflor umgürtet, derselbe knallrote Paraplü, dasselbe glattrasierte Gesicht mit den blendendweißen Vatermördern, der braune Überrock, die großgemusterten Hosen und dasselbe nadelscharfe Spucken wie ehemals. Nur wollte es mir scheinen, als wenn ein elegischer Zug seine eingekniffenen Lippen umspiele: ein krankhaftes, wehmütiges Lächeln, das ich in früheren Tagen nicht bei ihm bemerkt hatte. Aber die großen, wasserhellen Augen, die mich traurig ansahen, die charakteristischen Kringel und Ringel, die dem Tonkopf entstiegen, waren noch immer dieselben. – Das alte Heimatsgefühl beschlich mich bei seinem Anblick in verstärkter Weise. Ich beugte mich vor, um die lieben, gerunzelten Hände zu fassen, als mich eine blendende Helle umfing, ein schrilles Pfeifen ertönte und der Zug langsam in eine geräumige Halle einkeuchte.

»Elten – Gepäckrevision!«

Laute des holländischen und niederrheinischen Idioms schlugen betäubend an mein Ohr, ein Hasten und Drängen … Die Waggontüren wurden aufgerissen und wieder zugeschmettert, ein Stampfen und Schrillen, und wieder ging es in die dunkle Nacht und in die verschneite Landschaft hinaus – aber mein Gegenüber war spurlos verschwunden.

Ich hüllte mich fester in den Mantel, gab mich stillen Träumereien hin und brütete weiter, bis der Zug über verschiedene tote Rheinarme rasselte und nach kurzer Fahrt Kleve erreichte.

»Aussteigen – alles aussteigen!«

Draußen wehte ein eisiger Nordost, und blendende Schneekristalle, die im dunstigen Licht der Gaslaternen auf und nieder flimmerten, flogen mich an. – Jenseits der Bahnstation kletterten die eingeschneiten Häuser der Stadt bis zum Schloßberg empor, dessen massiger Schwanenturm in verschwommenen Rissen düster und ernst von seiner Höhe heruntergespensterte.

Ich atmete heimatliche Luft und befand mich nicht weit von dem Fleckchen Erde, wo ich meine erste Jugend verlebte. Ach! – wie das wohl tat. – Nur die grimmige Kälte nagte bitter an Ohren und Nase, während die schneidenden Schneekristalle die Haut wie mit Nadelspitzen berührten. Kurz entschlossen zog ich den Mantelkragen bis über den Hut empor und trat mit meinem geringen Reisegepäck vom Bahnsteig ins Freie. Der irrlichtartige Schein von zwei Laternen kam mir entgegen. Er rührte von einer schwerfälligen Postkutsche her, die mich in die engere Heimat befördern sollte. Der Schwager saß schon obenauf, als ich einstieg. Der Wagen war nur spärlich erleuchtet, so daß ich außerstande war, das Gesicht der hageren Gestalt deutlich zu erkennen, die sich mit zusammengefalteten Händen in eine Ecke gedrückt hatte. Erst als der Postschaffner kam, mir die Fahrkarte einhändigte, und der grelle Schein der Schaffnerlaterne eine fast Tageshelle schaffte, konnte ich meinen Mitpassagier in die Kategorie der katholischen Geistlichen versetzen, der, mit einem niedrigen Hut, soutanenartigen Überrock, Kniehosen und Schnallenschuhen bekleidet, stetig die schmalen Lippen bewegte und sichtlich damit beschäftigt war, sein Brevier mit kaum wahrnehmbarer Stimme herunterzunäseln. Er hatte die Augen geschlossen und schien die Mitte der Sechziger schon überschritten zu haben.

»Fertig!«

Ein lautes Schnalzen mit der Zunge ertönte vom Bock. Die Postklepper zogen an, und, von dem trüben Schein der Wagenlaternen auf beiden Seiten begleitet, ging es über die breite Landstraße in die niederrheinische Gegend hinein. Von Adventschauern umgeben, mit meinen Gedanken in die Jugendzeit versetzt, verfiel ich allmählich in einen traumhaften Zustand, der so fest war, daß er auch durch das Klappern des Wagens und das oft heftige Stoßen der Räder nicht aufgelöst wurde. Nur zuweilen hoben sich zwinkernd die Augenlider. Der geistliche Herr hockte noch immer in seiner Ecke, steif und regungslos, und ich hätte ihn für eine Wachspuppe halten können, wäre nicht das stetige, monotone Näseln bei ihm hörbar gewesen.

So mochten wir eine Stunde gefahren sein, als ich in meiner traumhaften Verfassung eine weiße Gestalt zu sehen glaubte, die mir in eigentümlicher Haltung gegenüber saß.

Richtig – da saß sie, traurig, totenstill und gespenstisch. Eine blendendweiße Nachtmütze, an deren Zipfel sich eine gefranste Leinentroddel befand, war ihr bis über die Ohren gezogen. Bläuliche Schatten hafteten auf den Fingernägeln der zusammengefalteten Hände. Das Gesicht hatte ein porzellanartiges Aussehen, und die Nase ähnelte dem Schein von Diaphanglas. Rechts und links von dem einsamen, mit weißem Leinen bekleideten Manne erhoben sich zwei Wachskerzen auf gelben Metalleuchtern, die gleichsam in der Luft zu schweben schienen. Deutlich hörte ich das Geräusch des auf die Messingschalen niedertropfenden Wachses. Und die Gestalt, die da so still und regungslos, so traurig und doch so friedlich mir gegenüber Platz genommen hatte … das totenbleiche Gesicht … die brennenden Wachskerzen … Eine quälende Angst ergriff mich. Der traumartige Zustand löste sich auf.

Sollte das ein Vorgesicht sein?!

»Pittje Pittjewitt …!«

Ich mußte deutlich gesprochen, wenn nicht gerufen haben, denn der geistliche Herr in der Ecke räusperte sich, sah mich fragend an und meinte zuletzt: »Ich glaubte soeben von Ihnen einen Namen zu hören, nun der – sagen wir: kennen Sie den Träger desselben?«

Die Art und Weise, wie dies vorgebracht wurde, das Breite der Sprache und die Klangfärbung in der Betonung bewiesen deutlich, daß der Fragesteller dem Niederrhein entstammte.

»Schon seit Jahren, mein Herr.«

»So! – dann sind Sie der hiesigen Gegend auch wohl selber nicht fremd?«

»Nein. – Ich habe hier meine Jugendjahre verlebt.«

»Hm!« sagte der geistliche Herr, »und Sie reisen nach dort?«

Dabei zeigte er mit dem Daumen über die Schulter und nannte gleichzeitig den Namen der kleinen Stadt, der wir nun schon seit einer Stunde entgegenratterten.

»Allerdings.«

»Hm! – und Sie haben Geschäfte allda?«

»Das weniger. Ein Telegramm meines hochbetagten Freundes Pittje Pittjewitt … Und Sie?«

»Eine traurige Veranlassung führt mich dorthin. Ich will eine Schwester begraben.«

»Kathje …!« kam es unwillkürlich von meinen Lippen. »Kathje Peerenboom – ja. Sie wissen?«

»Pittje Pittjewitt …«

»Ach, der!« fiel der geistliche Herr naserümpfend dazwischen. »Was kann aus seinem Munde Heilsames kommen?!«

»Ich muß mir ernstlich …«

»Schon gut,« sagte mein Partner, zog ein Taschentuch aus seiner Soutane und trompetete in den höchsten Tönen in den buntfarbigen Schirting.

»Ihr Urteil befremdet mich,« begann ich von neuem. »Ich halte Herrn Pittjewitt für einen Ehrenmann vom Kopf bis zur Sohle – und kann es nicht dulden …«

»Schon möglich,« lenkte der geistliche Herr ein, »wenn Sie diese Fülle des Lobes auf seine bürgerlichen Eigenschaften beziehen; allein« – und seine breite Stimme nahm eine scharfe Betonung an – »seine Antezedentien auf kirchlichem Gebiet, sagen wir seine religiösen Anschauungen, stehen auf tönernen Füßen und werden von uns in höchst geringer Weise bewertet. Leider – wir können nicht anders.«

»Das mögen Sie halten, wie es Ihnen beliebt. Was mich persönlich anbetrifft,« fuhr ich in gereizter Stimmung fort, »so stehe ich nicht an, mein obiges Urteil völlig und ohne Einschränkung aufrecht zu erhalten. Ehrlich hat er sich durchs Leben geschlagen, ehrlich hat er gekämpft und gerungen und ehrlich, geachtet von seinen Mitmenschen, wird er dereinst liegen, wenn ihm das letzte Hemd über die Nase gereckt wird. Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer, und alle, die ihm näher standen und stehen im Leben – ich bin überzeugt – sie tun dasselbe.«

»Viel des Lobes,« entgegnete mein Mitreisender. »Hm! – ich möchte fast glauben …«

»Nun?«

Der geistliche Herr rückte näher, fixierte mich lange, dann fragte er mit verhaltener Stimme, indem ein sondierendes Lächeln seine markanten Züge belebte: »Kennen Sie den Roman ›Kärrekiek‹?«

»Allerdings.«

»Und das neuerdings vielfach aufgeführte Drama ›Der Heerohme‹?«

»Auch das.«

»Hm, hm! – So, so!« machte der geistliche Fragesteller. »In diesen Werken wird allerdings Ihrem Freunde die Verhimmelungsfanfare in allen nur möglichen Tonarten geblasen; aber auch hervorragende Kapazitäten auf dem Gebiete der katholischen Journalistik haben dieserhalb dem verdammenswerten Autor ein heroisches ›Quos ego!‹ entgegen gerufen.«

»Das ist mir bekannt.«

»Niedergeschmettert haben sie ihn. – Mit attischem Salz haben sie ihn über und über begossen.«

»Und das glauben Sie selbst? – Machen Sie doch keine Faxen und Fisematenten.«

»Ich? – Natürlich! – Da standen diese selbstlosen Männer, diese Geisteshelden der Provinzialen Volkszeitung, der Alemannia und des Sankt Bonifaziusblattes und vertobakten ihn, daß man’s knallen hörte, wo christkatholische Menschen ihren Herrgott verehren. Geschah ihm recht – diesem… Ja, diese Männer, diese streitbaren Helden der Feder … !«

»Auguren!«

»Was?«

»Auguren, mein Herr. – Die tun man so, die kennen den Rummel. – Mache, Parteiinteresse, Verdummungsprinzip…! – Aber wenn sie allein sind, unter sich sind, huida! – dann blinzeln sie und gerieren sich, wie die Karnickel unter Gottes freier Himmelslaterne.«

»Sie wollen doch nicht etwa sagen…?«

»Ich sage nichts. – Seien sie unbesorgt, mein Herr. Der vertobakte Poet kennt sich aus und weiß diese würdigen Männer zu schätzen. Auguren!«

»Aber – erlauben Sie mal! – Selbst hochkonservative Blätter…«

»Na – ja! – Ich brauche Sie Wohl nicht an den alten Vers zu erinnern, der da lautet:

So Junker wie Pfäfflein, sie fischen im trüben,
Und allzeit die nämliche Praktik sie üben.
Kommt der Junker in Not, springt das Pfäfflein heran,
So vics versa – der Edelmann.«

»Aber, mein Herr…!«

»Nun?«

»Ich möchte fast glauben – ich möchte fast annehmen, daß Sie…«

»Was denn?«

»Daß Sie der Verfasser…«

»Ich?« »Ja.«

»Stimmt.«

»Dann allerdings – da muß ich leider bedauern…«

»Gut – so ist uns beiden geholfen.«

Wie von der Tarantel berührt, kapriolte der geistliche Herr in den äußersten Winkel der Postkutsche hinein, duckte sich da und begann wieder in wehmütigen Nasallauten das monotone Brevier gegen die beschlagenen Scheiben des Wagens zu beten.

»Ratter…! – Ratter…!«

Trotz des gefallenen Schnees stuckerten die Räder über das holperige Pflaster mit lautem Getön in die kleine niederrheinische Stadt ein. Rechts und links kamen Öllaternen in Sicht. Die Läden waren bereits geschlossen, die Blenden vorgelegt; nur hier und da ein spärliches Lämpchen, das nachdenklich sein kümmerliches Dasein am Docht fristete. Sonst war alles tot und still auf den vereinsamten Straßen.

Mit einer scharfen Wende bogen wir auf den stattlichen Markt ein und hielten am Posthaus. Da lagen sie und träumten im Schnee, die guten, alten Bekannten: das Standbild des Reitergenerals Seydlitz, das Rathaus und die ehrwürdige Linde – und weiter zur Rechten die Wirtschaft von Dores Küppers mit erleuchteten Fenstern.

Der Wagenschlag wurde aufgerissen.

»’ne kalte Nacht,« sagte der Schaffner.

»Sehr kalt.«

»Wohin mit dem Gepäck, Herr?«

Eine kurze Handbewegung verständigte ihn. »Wollen’s besorgen. – Gute Nacht, Herr.«

»Gute Nacht.«

Ich griff in die Tasche und drückte ihm mit spitzen Fingern die Hand.

»Danke.«

Der geistliche Herr war verschwunden.

»Für Pittje Pittjewitt ist’s heute abend doch zu spät,« meditierte ich, »also stehenden Fußes zu Dores.«

In diesem Augenblick hallte die neunte Abendstunde durch die Stille der Nacht hin.

Als ich bald darauf das Gastzimmer von Dores Küppers betrat, schlug mir ein Pfeifenrauch, ein qualmiger Tabakshecht entgegen, so kompakt und auserwählt, daß man ihn mit einem scharfen Messer wie einen Limburger Käse hätte zerlegen können. Die Herren an den verschiedenen Stammtischen waren kaum zu erkennen. Die allmächtige Schirmlampe, die von der verräucherten Decke herabhing, hatte in diesem Dunst einen trüben Lichthof um sich gezogen, und der eiserne Kanonenofen, der in der Nähe des Schanktisches puffte und fauchte und glühe Partikelchen mit heiserem Knistern in den Aschenkasten versenkte, war nicht imstande, seine hochroten Backen richtig zur Geltung zu bringen. Bevor ich mich an das Qualmige und Nebelhafte des Wirtszimmers gewöhnt hatte, mochte eine geraume Spanne verflossen sein. Die Augen tränten mir. Ich stand ratlos, als plötzlich eine helle Stimme ertönte, die von einem rückwärts gelegenen Tisch herkam.

»Kärrekiek!«

»Kreuzkuckuck noch mal – wer rief da?« Und wieder derselbe Lockruf, aber lauter und mit hellem Gelächter gemischt: »Kärrekiek! – Kärrekiek!« – dem ein jubelndes »Tag, Jupp!« folgte.

Ich war näher getreten, und richtig – da saßen sie, die lieben Kumpane aus verklungener Jugendzeit: Franz Dewers, der Dachdeckermeister, und Jan Höfkens, der Mühlenbesitzer vorm Kesseltor.

Herr Jeses – war das eine Freude!

»Darf ich ‚ran hier?«

»Das könntest Du,« sagte Jan Höfkens und rückte mir einen bequemen Ledersessel zurecht.

»’ne Bouteille mit Rotspon!« ließ ich meine Stimme vernehmen.

»Fein!« machte Franz Dewers und schnüffelte wieder wie in früheren Tagen.

»Auch der Lateiner wäre hier,« fiel Jan Höfkens dazwischen. »Er täte bei seiner Mutter den heiligen Christ verleben. Er wollte nur das Wetter draußen besehn un käme gleich wieder.«

»Auch der?!« rief ich freudig. »Angestoßen, Ihr alle sollt leben!«

»Pröstchen …!«

Der Rote machte die Augen und die Herzen lebendig – als die Türe aufging und der lateinische Heinrich in seiner ganzen früheren Würde und Herrlichkeit das Zimmer betrat. Noch immer dasselbe Pathetische in seinem äußeren Menschen, noch immer die zu kurzen Hosen und lachsfarbigen, baumwollenen Strümpfe, noch immer derselbe wehleidige Augenniederschlag und das Unstete im Bewegen der Arme … alles wie früher! – nur die giftigen, schweinfurtergrünen Plüschpantoffeln fehlten, und auch der innere Mensch hatte sich im Laufe der Jahre völlig gewandelt. Aus dem frömmelnden Jungen von damals war ein Mann geworden, der an einer der bedeutendsten Zeitungen des Westens eine führende Stellung innehatte und eine Feder handhabte, die, wenn sie ansetzte, alle Düsterer und Dunkelmänner in die äußersten Winkel verscheuchte.

»Jupp wäre angekommen!« schrie ihm der sommersprossige Semmelfuchs Jan Höfkens entgegen.

»Favete linguis!« sagte der lateinische Heinrich und machte dabei dieselbe unnachahmliche Handbewegung wie früher.

Ich war nahe daran, und zwar infolge eines plötzlich aufgetretenen Lachkitzels, das soeben genossene Schlückchen Rotwein über die blankgescheuerte Platte des Tisches zu prusten, als der Lateiner gravitätisch auf mich zukam, die Arme breitete und in die salbungsvollen Worte ausbrach: »Habemus Josephum!«

Da war’s alle mit mir.

Ich lag an der Brust des braven Gesellen, und die Tränen wollten mir kommen; dann klangen die Gläser zusammen.

»Dein Roman ›Kärrekiek‹ soll leben, der uns alle verewigt!« sagte der lateinische Heinrich.

»Bravo!« schnüffelte Franz.

»Ich täte mich anschließen,« ergänzte Jan Höfkens, wobei er den Rotspon hinter die etwas verstäubte Müllerjacke hinabgoß.

Wir setzten uns. »Also der Roman gefällt Euch?« fragte ich nach einiger Weile.

»Gefällt uns!« kam es unisono zurück.

»Und Ihr seid mit den Rollen zufrieden, die Euch in demselben zugeteilt wurden?«

»Sind wir!«

Franz Dewers und der lateinische Heinrich hatten gesprochen, während der Sommersprossige stocksteif ins Glas sah.

»Na – und Du, lieber Johannes?«

»Ich wäre es nich,« muffelte der Gefragte, wobei sein Gesicht ein patziges Aussehen bekam. »Nein – ich wäre es nich.«

»Schweige, Johannes,« trumpfte der Lateiner auf und klappte die Augendeckel herab. »Du bist bereits an den Deponentien gescheitert, vom accusativus cum infinitivo gar nicht zu reden. Was versteht der Bulle vom Flageolettspiel? und darum: im Kreise gebildeter Männer Hast Du über derlei Fragen zu schweigen.«

»Das könnte ich wohl, aber das täte ich nich,« eiferte Jan, »denn die Sache wäre mir zu schanierlich gewesen.«

»Wie so denn, lieber Johannes?« fragte der lateinische Heinrich, indem er ihm die Hand salbungsvoll und mit einem tiefen Seufzer auf die Schulter legte.

»Weil ich hierdurch Malör gehabt hätte,« erwiderte Jan, »denn als ich vors Jahr an Minken Umbach sagte, ob sie heiraten täte, da fragte sie: Ihnen? – un als ich denn nickte, da meinte sie mit so ’nem grieflichen Lachen: das wäre eine große Ehre for mir. – Ich könnte es Wohl, aber ich täte es nich… Un nu säße ich da.« Ein wieherndes Gelächter hallte in diesem Augenblick durch die Dores Küpperssche Gastwirtschaft.

»Tristissime!« bedauerte der Lateiner, aber es wäre dennoch zu einem Bruch der Freundschaft gekommen, hätte sich der Sprecher nicht in allen nur möglichen heilsamen und einlenkenden Trostworten ergangen, wäre sein Mienenspiel nicht ein reelles gewesen und hätte er nicht, wobei er mit einer drastischen Pose auf den ahnungslosen Franz Dewers deutete, die denkwürdigen Worte zitiert: »Solamen miseris socios habuisse malorum!«

Der Semmelfuchs sah ihn fragend und mit aufgerissenen Augen an.

»Das könnte ich nich verstehen,« sagte er kleinlaut.

»Weiß ich – und habe es schon immer gewußt, allein ich kann doch nicht dafür regreßpflichtig gemacht werden, daß Du, mein lieber Johannes, des Lateinischen unkundig bist?! Aber rücksichtlich des vorliegenden Falles und aus aufrichtiger Neigung zu Dir soll Dir die genügende Aufklärung werden.«

Wiederum deutete er auf den braven Dachdeckermeister, dessen Nase sich schnüffelnd in das Burgunderrot des vor ihm stehenden Kelchglases versenkt hatte.

Mit lauter Stimme und sich auf hohem Kothurn wähnend, begann er:

»Allzeit tröstlich im Leben, tröstlich bei jeder Misere Ist es, einen Genossen, einen Bruder zu haben im Unglück; Darum, mein lieber Johannes, wende die Blicke auf diesen, Siehe Franz Dewers Dir an, der in derselben Affäre Gerade wie Du vor Zeit neben den Fettkump gegriffen Und das Bräutchen verpaßte, wie der eifrige Jäger das Rebhuhn, Als er im Eifer der Jagd vergaß die Hähne zu ziehen. Aber was fruchtet’s? – Dahin ist dahin! – und darum, Ihr Freunde, Angestoßen, geklingt, es lebe der gute Johannes, Der nun mahlt das Korn zu Mehl auf malmender Mühle, Es lebe Franziskus, der, als trefflicher Dachdeckermeister, Schlupft aus dem Schlupfloch hervor, den schlüpfrigen Schiefer zu festen. Angestoßen; die beiden – sie leben, es lebe die Freundschaft!«

Hei! – wie klangen die Gläser zusammen, und als eine zweite Flasche Langkork bestellt war, und wieder das tiefe Rot in den Kelchen stand, erhob sich der Lateiner noch einmal, warf einen vielsagenden Blick auf mich und meinte: »Jetzt zu Dir, mein Jupp, in Apoll uns ein werter Genosse. – Aber nicht, wie beim Volk der edlen Phäaken es üblich, Will ich Dich fragen, nicht wie das übliche Verslein es vorschreibt: Quis? Quid? Ubi? Quibus auxilis? Cur? Quomodo? Quando? – Fragen will ich Dich nur, warum bei fast schlafender Nachtzeit, Schneegestöber und Celsius minus dreizehn der Grade Du die Reise gemacht zu Deinen Jugendpenaten? Jetzt, wo die Spatzen im Nord erfroren fallen vom Giebel, Wo im Kanonenofen verpufft die schwärzliche Kohle, Und die Kälte im Zahn die bohrenden Geisterlein aufweckt. Ziemt es sich nicht landfahrend zu sein – ein schweifender Sänger. Dieses erwägend und staunend ob Deiner Hierherkunft Sei mir die Frage vergönnt, warum Du vom trefflichen Eh’weib, So da behaglich daheim das trauliche Nestlein behütet, Abschied genommen – kurzum: was ist der Zweck Deiner Reise? Siehe, ich stehe allhier – und wisse, ein Freund harrt auf Antwort, Also – ich habe gesprochen mit Nachdruck und setze mich wieder Auf den Dores Küppersschen Sessel und bringe Dein Wohl aus. Prosit, alter Geselle – sollst leben und alle die Deinen!«

Triumphierend sah sich der Lateiner um, als er diese Epopöe von sich gegeben.

»Bravo!« schrie Franz Dewers, und der Kerl hätte beinahe wie in früheren Tagen einen regulären Purzelbaum vor lauter Freude geschlagen; allein er bezwang sich, trommelte auf den Tisch und meinte: »Ne, die Poesie – die Poesie! – Wenn das noch meine Großmutter erlebt hätte, wenn das noch meine alte Großmutter erlebt hätte!«

»Das könnte ich auch,« sagte Jan Höfkens, »aber das täte ich nich,« und diese Auslassung hatte sicherlich einen Sturm der Entrüstung bei dem vorherigen Sprecher gezeitigt, wäre sie nicht in dem lauten Gläserklingen untergegangen, an dem sich auch der biedere Gastwirt Dores Küppers in mannhafter Weise beteiligte.

»Na, denn also?« fragte mich der lateinische Heinrich, als das Klingen verhallte, und die Gläser wieder auf dem Tisch paradierten; dann sah er mich an.

»Je, was soll ich sagen,« entgegnete ich nach einiger Weile. »Pittje hat mich gerufen.«

»Wer?« riefen alle.

»Pittje Pittjewitt.«

»D–e–r?« erstaunte sich der doktorliche Zeitungsschreiber, wobei er das Wort wie ein Gummistrumpfband in die Länge dehnte, als sollte es um die stramme Wade einer handfesten Köchin gelegt werden. » Circumstantiae variant res! – Na, ja – das ist denn doch auch eine andere Sache. – Aber warum denn?«

»Ja, wenn ich das wüßte, nur ahnte! – Auch die leiseste Andeutung fehlt mir, und wie ich auch gesucht und gegrübelt habe auf meiner Reise nach hier – ich tappe im Blauen herum und weiß nur, daß eine gewisse Kathje Peerenboom tot ist.«

»Peerenboom?! – Kathje Peerenboom?! – Kenne ich nicht,« versetzte der lateinische Heinrich.

»Mit einem Bruder von ihr«, erzählte ich weiter, »bin ich soeben im Postwagen angekommen. Er scheint ein geistliches Amt hier in der Nähe innezuhaben.«

»Stimmt,« mischte sich jetzt Dores Küppers dazwischen, dessen stattliche Nase im Laufe der Jahre etwas Karfunkelsteinartiges angenommen hatte. »Stimmt; Nikodem Peerenboom ist der Bruder von Kathje, war früher Kaplan in Marienbaum und bekleidet jetzt das Amt eines Pfarrers in Bedburg.«

»So, so!« machte der lateinische Heinrich.

»Und Kathje?« fragte ich weiter.

»Kam vor einigen Wochen hier an,« erläuterte Dores Küppers, »nachdem sie fast seit Menschengedenken heimlich auf und davon ging. Ich habe sie noch als junges Ding gekannt. Die verkörperte Schönheit: haselnußbraun, schwank wie ’ne Weidengerte und dabei drall und prall wie ’n Pfirsich, der soeben frisch vom Spalier kommt. Na, und das Mündchen …! – Nicht größer wie ’ne Gartenmorelle.«

Dores war ein Kenner weiblicher Reize, und wenn er sie schilderte, dann spitzte er jedesmal seine Lippen sehnsüchtig unter dem Nasenmeteor, brachte Daumen und Zeigefinger in leise Berührung und spreizte die übrigen Finger selbstgefällig nach oben.

So tat er auch jetzt. Dann setzte er ein tiefbekümmertes Gesicht auf, strich sich über die eingeschmalzte Perücke und klagte: »Nun ist alles dahin, meine Herren! – Tot – gestorben im Hospital – wird morgen begraben. Das Leben – das Leben …!«

Mit einem kräftigen Schluck Rotwein suchte er den aufsteigenden Schmerz in die gehörigen Schranken zu weisen.

»Und dazu wirst Du herberufen?« wandte sich der Lateiner an mich. »Das ist ja eine ganz mysteriöse Geschichte!«

»Un was hätte Herr Pittje mit der Sache zu tun?« wagte nun seinerseits Jan Höfkens schüchtern einzuwerfen.

Dores zuckte die Achseln.

»Man weiß nichts Bestimmtes. Es ist alles so verworren und seltsam. Hier wird geredet, da wird geredet, man munkelt und tut so – aber alles ist dunkel geblieben, und mit der Zeit ist dann so ’ne faustdicke Grasnarbe über die ganze Geschichte gewachsen. Kurz, man weiß nichts Gewisses und erinnert sich nur, daß die beiden einmal versprochen gewesen, daß er mit einem fremden Maler aneinander geraten … und dann« – und wieder fuhr Dores mit der Hand über die eingeschmalzte Perücke – »man will doch Herrn Pittje Pittjewitt nicht zu nahe treten. Der Mann ist reell, hat seine Verdienste, opfert sich auf für das Wohl der Gemeinde, gibt mit der Rechten, wovon die Linke nichts weiß – und dann überhaupt: man soll ruhen lassen, was scheinbar nicht an die Öffentlichkeit will, und schließlich ist vielleicht auch kaum des Nennenswerten an der ganzen Affäre.«

»Meine ich nicht,« orakelte der lateinische Heinrich mit geheimnisvollem Augenzwinkern. »Etwas Mysteriöses läuft mit unter, ist mit der ganzen Sache verflochten, bleibt ein integrierender Faktor derselben und, mag Dores Küppers tun wie er will, ich lasse mir meine Meinung nicht fortdisputieren. Etwas Mysteriöses liegt vor. Ein magnetischer, körperlicher oder seelischer Rapport zwischen Pittje und der nunmehr verewigten Kathie Peerenboom dürfte nach allen Normen des menschlichen Denkens und Fühlens noch bis vor kurzem als bestehend zu erachten sein; denn warum sonst die plötzliche Ankunft der geheimnisvollen Person, ihr baldiges Ableben, das kurze, aber vielsagende Telegramm, der geistliche Herr in der Postkutsche, das kometenartige Auftreten Jupps – alles Dinge und Begebenheiten, die zu denken geben und wahrscheinlich mit unsichtbaren Fühlern und Drähten längst vergangene Zeiten berühren.«

»Ich täte dasselbe glauben,« sagte Jan Höfkens.

»Danke,« lächelte der lateinische Heinrich und seine Blicke huschten spöttisch über das todgute und ernste Gesicht seines Freundes. »Aber wie dem auch sei: post nubila Phoebus! Über kurz oder lang werden die Schleier gelüftet, denn Jupp ist hier in einer, wenn auch von ihm noch nicht gekannten Mission – und deshalb, wenn alle sonstigen Zeichen nicht irreführen und trügen, dürften demnächst Aufklärungen von höchst einschneidender Natur erfolgen, die uns das Bild und das Seelenleben unseres verehrten Herrn Pittjewitt in einer neuen, intensiveren Beleuchtung näherrücken. Aus diesem Grunde« – und mit einer gewissen Feier und Förmlichkeit äugelte er nach dem Rotspon, ergriff das Glas und sagte:

»Ja – aus diesem Grunde, des edlen Pittjes gedenkend, Wende ich mich zuerst an Dich, mein lieber Johannes, Der Du das sommersprossige Antlitz mitsamt Deinem Flachshaar Durch die Jahre hindurch mit stoischem Gleichmut getragen, Stoischen Gleichmuts bis jetzt mit jedem Fremdwort im Kriege lagst, Wende ich mich an Dich, Franz Dewers, der Du, wie einstmals Ikarus es getan, hoch zwischen Erde und Himmel Schwebst in steter Gefahr, mit Schiefer den Turmhelm zu kleiden, Wende ich mich an Dich, Herr Küppers, trefflicher Schankwirt – Ha! – wie soll ich Dich nennen, wie Dich bezeichnen anjetzo?! – Stille, ich hab’s: Du kommst mir vor wie der göttliche Sauhirt! – Wende mich daher an Dich, Du göttlicher Sauhirt Enmäos, Der Du uns gelabt mit köstlichem Naß aus der Flasche, Wie Eumäos es tat dem großen Dulder Odysseus, Der viel Meere durchschifft und erst nach länglicher Irrfahrt Springen könnt‘ in das Bett, wo Penelope seiner harrte, Wende mich jetzo an Dich, poeta, der leider so oft Du Wurdest geschmäht und gehetzt vom Frankfurter Schreiber Thersites, Wende mich schließlich an mich und gebe den nötigen Ruck mir: An die Gewehre, die Gläser gefaßt, und – Pittje soll leben! Hoch, und abermals hoch und abermals – Pittje soll leben!«

Der Lateiner hatte rührend gesprochen – aber wie klappte der fünfstimmige Tusch auch! – Wie aus der Pistole geschossen klang das »Hoch!« durch die Stube, und der Kanonenofen puffte und knallte dazu, als gelte es, Salut auf Königs Geburtstag zu bollern.

Jetzt aber war’s alle mit Franz Dewers. Die Freude und Begeisterung brachten ihn um. Er mußte sich Luft machen, und trotz der noch anwesenden Stammgäste schlug der Kerl fünf tadellose Purzelbäume wie in seinen besten Jugendjahren hintereinander, bei welchem Bravourstück sein allmächtiger Hosenboden kapriolte und schwappte, als hätten in demselben zwei stattliche Hasen, Rammler und Häsin, Frühlingsgefühle bekommen.

»Jetzo genug,« sagte der Lateiner und verfiel wieder in seine klangvolle Hexameterwut:

»Jetzo genug! – Schon mahnt vom Turm die brummende Glocke Dumpfen Schlages, für uns die Mitternachtsstunde zu künden. Jetzo zu Bett und vertrauet Euch alle Morpheus‘ Umarmung, Daß nicht bei lautem Lärm und Gezech und uns allen zur Unehr‘ Noch die dämmernde Eos mit Rosenfingern emporsteigt. Morgen ist auch ein Tag. – Gute Nacht – und schlafet in Frieden!«

»Gute Nacht – gute Nacht!« klang es ihm von allen Seiten entgegen.

Dann trennten wir uns.

Alsbald war es still, mäuschenstill, in der Dores Küppersschen Wirtschaft.

Nur ab und zu tutete das Nachtwächterhorn wie aus weiter Ferne in meine Traumwelt hinein; nur ab und zu ein Rascheln hinter den vergilbten Tapeten, ein Trippeln und Piepsen – aber es störte nicht weiter: ich träumte von Pittje Pittjewitt und Kathje Peerenboom. Ich schlief bis weit in den frostigen, klingenden Wintermorgen hinein. Als ich aufwachte, knisterten bereits die Buchenscheite im Ofen; die Eisblumen, die wie Brabanter Klöppelwerk an den Scheiben hafteten, begannen infolgedessen aufzutauen und sanft zu zerfließen, und als ich beim Ankleiden hinaussah, da lachte so ein recht behaglicher, kalter, sonniger Wintermorgen über Marktplatz und Giebeldächer, die alle weiße Nachtmützen trugen und mit einem fast großväterlichen Wohlwollen auf das kleinstädtische Leben herabsahen, das aus einigen schnellfüßigen Bäckerjungen, der Zeitungsfrau und etlichen Spatzen bestand, von denen die letzteren nicht müde wurden, sich um ein Roßäpfelhäuflein zu balgen, das sich lediglich als ein Überbleibsel des gestern abend angekommenen Postzuges ausweisen konnte. Das war zurzeit das einzige Leben im Zwing und Bann des weltvergessenen niederrheinischen Winkels.

In den Schaufenstern des gegenüberliegenden Bäckerladens paradierten großmächtige Spekulatiusmänner, Kalkarer Janhagel und Aachener Printen, die, mit Fichtenzweigen besteckt, an die nicht mehr ferne Zeit der heiligen Weihnacht gemahnten. Wie oft hatte ich als Junge mit meinen Kumpanen vor diesem Laden gestanden, hatte nach den Mandeln und Kardamomen die Finger geschleckt und mich dabei umschauern lassen von dem Zauber der kommenden Tage, der ahnungsvoll heraufdämmerte und von dem süß geheimnisvollen Zirpen der Heimchen, von dem harzig duftenden Wunderbäumchen mit den brennenden Lichtern und dem stillen Walten der heiligen drei Könige aus Mohrenland erzählte. – Auch heute beschlich mich dieses Gefühl, auch jetzt kehrte mir die Jugendzeit lebhaft zurück, auch heute mußte ich an Vater und Mutter denken, die nicht mehr sind, an die kleine Schwester, die da draußen auf dem Friedhof der kleinen Stadt begraben liegt und an so viele, die den Weihnachtsbaum umstanden hatten in den Tagen der Kindheit.

Es war spät am Morgen geworden, und die dämmernde Eos, von der der lateinische Heinrich gestern abend so schön gesagt und gesungen, winkte schon längst mit ihren Rosenfingern vom Himmel, als ich nach einem mit Dores Küppers gemeinschaftlich eingenommenen Frühstück auf den Marktplatz hinaustrat, um mich von hier aus auf den Weg zu Pittje zu machen.

Na – ich ging denn, begrüßte im Weitergehen die alte, überzuckerte Linde und das Standbild des Generals Seydlitz, dessen aufgekrempter Reiterhut sich über Nacht mit den feinsten Dunenfedern geschmückt hatte – und wie ich so ging und mich schon in Gedanken auf das Wiedersehen mit Pittje freute, da begann plötzlich in langen und dumpfen Schlägen die Totenglocke zu läuten.

»Sollte Kathje Peerenboom etwa schon jetzt…«

Ich vermochte den Gedanken nicht weiter auszuspinnen, denn fast gleichzeitig mit dem Auftauchen desselben bewegte sich ein kleiner Trauerzug um die Rathausecke dem Markt zu. Er kam von der Grabenstraße, auf der das Hospital der barmherzigen Schwestern gelegen. Das dumpfe Glockengeläut mit ihren scharfen Responsorien übertönend, schritten Kaplan, Küster, Meßjungen und Kreuzträger dem schlichten, mit blinkenden Zinnornamenten verzierten Sarge voraus, der, von sechs etwas fragwürdigen, aber ganz in Schwarz gekleideten Männern getragen, hoch über die blendendweiße Schneedecke heranschwankte.

Unter dem üblichen monotonen Gesang kam der Zug näher und näher. Einige Leute, Männer und Frauen, traten neugierig aus den Häusern, um den sehr einfachen Trauerpomp auf sich wirken und vorüberziehen zu lassen.

»Oremus…!«

Jetzt wurde die große Linde passiert, und der Zug schickte sich an, mehr nach links einzubiegen, als ich des ersten Leidtragenden ansichtig wurde. Es war der geistliche Herr von gestern abend im Postwagen. Keine Bewegung zeigte sich in seinem Gesicht. Es war ruhig und kalt wie Buttermilch, die auf einer Schale mit Eis steht. Hinter ihm folgte die lange Kanders, die Lichtjungfer, im schwarzen Kleid von Merinowolle; sie kam mit einigen Frauen und Männern, deren Namen mir im Laufe der Zeit entfallen waren, und dann – ganz zuletzt, ganz allein und mit gesenktem Kopf: Pittje Pittjewitt.

»Pittje, mein Pittje…!«

Ich hätte aufschreien mögen.

Vornübergebeugt, im braunen Gehrock, den sich zuckerhutartig verjüngenden Zylinder mit einem großen Trauerflor umwunden, den Rotbaumwollenen unterm linken Arm tragend und die beiden Hände gefaltet, so schritt Pittje ganz zuletzt im Leichengefolge und schien die Schneestapfen zu zählen, die vor ihm auftauchten.

Jetzt wandte er sich.

Gott! – wie hatte sich der Mann im Laufe eines Jahres geändert. Er war kleiner geworden, in sich zusammengeschrumpft, verhutzelt, verkümmert – und dennoch: das waren die lieben Züge, dieselben wasserhellen und gutmütigen Augen wie früher.

»Pittje…!«

Ich hatte leise gerufen; dann war ich an seine Seite getreten. Schweigend drückte ich ihm die Hand, und wir gingen selbander schweigend zum nahegelegenen Kirchhof.

Und sie trugen Kathie Peerenboom zur letzten Ruhe…

Die Gatter standen geöffnet. Nicht weit vom Kalvarienberge gähnte uns im Schnee eine frisch aufgeworfene Grube entgegen.

Also hier…

Die religiösen Zeremonien waren bald erledigt.

» Tu es pulvis ad pulverem reverteris« …!«

Ein kurzes Gebet, ein kurzes Besprengen mit dem Weihbronnwedel – und der geistliche Herr, dessen frostiges Gesicht wie abgekühlte Buttermilch aussah, warf etliche Schaufeln hartgefrorener Erde in die Grube hinein, daß der Sargdeckel laut aufpolterte. Dann gab er die Schaufel zurück und verließ ruhig den Friedhof. Der Kaplan, der Küster, die beiden Meßjungen und die lange Kanders, die im Hospital die Ärmste sorglich aufgebahrt hatte, folgten mit den übrigen Leuten. Kurz vor dem Ausgang gerieten aber die beiden Schlingel von Meßjungen, von denen der eine das Räuchergefäß, der andere den Weihwasserkessel mit Wedel zu tragen hatte, in Streit. Sie blieben hinter dem Küster und der langen Kanders zurück, zankten sich, pufften und knufften, bis schließlich dem einen die Geduld riß, und er seinem Mitkomparenten den eisigkalten, halbgefrorenen Weihwasserquast rechts und links um die Ohren knallte. Ein kurzes Geheul…! – da drehte der Küster Tenback das aufgedunsene und glattrasierte Gesicht auf den Schultern herum, und sein scharf ausgestoßenes »Pscht!« stellte die Ruhe wieder her und ließ auch die subtilste Klage des mit dem Weihwasserquast Bearbeiteten jählings verstummen.

Jetzt war es wirklich still auf dem Kirchhof geworden – totenstill. Das zeitweilige Schollern der abwärts geworfenen Erdklumpen, die allmählich die Grube ausfüllten, störte keineswegs die friedliche Stille; im Gegenteil, es machte sie größer und fühlbarer – und wir beide, Pittje Pittjewitt und ich, inmitten derselben, umgeben von verwitterten Steinen und überragt von dem hölzernen Kruzifixus, der auf dem Kalvarienberg emporstieg und sich in seiner kreidigen Tünche scharf umrissen von dem stahlblauen Himmel abhob. Mir war es so, als zitterte ein verhaltenes

»De profundis clamavi ad te, Domine!«

über die verschneiten Gräber und verfallenen gußeisernen und hölzernen Kreuze. Auch Pittje schien dasselbe zu fühlen; er sah über die schwarze Grube in das weite Schneefeld hinaus, und seine Blicke wurden starrer und starrer. In den gespenstischen Augen war die große Verzweiflung, die Leidensgeschichte aus alten Tagen zu lesen, die ihm das Herz brach.

So stand er lange. Den Zylinder, dessen Rand er mit beiden Händen umkrampfte, hielt er gegen die Brust gepreßt, genau so, wie er es gleich beim Beginn der Zeremonien getan hatte. Das spärliche Haar wurde über die Stirn geweht. Er vergaß Wind und Kälte bei seinen Gedanken. Auf geheimnisvoller Brücke schien er von der Gegenwart in das fernliegende Reich der Vergangenheit zu pilgern. Ich ließ ihn gewähren und zählte mechanisch die gefrorenen Erdschollen, die immer noch mit dumpfem Geräusch in das Grab hinabrollten. Stetig füllte sich die Grube, wo Kathje Peerenboom ruhte.

Jetzt wandte sich Pittje. Er bewegte die Lippen, aber die Stimme versagte ihm; ein herzzerreißendes Lächeln legte sich um seine gefältelten Mundwinkel. Er nahm meine Hand, ging einige Schritt mit mir zurück und weinte bitterlich.

»Komm, Pittje.«

Er folgte willenlos und drückte sich den altmodischen Zylinder über die grauen und verwehten Haare.

»Ich danke Dir,« sagte er mit verschleierter Stimme.

Es waren die ersten Worte, die seit unserem heutigen Begegnen von seinen Lippen kamen. Gleich darauf verließen wir schweigend den Kirchhof.

Als wir das Schneefeld hinter uns hatten und den großen Marktplatz passierten, blieb Pittje stehen und sah mich mit großen Blicken an. »Du,« sagte er in stockender Weise, »jetzt noch nicht – es ist mir alles so schwer angekommen – ich weiß nicht, wie mir ist – ich muß erst Ruhe haben nach dieser Stunde. Aber, wenn es Dir recht ist: Schlag Klock fünf in meinem Hause, dann…« und seine Stimme ging in ein verhaltenes Schluchzen über, »ich habe Dir vieles zu sagen.«

»Gerne, Pittje.«

Wir trennten uns.

Schlurfend und müde arbeitete sich das betrübte Männchen durch das flaumige Schneetuch und trieb der Kesselstraße entgegen. Bei einer scharfen Biegung verschwand er. – – –

Der Laternenmann ging schon von Straße zu Straße, um die Rüböllampen, die sich in großen Glaskästen befanden, zu putzen und anzuzünden, als ich bei Pittje Pittjewitt vorsprach. Eine brennende Laterne hing gerade über der niedrigen Tür. In dem Flackerlicht derselben konnte ich auch die Inschrift des Metallschildchens entziffern, das unterhalb des Klingelzuges mit einigen Messingnägeln angebracht war. Richtig – da stand es noch immer: Peter Pittjewitt, Barbier, Leichenbitter und Schweinestecher.

Ich trat über den geplatteten Flur in das wohlbekannte Zimmer, woselbst die große Standuhr mit dem grell kolorierten Zifferblatt allein das Wort führte. In behaglicher, fast selbstgefälliger Eigenart ging der Pendel

auf und nieder und plauderte mit sich selber im Uhrgehäuse.

Eine behagliche Stubenwärme kam mir entgegen.

Tabakskasten, etliche Tonpfeifen und Streichhölzer standen inmitten des blankgescheuerten Tisches, während Pittje selber in einer warmen Flanelljacke seitwärts desselben saß und blaue Wölkchen gegen die Zimmerdecke emporblies.

Eine weiße Zipfelmütze hatte Pittje gegen seine sonstige Gewohnheit tief über die Ohren gezogen.

Zwei Wachslichter, die in blanken Leuchtern bei dem Tabakskasten standen, warfen die Silhouette des zusammengekauerten Mannes in starker Vergrößerung auf die gegenüberliegende Wand. Schattenhaft krochen an derselben auch die Klingel empor, die in abgemessenen Pausen der Tonpfeife entstiegen und an der niedrigen Balkenlage verschwanden.

»Schön, schön, schön, daß Du kommst,« sagte Pittje, und seine Augen maßen mich ruhig von Kopf bis zu Füßen; dann streckte er mir seine verschrumpfelten Hände entgegen.

»Aber, Pittje,« verwunderte ich mich, »wo ist denn das schöne Troddelkäppchen geblieben, das sonst …«

Eine schwache Handbewegung des vor mir sitzenden Mannes ließ mich verstummen.

»Es geht nicht mehr,« sagte er kleinlaut, »und das ist schlimm bei der Sache. – Früher?! – ja – aber jetzt?! – Seit einigen Wochen fröstelt mich immer. Weißt Du, seitdem das mit Kathje passiert ist, seitdem sie zurückgekommen und ich sie wiedergesehn … und wie sie dann sterben mußte … Herr Jeses noch mal …!«

Mit einem tiefen Seufzer fuhr der gebrochene Mann von seinem Binsenstuhl auf. »Weißt Du, das ist soviel wie in ’ne alte Kerbe eines Baumes gehauen, die nachgerade so leidlich vernarbt war. Frische Schläge werfen den Stamm um – und das ist bei mir geschehen. Das lebt und grünt noch ein bißchen, das zehrt so beiwege noch vom eignen Saft und Bast, und dann ist’s alle mit einmal.«

»Aber um Gottes willen – Pittje, so erkläre mir doch!«

»Erklären?! – Ja, wie soll ich das alles erklären!«

Mit einem dumpfen Laut sank er auf den Sessel zurück.

»Bitte, bediene Dich.« Hüstelnd schob er mir eine Tonpfeife und den gemaserten Kasten mit Krülltabak zu. »Das gehört sich so. Blase man forsch den Rauch gegen die Decke; ich für meinen Teil werde wohl bald die letzte Pfeife …«

»Aber Pittje, wer denkt denn an so was!«

»Die letzte Pfeife, mein Junge! – Die vergangenen Wochen haben mich zusammengerissen, denn sieh‘ mal, mein Junge, ich bin nicht nur Leichenbitter, Barbier und Schweinestecher gewesen.«

»Das weiß ich Pittje.«

»Auch etwas anderes als das Alltägliche hat hier unter der Jacke gesessen: der Sinn für alles Gute und Schöne, und wenn mir auch der ›Leichenbitter‹ von Kirchenrats wegen vor Jahren gestrichen wurde, weil ich mich mit den Ultramarinen nicht abfinden konnte und gegen ihre Machenschaften energisch opponierte – Gottdomie noch mal! – und wenn sie auch in jedes Haus und alle Welt getutet haben, ich sei ein liberales Karnickel gewesen – für eine Zichorienkaffeeseele war hier nicht Platz, und ein ordentlicher Kerl bin ich immer geblieben im Leben.«

»Pittje, das weiß ich.«

Eine Pause entstand. Mit einer Energie, die ich ihm nicht mehr zugetraut hatte, blies das erregte Männchen etliche Kringel nach oben; dann fuhr er mit dem Kopf herum, daß sich der Quast seiner Zipfelmütze trotzig bewegte.

»Gottdomie noch mal! – und der bin ich immer geblieben. – Aber Du glaubst wohl, hier dieses Gesicht, das nun aussieht, als wäre die Lichtjungfer mit ihrer kalten Hand darüber gefahren, hätte sonst immer quietschvergnügt zwischen den Vatermördern gesessen. Ja – Du kennst es nicht besser, aber das ist früher mal anders gewesen – anders gewesen – anders gewesen!«

Mit einer gellen und höhnischen Betonung hatte Pittje Pittjewitt die letzten Worte gesprochen und heftig die Pfeife beiseite gelegt. Mit beiden Händen fuhr er sich über das glattrasierte Gesicht.

»Nein, mein Junge, das kennst Du nicht, das weißt Du nicht, das ist früher mal ganz anders gewesen! Tränen gab’s hier, bittere Tränen, und der Schmerz drückte die Faust drauf, daß ich hätte vergehen mögen vor Elend. – Und das ist anno 57 gewesen! – Und hier« – verbittert schlug er mit der geballten Hand auf die Herzgrube – »und hier hat der Sturm gewühlt und geblasen und mir meine besten Hoffnungen zerkloppt und zu Boden geschlagen. – Und das ist auch anno 57 gewesen! – Aber untergekriegt hat er mich nicht. – Weißt Du, was so ’n richtiger Baum ist und keine Kerbfäule hat, der purzelt nicht beim ersten Sturm und beim ersten Axthieb so ›Mirnichtsdirnichts‹ zu Boden. – Die Kerbe saß; aber ich habe mich aufgerappelt, habe das zertöpperte Geschirr fortgeschmissen und mir durch Arbeit neues erworben. Es ging schwer, aber es ging doch. – Die Freude am Leben kam wieder, das Barbiergeschäft machte sich, die Schweinestecherei brachte das übrige ein, ich prestierte was in der Stadt, und so bin ich trotz der gehauenen Kerbe glücklich geworden.«

Pittje atmete tief auf und erhob sich. Langsam schlurfte er auf mich zu, legte beide Hände auf meine Schultern und sagte mit tränenerstickter Stimme: »Ja, zufrieden und glücklich, mein Junge, und der da« – mit einer pathetischen Geste wies er auf das grünangestrichene Glasspind, in welchem neben Porzellantassen und einer vergoldeten Kaffeekanne der ehrwürdige Zylinder sein beschauliches Dasein fristete – »und der da hat es gesehen bei Kirmes und sonstiger Gelegenheit, was ich noch für ein lustiger Kerl geworden bin im Leben – und wär’s auch geblieben, wenn sie nicht zurückgekommen wäre, um hier zu sterben und begraben zu werden.«

Erschüttert senkte Pittje den Kopf. Der ganze Mensch zitterte.

»Und das ist das Unglück gewesen,« ergänzte er tonlos. – »Aufs neue wurde in die so halber geheilte Kerbe gehauen – und an so was geht so ’n alter Baum, wie ich bin, zugrunde, denn so was kuriert sich nicht wieder. Nun ist die alte Geschichte wieder frisch geworden, und nu sagen sie wieder, nu sagen sie wieder …«

Pittje hielt plötzlich inne und schlug die Hände zusammen; dann rang er sie und griff an die Schläfen. »Herr Jeses noch mal! – nu sagen sie wieder …«

»Pittje, was ist denn, was sagen die Leute?!«

Er schüttelte leise den Kopf.

»Menschenschicksal, mein Junge. Erzählen läßt sich das nicht, läßt sich das nicht – es wird mir zu schwer, aber lesen sollst Du die ganze Geschichte. – Warte man, ich komme gleich wieder.«

Mit zitternder Hand nahm er eine der Kerzen und wankte der Tür zu, die in das Schlafzimmer führte. Grotesk bewegte sich dabei sein gigantischer Schatten mit der wackelnden Zipfelmütze die weißgekalkten Wände entlang, um in der Nebenkammer zusammenzuschrumpfen. Jetzt war Pittje nebst seinem Schatten verschwunden.

Eine kurze Spanne verging – da kamen sie wieder.

Pittje legte ein dickleibiges Manuskript auf den Tisch, knöchelte mit der Linken darauf und meinte mit umflorter Stimme: »Ein Menschenschicksal! – Ich hab’s selber, so gut und schlecht wie ich’s konnte, zu Papier gebracht, um mir das Leid vom Herzen zu schreiben. Alles steht drin: von ihr und mir und dem anderen – alles.«

Schwerfällig und abgespannt warf er sich auf den Sessel zurück und legte die Hände wie in Ergebung zusammen. Seine Blicke richteten sich gegen die mit weißem Flußsand bestreuten Dielen, als wollte er die einzelnen Partikelchen zählen, die mehr oder weniger im Kerzenlicht aufflimmerten.

Ich hatte inzwischen die gehefteten Bogen ergriffen. Vergilbte Blätter – krause Schriftzüge – krause Gedanken …! – Ab und zu ein vertrockneter Grashalm – ein zusammengeschrumpfeltes Heckenröschen – eine Roggenähre, aus der die Körner gefallen – dann eine Schleife – ein Hobelspänchen – ein verwaschenes Band … und dazwischen: kurze Erläuterungen – Ausrufe – schallendes Gelächter – Weh und Freud und Leid – ungelenke Schilderungen, naiv, aber packend und ein Menschenschicksal offenbarend, das bewegen und ans Herz greifen mußte.

Ich blätterte lange – dann schlug ich die letzte Seite auf und las mit inniger Rührung: »Dieses habe ich nach bestem Wissen und Gewissen für etwaige Fälle und zur Rechtfertigung meiner selbst eigenhändig niedergeschrieben. Ich mußte mich beeilen, denn ich fühle, daß die lange Kanders mit ihrem Gänsehals bald kommen wird, mir das letzte Hemd über die Ohren zu ziehen. Heute hat die Komödie so ziemlich ihr Ende erreicht. Bald kann denn auch die Gardine herunter. Daß alles so stimmt wie es dasteht, daß nichts ausgelassen wurde, was zur Verteidigung anderer wesentlich gewesen, und daß ich allen vergebe, die mir weh getan haben im Leben – das bezeuge ich am heutigen Tage, Mittwoch vor Heiligabend im Jahre nach der Geburt des Herrn neunzehnhundertundzwei. Peter Pittjewitt. Notabene von wegen meines schwerkarätigen Siegelringes, den ich nur an Sonn- und Feiertagen, bei meiner Verlobung und auf Kirmes getragen. Meine letztwillige Verfügung über diesen Ring, den ich von meiner seligen Mutter erbte, ist die, daß derselbe …«

Ich hielt plötzlich mit Lesen inne.

»Aber Pittje …!«

»Der ist für Dich,« sagte Pittje ohne aufzublicken. »Ich habe mir das so ausgedacht – es beruhigt und ist so ’ne Herzenssache für mich.«

Ohne auf meine Gegeneinwendungen auch nur im geringsten zu achten, brachte er seine Tonpfeife am Kerzenlicht wieder in Brand, stieß scharfumrandete Kringel zwischen den zugespitzten Lippen hervor und knurrte beständig zwischen dem Paffen: »Abgemacht, bleibt so! – Abgemacht, bleibt so!«

Allmählich verlor sich sein Knurren und Paffen. Er schlug einen wehmütigen Ton an und meinte: »Und dann noch so ’ne zweite Herzenssache für mich! – Sieh mal, diese Blätter und das, was darin steht – das will ‚raus, das will an die Luft. Wie wär’s nun, wenn Du … Na, Du verstehst mich. – Wenn das hinaus ginge in alle Welt, wenn das alle lesen würden, die für mich sind und die gegen mich sind – es käme ein anderer Dreh in die ganze Geschichte, es wäre ’ne kapitale Rechtfertigung für mich, denn viele meinen, ich sei schuld an der ganzen Sache gewesen, hätte sie sitzen lassen, und so wäre sie jammervoll hinausgezogen ins Elend. Aber das stimmt nicht. Nur ihretwegen haben Wilm Henseler, Sally Süßkind und ich geschwiegen. Nun, da sie tot ist … Ach, was! – so wie ich das hier niedergeschrieben, so ist das richtig und so ist das immer richtig gewesen. Und darum …«

Pittje beugte sich vor und ergriff meine Hände. »Und darum … ich hätte so gerne … ich möchte … das wäre so ’ne Herzenssache für mich. Willst Du – so sag’s man.«

Die Tränen wollten mir kommen.

»Ja, Pittje – ich will, ich will!« und zur Bekräftigung des Gesagten legte ich meine Hand auf die beschriebenen Blätter.

»Ich danke Dir, Jupp.«

Mit einem fast heiteren Lächeln fiel er in den Binsensessel zurück und blies ruhig aufsteigende Wölkchen zur Decke.

Die beiden Kerzen brannten tiefer und tiefer. Draußen ging der Abend auf geräuschlosen Sohlen über die weiße Schneedecke und entfachte tausend und abertausend lichte Funken am Himmel. Kein Geräusch drang von der Straße ins Zimmer. Nichts regte sich in der behaglichen Stube. Nur der Perpendikel plauderte auf seine Weise im Uhrgehäuse, tickte und tackte und ruckte nur merklich, wenn das Schlagwerk mit heiserer und etwas schnarrender Stimme ansetzte, um die ganzen, halben und viertel Stunden durch die kleine Behausung zu rufen.

Jetzt ruckte es wieder, dann das umschleierte, heisere Vorspiel – und dann …

Pittje Pittjewitt zählte: »Eins – zwei – drei – vier – fünf – sechs. – Sechs Uhr. – Jetzt kommt er.«

»Was heißt das?« fragte ich kleinlaut.

»Schlag Klock sechs kommt er immer, um mir so ’n bißchen Gesellschaft zu leisten,« hüstelte Pittje und sah nach der Tür.

Unwillkürlich drehte auch ich mich auf meinem Stuhl herum und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

»Jetzt!« sagte Pittje.

Fast gleichzeitig ließen sich draußen Schritte vernehmen, denen ein Geklapper von Holzschuhen folgte.

»So tut der immer,« lächelte Pittje. »Draußen zieht er die Holzschuhe aus, stellt sie seitwärts der Tür und kommt dann auf seinen Ledersocken ins Zimmer. Es ist so ’ne Gewohnheit von ihm,« fügte er schmunzelnd hinzu, »denn seine Schwester Jüllecke, die ihm den Haushalt führt, hat ihm das eingeremst; sie kann keine Klumpen in der guten Stube vertragen. – Herein!«

Und richtig, so war es. – Langsam, geräuschlos drehte sich die Tür in den Angeln, und vorgebeugten Leibes, die abgegriffene Seidenmütze im Nacken, trat der Schreinermeister Wilm Henseler auf weichen, weißen Ledersocken in die blankgescheuerte Stube.

»Ich melle mir, Pittje!«

»Tag, Wilm!«

»Ah! Jupp – haben wir auch mal die Ehre – bist auch mal gekommen?! – Das is nobel von Dir, mehr wie nobel, mein Junge! – Also, Pittje – ich hab‘ mir gemolden.«

»Schön, Wilm. Setz‘ Dich und steck‘ Dir ’ne Pfeife Krülltabak unter die Nase.«

»Das soll besorgt werden – danke.«

Wilm Henseler, wie Pittje ebenfalls hoch in den siebziger Jahren, war eine eigentümliche Erscheinung. Seitwärts von den Ohrläppchen aus, in denen er silberne Ringe trug, liefen eisgraue, aber korrekt geputzte Hasenpfoten bis zur Mitte der Kinnladen herab, die dem sonst gutmütigen Gesicht eine gewisse Strenge verliehen.

»Also, denn man ‚ran mit die Pfeife.«

Mit seinem dicken Zeigefinger griff er sich in den Mund und holte aus der linken Backentasche das obligate, saftige Priemchen hervor, praktizierte es in die rotgepunktete Sammetweste hinein, um dann erst seine irdene Pfeife zu stopfen.

Als er sie in Brand gesetzt hatte, schnürte er sich langsam an Pittje heran, schlug ihn auf die Schulter und meinte: »Schwerer Tag für Dich heute gewesen!«

Pittje nickte.

»Konnte leider nich mit. – Aber das mußt Du mir lassen,« fuhr der Schreinermeister mit selbstgefälliger Betonung fort, »ich hab‘ ’ne propere Arbeit geliefert. So’n Sarg wird nich alle Tage geschreinert; habe mir Mühe gegeben.«

»Wilmke, das weiß ich,« bestätigte Pittje und ließ dabei den Kopf auf die Flanelljacke sinken.

»Un denn«, lobte Henseler weiter, »die feine Politur – un die Silberbeschläge – un die silbernen Griffe – un denn der Deckel mit’s blinkende Kreuz … So ’ne Auslage, Pittje! – Da is Platz drunter – da kann meinetwegen die Kathje Peerenboom ruhig schlafen für immer. – Aber, Gottdomie noch mal …!«

Mit dem dicken Zimmermannsdaumen deutete Wilm Henseler auf mich und fragte: »Du, Pittje, weiß Jupp um die ganze Geschichte?«

»Du und ich wissen darum,« versetzte der Gefragte mit müdem Augenaufschlag, »Sally Süßkind hat es gewußt – und Jupp soll es hierdurch erfahren.«

Mit matter Handbewegung zeigte Pittje Pittjewitt auf die beschriebenen Blätter.

»Na, denn,« erboste sich Wilm, und das vertrocknete Gesicht spritzte Funken und Galle, »na, denn – Pittje …!«

Er reckte sich auf, zerbrach die Pfeife und schleuderte die Reste mit dem noch glimmenden Kopf in eine Ecke des Zimmers.

»Gottdomie!« schrie er dabei, »aber den Ull Roßmann, den Maler, hole der Düwel!«

Der alte Mann war nicht wieder zu kennen.

»Wilm! – Wilm!« erschreckte sich Pittje.

»Is mich ganz egal! – Gott verdomie – das weißt Du so gut wie ich! – Dir hat er die Kehle zugedrückt, Dir hat er … Pittje, ich melle gehorsamst: ein Schweinekerl war er! – Den Ull Roßmann hole der Düwel …! – Aus!«

Wilm Henseler hatte sich auf einen Stuhl geworfen.

Eine lange und peinliche Stille ging um. Endlich hob Pittje den Kopf, zeigte auf den Tisch und meinte: »Steck‘ Dir eine neue an, Wilm. Das bringt wieder in die Reihe und in die richtige Stimmung.«

»Will ich,« versetzte der Schreiner, »tu‘ ich. Dir zu Gefallen schmor‘ ich den ganzen Tabakskasten ‚runter.«

Er brachte wieder die Pfeife in Gang; dann erhob er sich in militärischer Haltung, legte die rechte Hand an die Schläfe und sagte: »Pittje, melle gehorsamst – sie brennt schon.«

»Schön,« meinte Pittje.

Die alte Standuhr tickte und tackte, und die Kerzen brannten tiefer und tiefer.

Von der Küche her geigte ein Heimchen.

Blaue Wölkchen kräuselten sich um Pittje Pittjewitt, Wilm Henseler und mich. Sie krochen die Wände und die Decke entlang, sie quirlten um den altmodischen, grünangestrichenen Glaskasten, aus dem der stolze Zylinder nur noch wie unter Schleiern hervorsah, sie spielten um die Zipfelmütze Pittjes und um die putzigen Hasenpfoten des qualmenden Schreinermeisters, sie unterkrochen die Stühle und drehten sich spiralförmig durch das Schlüsselloch ins Freie hinaus, um dort unliebsame Bekanntschaft mit der fauchenden Kälte zu machen. Alles war mit Nebelfloren umwickelt, aus denen nur wie schwache Irrlichter der glühende Tabak der irdenen Pfeifen hervorglimmte. Alsbald aber tauchten mir bekannte Gestalten aus den ziehenden Dämpfen. Einige weinten, einige lachten, streckten die Arme, herzten und küßten sich, um bald wieder in ihr Nichts zusammenzufließen. Ab und zu eine Roggenähre – ein eingeschrumpfeltes Heckenröschen – ein Gepiepse von Mäusen – ein verwaschenes Band … Lachen und Weinen …! – Es war so, als seien die Blätter des Manuskriptes in Flammen aufgegangen – und ich saß da wie im Traum, und seltsame Rauchbilder zogen an meiner Seele vorüber.


Etliche Tage später, nachdem ich von Pittje Pittjewitt, dem lateinischen Heinrich, Jan Höfkens, Dores Küppers und den anderen längst Abschied genommen hatte, saß ich in meinem Arbeitszimmer vor den mir anvertrauten Blättern und tauchte unter in die Begebenheiten, die der schlichte Verfasser in seiner Weise geschildert.Blütenweißes Papier lag vor mir. Dann huschte die Feder darüber, und mir war’s, als wenn Pittje hinter mir stände, mir über die Schulter sähe und spräche: »Man weiter, die Sache wird gut so.«Aber noch andere Stimmen waren bei mir.»Das könnte ich auch, aber das täte ich nich.«»Schweige, lieber Johannes,« sagte alsdann der lateinische Heinrich. Dann schwiegen die Stimmen. Pittje Pittjewitt, Jan Höfkens und der lateinische Heinrich zerflossen im Rauch meiner Zigarre.

Und draußen fielen die Flocken – und Krähen zogen vorüber – und Blatt um Blatt füllte sich allgemach mit dem, was meine Seele bewegte.

Ich schrieb die Geschichte von Pittje Pittjewitt und Kathje Peerenboom.

Gott gebe mir eine glückliche Stunde.

© Projekt Gutenberg

Fortsetzung…

 

 

4. Advent

Dezember 22, 2007

Im Zentrum des Gottesdienstes am 4. Sonntag im Advent steht der Lobgesang der Maria (Lukas 1,46-55). LUT

 

 

4. Sonntag im Advent

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Am vierten Sonntage im Advent

Weihnachtsgedicht von Annette von Droste Hülshoff

 

Evang.: Vom Zeugnisse Johannis‘. (Joh. 1, 19-28)

Fragst du mich, wer ich bin? Ich berg` es nicht:
Ein Wesen bin ich sonder Farb` und Licht.
Schau` mich nicht an, dann wendet sich dein Sinn;
Doch höre, höre, höre! denn ich bin
Des Rufers in der Wüste Stimme.

 

In Nächten voller Pein kam mir das Wort
Von ihm, der Balsam sät an Sumpfes Bord,
Im Skorpion der Heilung Öl gelegt,
Dem auch der wilde Dorn die Rose trägt,
Der tote Stamm entzündet sein Geglimme.

 

So senke deinen Augen und vernimm
Von seinem Herold deines Herren Grimm,
Und seine Gnade sei dir auch bekannt,
Der Wunde Heil, so wie der schwarze Brand,
Wenn seiner Adern Bluten hemmt der Schlimme.

 

Merk` auf! Ich weiß es, dass in härtster Brust
Doch schlummert das Gewissen unbewusst;
Merk` auf, wenn es erwacht, und seinen Schrei
Ersticke nicht, wie Mütter sondern Treu`
Des Bastards Wimmern und sein matt Gekrümme!

 

Ich weiß es auch, dass in der ganzen Welt
Dem Teufel die Altäre sind gestellt,
Dass mancher kniet demütig nicht gebeugt;
Und überm Sumpf (unschuldiglich) und leicht
Der weiße Lotos wie ein Kindlein schwimme.

 

Es tobt des tollen Strudels Ungetüm,
Und zitternd fliehen wir das Ungetüm;
Still liegt der Sumpf und lauert wie ein Dieb:
Wir pflücken Blumen, und es ist uns lieb,
Zu schaun des Irrlichts tanzendes Geflimme.

 

Drum nicht von dem Verruchten sei gewarnt;
Doch wenn dich süßer Unschuld Schein umgarnt;
Dann fächelt der Vampir, dann fahr zurück
Und senke tief, o tief in dich den Blick,
Ob leise quellend die Verwesung klimme!

 

Ja, wo dein Aug` sich schaudern wenden mag,
Da bist du sicher (mindsten diesen) Tag;
Doch gift`ger öfters ist ein Druck der Hand,
Die weiche Träne und der stille Brand,
Den Lorbeer treibend aus Vulkanes Grimme.

 

Ich bin ein Hauch nur; achtet nicht wie Tand
Mein schwaches Wehn; (um) des, der mich gesandt.
Erwacht, erwacht! Ihr steht in seinem Reich;
Denn sehet, er ist mitten unter euch,
Den ihr verkennt, und ich bin seine Stimme!

 

 

Heute wird es endgültig Zeit, sich über das Weihnachtsmenü Gedanken zu machen.

Mein Vorschlag

24.12. HeiligAbend: Kartoffelsalat mit Bockwurst

25. 12. 1. Weihnachtstag: Amsterdamer Käsefondue

 

26.12. 2. Weihnachtstag: Brunch

 

Adventskalender 22. Dezember 2007

Dezember 21, 2007

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Memoiren eines Weihnachtsbaums

Menschen sind schon komische Wesen. Das liebe lange Jahr über vergiften sie uns mit ihren Abgasen, beschweren sich trotzdem über das Waldsterben und hinterlassen allen möglichen Müll in der Schonung. Aber dann, wenn es Winter wird, entdecken sie die große Liebe zu uns Bäumen. Nicht zu allen, denn die Kollegen von der laubtragenden Fraktion sehen dann recht schmucklos aus, sondern speziell zu uns Tannen. Ob Blau-, ob Edel-, Hauptsache Tanne muss es sein.

Geht es auf das Jahresende zu, fallen sie massenweise bei uns ein, graben uns aus oder hacken uns ab – aus lauter Liebe, versteht sich. Raus aus dem winterlichen Wald, rein in die warme Stube. Nein, ihr Tännchen, schüttelt nicht so ungläubig mit dem Kopf, das tun die wirklich. Wie? Ja stimmt schon, die Menschen haben keine Nadeln und leben auch nicht im Wald; sie haben nicht einmal ein Fell, außer auf dem Kopf, so dass sie jämmerlich frieren, wenn es kalt wird. Aber sag selbst: Kann ein vernünftiges Wesen daran glauben, dass es uns etwas gutes tut, wenn es uns ausgräbt oder gar abhackt und an einen warmen Ort trägt? Siehst du: kann es nicht. Aber damit beginnt die Sache ja erst.

Kaum war ich ausgegraben – zum Glück haben sie mich nicht abgehackt – wurde ich in eine der großen Qualmkisten verfrachtet, die die Luft verpesten. Nach einer endlos scheinenden Fahrt wurde ich abgeladen und durch einen Trichter gesteckt, der all meine Arme nach oben verbog, und landete schließlich in einem ‚Netz‘, das sie so verbogen hielt. „Spart Platz beim Transport“, sagte ein Mensch zum Anderen. Dann wurde ich wieder verladen, rumgefahren und landete auf einem sogenannten ‚Markt‘.

Da standen noch andere Opfer der Liebe neben mir und viele Menschen wimmelten herum und einer war dabei, der schrie immer „Schöne, schöne Weihnachtsbäume“, aber ich war wenigstens meine Fesseln los. Doch nicht für lange. Jemand gab dem Schreihals einen bunt bedruckten Lappen und dafür wurde ich wieder durch den Trichter gestopft, gefesselt und von dem mit dem Lappen mitgenommen. So stand ich dann 3 Tage lang in einer Ecke.

Dann kam der mit dem Lappen wieder – und mit ihm kleinere Menschen, die um mich rumsprangen und „Oh, ein Weihnachtsbaum!“ riefen und den mit dem Lappen ‚Papa‘ nannten.

Papa kratzte sich am Kopf und überlegte, wie ich wohl ‚einzustielen‘ sei. Das dauerte eine Weile und schließlich kam jemand, den die Kleineren ‚Mama‘ nannten und meinte „Lass man dran den Ballen, Karl. Meiers tun ihm auch im Gatten flanzn.“ Der Ballen, das waren meine Wurzeln und so wäre ich um ein Haar doch noch abgehackt worden.

Dank Mama besann man sich darauf, mich in einen Topf zu setzen, ein wenig Erde drauf zu schütten und mich in die Stube zu tragen. Dort wurde ich endlich meine Fesseln los. „Prima!“ mögt ihr sagen, aber es war gar nicht prima. Wenn ihr 3 Tage lang gefesselt in der Ecke gestanden habt, dann werden euch die Arme steif. Steife Arme aber gefielen den Menschen nicht und so versuchten sie, meine Arme durch Drücken wieder beweglich zu machen. Ist sehr unangenehm, wenn eingeschlafene Arme runter gedrückt werden.

Kaum war das überstanden, ging es mit ‚der Richtung‘ los. Im Wald geht links die Sonne auf und rechts wieder unter und das ist so ein Tannenleben lang. In den Stuben der Menschen wird man gedreht und gewendet, bis man gar nicht mehr weiß, wo rechts und links ist. „Nein, da ist zu wenig Grün, halt, zu weit, zurück, ein wenig so rum, nein, doch wieder anders rum“ geht es da. Und zwischendurch immer wieder „Meier’s sieht aber schöner aus.“, „Meiers haben den anders stehen“ und „Meier’s ist viel größer.“. Schließlich stand ich wohl richtig, wenn auch nicht mehr wissend, wo links und rechts ist.

„Martta, hol domma die Kugelns raus!“ kommandierte der, der Papa hieß, und es begann der Akt des Schmückens. Das müsst ihr euch so vorstellen, dass alles mögliche Zeug an eure Arme geklemmt wird. Nein, Nein. Keine Vogelnester oder so etwas, sondern goldene, silberne, gläserne, tönerne und was weiß ich noch alles für runde Gegenstände. ‚Kugelns‘ halt. Dann kommt noch Essen für Menschen dazu. Äpfel, Schokolade, Marzipan, Nikoläuse und wer weiß was alles. Ach ja, die silbernen und goldenen Fäden, Lametta genannt, habe ich noch vergessen. Einmal haben sie mich so voll gehängt damit, dass ich kaum noch was sehen konnte. Das schlimmste von allem aber sind die Lichter. Da gibt es elektrische, die sind unangenehm, weil alle Lichter mit einem Kabel verbunden sind. „Ne, Kalla, da is doch allet auffem Haufen und hier hasse gar kein Licht.“ sagt dann Mama und Papa erwidert „Is nich, Martta, reicht dem Kabel nich für.“. Das lässt Mama natürlich nicht gelten und sagt: „Stell dich nich so an, wirs doch wohl noch nem läppischen Baum schmücken Können.“ Das endet dann regelmäßig so, dass die Arme mit den Lichtern durch das Kabel gefesselt werden.

Viel schlimmer als die elektrischen sind aber noch die richtigen Lichter. Das sind ‚Kerzen‘ genannte Dinger, die richtig brennen. Angst vor Feuer haben die Menschen auch, jedenfalls gucken Papa und Mama immer recht misstrauisch, wenn die richtigen Lichter brennen. Aber ich weiß nicht, warum die Menschen meinen, wir Tannen hätten keine Angst vor Feuer. Und wenn einem so eine Feuerkerze auf den Zweigen steckt, dann steht man nicht nur 1000 Žngste aus, das ist auch verdammt unangenehm, denn die Kerzen kleckern einem die Arme mit heißem Wachs voll. Solange es unsereins auf die Arme kleckert, scheint das niemanden zu stören, aber wehe, es kleckert auf den Boden. Dann fängt ein fürchterliches Geschrei an; von wegen „der gute Teppich“ und so. Aber ich bin schon viel zu weit.

Nachdem man dann mit dem ganzen Zeug voll gehängt worden ist und als „geschmückt“ gilt, steht man erst einmal ein paar Stunden lang in der Ecke rum und hat ein wenig Zeit, sich von all den Schrecken zu erholen. Wenn Papa und Mama beginnen, Pakete und Päckchen unter einem zu verstauen, und ihre Augen glasig zu schimmern beginnen, wird es gefährlich. Dann naht die Zeit der Bescherung. Die ‚richtigen‘ Kerzen werden angesteckt und meist auch noch so Dinger, die mit Feuer um sich werfen und ‚Wunderkerzen‘ genannt werden und man ist halbtot vor Schreck.

Dann stürmt die ganze Kinderschar – diesmal sind auch die ganz kleinen dabei – auf einen zu und will an die Pakete, die Mama und Papa unter einen gelegt haben. Doch sie halten den Kinderorkan noch fern, der einen umzufegen droht, und beharren darauf, dass erst ‚Gedichte‘ aufgesagt und ‚gesungen‘ wird.

Gedichte, das ist so was: Da stellt sich dann der kleinste Mensch hin und stammelt „Drauß‘ vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr. Allüberall auf den Tannenspitzen, sah ich goldene Lichtlein blitzen.“ Dabei war der gar nicht im Wald, sondern nebenan, bei Tante Hertha oder sonstwo, aber nicht im Wald. Und die einzigen ‚Lichtlein‘, die ich jemals auf meinen Spitzen sitzen sah, sind die Kerzen verschiedener Art. Nicht, dass Mama und Papa aber nun herkommen und sagen „Nein, schau mal, so ist das nicht. Im Winter ruhen sich die Tannen aus und sie leuchten nicht, sondern stehen still an ihrem Platz, denken über den letzten Sommer nach und was im nächsten wohl kommen wird“. Nein, Mama weint vor Freude und Rührung und auch Papa ist bewegt. Mamas „Hasse schön gesacht! Gezz wollnwa singen!“ leitet zum nächsten Akt über.

Gesang, das ist nicht, was ihr von den Vögeln kennt. Es ist eher so eine Art Geschrei. Wie das der Hirsche, wenn sie sich im Herbst um ihre Frauen balgen. Nur noch fürchterlicher. Sie brüllen auch nicht „Ey, du Ohr, das ist mein Reh!“ und „Verpiss dich, alter Angeber!“, sondern „Stille Nacht.“. Oder auch „Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter.“. Ich könnte vor Wut jedesmal aus den Nadeln fahren.

Kaum ist das holzerschütternde Geschrei verklungen, sagt Tante Hertha „Habbtan schön Bäumken dies Jahr“ und nach einem „Frohe Weihnacht“ beginnt das Herauskramen der Pakete. Sie holen alles wieder weg, was sie gerade unter einen gelegt haben und packen aus, was vorher eingepackt wurde. So Papa nicht vergessen hat, die Batterien für irgendwelches Kinderspielzeug zu besorgen, was dieses unbedingt zum Funktionieren braucht, sind alle erst einmal beschäftigt. Das Ende des Rituals erkennt man an dem Dialog mit Tante Hertha. Der ist jedes Jahr gleich.

„Hach, Härtta ! E’n Pullowa! Wär doch nicht nötich gewesen“ sagt Papa. Worauf die Tante erwidert: „Probier ma an, kannze umtauschen, wenna nich passt. Habbich nochen Bong von“. Und das geht dann mit Mama und Hertha und Hertha und „Kinnas“ – das sind Mama und Papa – auch noch mal so. Und alle haben noch „den Bong für zum umtauschen“.

In den nächsten 2 Tagen kommen dann Verwandte. Wieder mit Paketen, aber die werden einem nicht mehr untergeschoben, sondern direkt verteilt. Und wieder haben alle „den Bong für zum umtauschen“ noch.

Man steht dann noch so 2 Wochen in der Ecke rum, ohne das sich jemand groß um einen schert. Außer, der Schlachtruf „Lass uns nomma ’n Baum anstecken“ ertönt. Schließlich sind die Menschen es leid, dass ‚dieses Ding‘ noch länger ‚die Stube vollnadelt‘. Wenn man das Glück hatte, seine Wurzeln zu behalten, nehmen sie all das Zeug unter großem Hallo wieder herunter, was sie einem vorher aufgeladen haben und verfrachten einen in den Garten. Da darf man sich dann den Sommer über erholen. Bis zum nächsten mal, wenn die Menschen ihre ‚Liebe‘ zu uns Tannen entdecken.

(Quelle unbekannt)

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Julius Stinde

Unser aller Fest.

Von der Familientrumpfsieben und dem Wunschzettel – Von strömendem Wasserdampf und Schwindelgegenden – Ein glückliches Brautpaar und ein Wiedersehen – Von Engelsstimmen

Den zweiten Weihnachtstag hab ich sie Alle bei mir, dann gehen die respektiven Philippinen aus, den Verdruß über den Ausfall ihrer Geschenke zu vertanzen und die Herrschaften suchen Unterkommen in einem Restaurant. Meine Dorette aber hilft mir und geht ein andermal. Es giebt ja auch Trinkgeld und ihr Bräutigam denkt an Selbstständigkeit. Er ist sehr häuslich in unserer Küche und schlimm betreibt er es nicht mit dem Rauchen, zumal ich ihm des besseren Aromas wegen bisweilen eine Zigarre aus meines Mannes Vorrath widme, wofür er sich in allerlei Handreichungen nützlich erweist. Und Dorette erkennt es hoch an.

Auch Sanitätsraths kommen, da Emmi wieder kann und die Kinderfrau den Jüngsten sehr in Obacht nimmt, der, wie ich natürlich voraussah, ein Junge ist.

»Lieber Rath,« hielt ich dem Vater vor, »es hätte ein Mädchen sein müssen oder wieder Zwillinge, damit nicht das Restküken wie eine Familientrumpfsieben immer drunter durch ist, indem die großen Brüder ihm überall den Rang ablaufen. Das scheinen Sie nicht genügend berechnet zu haben und ist offen gesagt, geradezu unverantwortlich.«

»Ganz meiner Meinung,« entgegnete er, »aber Sie verschwenden Ihren Zorn an einen Unwürdigen, verehrte Schwiegermutter. Wenn einer ihn verdient, ist es doch wohl der Storch.« – »An die unschuldige Kreatur habe ich wirklich nicht gedacht,« rief ich. »Na, vielleicht macht er seinen Fehler wieder gut und bringt gelegentlich etwas Passendes dazu.« – »Das versteht sich. Allein schon, um Ihre Zufriedenheit zu erwerben,« sagte der Rath, verschmitzt lächelnd. – »Wie soll er denn heißen?« – »Otto.« – »Was das nun wieder ist? Gesetzt den Fall, bei Onkel Fritz käme ein kleiner Otto, und anders thut er es nicht, dann wären wieder zwei Gleiche da und mit ihnen ewiger Kuddelmuddel. Nennen Sie ihn Wilhelm. Etwas können Sie mir auch mal zur Liebe thun.« – »Es wird mein Bestreben sein, mir Ihr Wohlwollen zu erhalten,« versicherte er, »wenn meine Frau damit einverstanden ist.« – »ich Bitte mir den Namenwechsel als Weihnachten aus. Billigeres finden Sie in ganz Berlin nicht.«

Fritz und Franz weilten einige Wochen bei uns in der Landsbergerstraße, wie ich es für richtig hielt und der Rath schließlich nachgab. Das Brüderchen war ihnen zwar recht, aber sie hatten es sich doch wohl mehr zum Spielen vorgestellt und waren enttäuscht, daß es nicht mit jacherte, denn nur aus diesem Grunde kann ich die allgemeine Hausklage über ihre Unbändigkeit verstehen, die derart ausartete, daß der Rath ihnen androhte: »Ihr bekommt nicht ein Stück zum Weihnachten. Dafür bedankt Euch bei Großmama.« – Den Zusatz hätte er sparen können.

Wenn sie bei mir mal herumranzten – ich kenne Kinder, die hundertmal tobiger sind – gleich waren sie wie die Häschen und lauschten, wenn ich vom Weihnachten anfing und wie wir einen Wunschzettel aufsetzen wollten. Warum hatte ich sie denn sofort gehorsam?

Nun weinten sie, daß sie nicht an den Weihnachtsmann schreiben durften. – »Wir sind so unartig gewesen,« klagte mir Franz, »wir kriegen nix.« – »Kriegt Papa was?« fragte Fritz. – »Gewiß, er ißt seine Suppe…« – »Angebrannte nich‘,« sagte das kluge Kind. – »Er schreit nicht,« lobte ich weiter. – »Kriegt Baby was?« – »Baby kriegt was?« – »Baby kriegt was?« – »Baby schreit den ganzen Tag.« – »Hm.« – »Großma‘, bringt der Weihnachtsmann Papa, was Du aufschreibst?« – »Ich denke doch.« – »Ein Pferd ordentlich mit’n Schwanz für Papa?« forschte Fritz, »und ’n Trommel und n‘ ganzen Berg Nüsse?« – »Und noch ’n Pferd,« meldete sich nun Franz, »und noch ’n Trommel…« Ich hatte Fritz schon beim Wickel und küßte ihn. »Du bist mit Spreewasser getauft,« rief ich. »Sieh‘ Einer die Krete an?« – Franz nahm ich an die andere Seite und knutschte ihn auch ab. Ich hatte einen Kasten mit Kegeln für sie zum Weihnachten, aber ich konnte nicht anders, ich gab ihn jetzt schon her. Zu lieb, die Jungs.

Ob Max und Frieda uns die Ehre schenkten, das stand noch aus. Ich wollte, sie kämen. Man denkt leicht bitter über Leute, die man vernachlässigt. An solchem Feste wird, was ausrutschte, oft wieder ins Loth gebracht. Und Felix fehlt was, wenn Max ausbleibt.

Weigelts dürfen nicht absagen. Auguste bedarf aufheiternder Zerstreuung und da ihr Mann einsehen mußte, was sie an Butsch haben, wird es ihm wohl genehm sein, den neuen Schwiegervater auch vielleicht bei uns zu treffen, wenn das Geschäft ihn losläßt. Merkwürdig: die Bergfeldten paßt wie darin aufgewachsen und die Karre geht.

Augustens Elsa war ja krank, erst mit Hausmitteln und dann gleich die höchste Gefahr. Butsch eins, zwei, drei den Rath geholt, das Kind in die Droschke genommen und in die Klinik, wo sie die Luftröhre schnitten und es auch durchbrachten. Und sie, die Butschen alles gethan, was in ihren Kräften stand. So in der Noth krempelt sie sich völlig um.

Aber weil das Kind von den bösartigsten Bazillen gehabt hatte, kamen die Leute von der städtischen Desinfektionsanstalt und alles eingepackt, da der Rath früher schon verordnet hatte, das Kranke in die helle, beste Stube zu legen. Die Betten nahmen sie, die Plüschmöbel und die blauen Portieren und rubbelten die Tapeten ab und beizten den Fußboden mit Insektengift, daß alles schädliche Gethier entweder todt auf den Rücken fiel oder wimmernd floh. Auguste sagte: die Angst um das Kind und die Verwüstung dazu, das wäre kaum zum Ueberleben gewesen und wie die schönen Sachen, die sie mit so vieler Mühe angeschafft hatten, wieder gebracht wurden, da hätte sie nicht gewußt, ob sie überhaupt noch weinen könnte. Alles ruinirt, Alles dahin. Im strömenden Wasserdampf waren die Sessel gewesen und die Clavierdecke und der Teppich und jedes Stück. »Nicht wieder zu erkennen,« sagte sie, »ihre ganze Freude an dem bischen Hab und Gut verbrüht… Und mein Weigelt außer Rand und Band hin nach der Desinfektionsanstalt und Schadenersatz beansprucht. Hat ihm aber nichts genützt. Die Sanitätskommission beordert die Desinfection, die Stadt liefert nur die Mittel zur Ausführung und ist nicht verantwortlich für etwaige Ruinirung der Gegenstände. Die Hauptsache war, daß die Bazillen sich nicht mehr rührten und Herr Weigelt die Kosten bezahlen mußte. Aber hat er geschimpft. Ja, er wollte auswandern, nach Freiland oder sonst so ne Schwindelgegend, wo der Mensch wahrhaft frei wäre und kein strömender Wasserdampf ihn um die Frucht jahrelangen Fleißes brächte. Zum Glück kam gerade die Nachricht von der verkrachten Freilandexpedition, daß er sich besann und Berlin seine holde Gegenwart nicht entzog.

Ich fragte den Rath, ob es kein Mittel gäbe, die Bazillen zu morden ohne gleichzeitig die Möbel umzubringen und die Polstersachen. Er meinte, Schering’s Formalin desinfizierte und beschädigte, weil es gasartig verdunstet wird, nicht das Geringste, aber der Wasserdampf sei nun einmal offiziös. – Da seufzte ich.

Hat jedoch der Dampf Herrn Weigelts Hochmuth etwas gedämpft, wäre der Nutzen nicht gering anzuschlagen. Aber als er getröstet wurde, der Wissenschaft müsse man sich beugen, selbst wenn sie Hemmniß und Entwerthung brächte, stieß er solche Magistratsbeleidigungen aus, daß ihm in der Feudalzeit sicherlich lebenslängliches Verließ aufgebrummt worden wäre. Heute denkt man toleranter. Wer hoch steht, was thut es dem, wenn mal ein Quatschkopf belfert? –

Wo die Tage jetzt blieben, das weiß ich: unterwegs. Es war so vielerlei zu besorgen, die Steckenpferde und die Trommeln für Fritz und Franz, dann Niedliches für Wilhelmine, für Betti ihre, für Weigelt’s, für Frieda’s – ich wollte sie so gerne behalten – für die Großen und – für meinen zweiten Feiertag.

Erika hatte den Plan entworfen und ich und Dorettens Bräutigam, der Tapezierer und Dekorateur ist, wir führten ihn aus, indem das Berliner Zimmer durch gut halb mannshohe Zeltwände aus billigem Stoff und hölzernen Trägern in verschiedene Puppenstuben umgebaut wurde, aber derart, daß die Kinder selber darin spielen konnten und so zu sagen ihre eigenen Puppen waren, während wir Erwachsenen von oben hineinsehen konnten in das Getriebe der Kindheit.

Da war eine Wohnstube, eine gute Stube, eine Küche, ein Kaufladen, eine Wache, und in der Mitte die Straße, und am Ende vor der Anrichte stand der Tannenbaum.

Die Abtheilungen waren möblirt eingerichtet, jede in ihrer Art, die Küche mit einer Aufwasche, einem Heerd und so reizendem irdenen Geschirr, daß ich mich auf das Bänkchen setzte und am liebsten damit gespielt hätte. Sollte ich deshalb erröthen? Ist unser ganzes Leben nicht am Ende nur ein Spiel und Jemand, der weiß, wie große Kinder wir sind, sieht von oben zu und lacht uns nicht aus, weil er uns lieb hat mit all unseren Schwächen und Thorheiten. Und wir spielen bis das letzte Licht am Weihnachtsbaum herabgebrannt ist und es heißt: nun sagt gute Nacht, Kinder, es ist Zeit heimzugehen!

Ich hatte es so eingerichtet, daß die Kleinen am Nachmittage allein kamen und dann die Großen, um damit das Spiel der Kinder im Gange wäre, und wir sie sich selbst überlassen könnten. Aber die Eltern spielten mit, bis ich sie mit Gewalt an die Verpflegung trieb. Onkel Fritz half exerciren, Betti in der Küche, Felix in dem Kaufmannsladen, aber weil er immer Rosinen zugab, daß das Kästchen bald leer war, kündigten sie ihm und Weigelts Franz übernahm den Handel.

Als Parade gespielt wurde, mußten auch die kleinen Mädchen mit in Reih und Glied und wurde getrommelt und geblasen, daß es nur so dröhnte. Und dann wurde das Militär eingeladen und speiste in der guten Stube, wo Klein-Wilhelmine die Wirtin machte. Und dann spielten sie Braut und Bräutigam. Franz Weigelt war der Bräutigam und Klein-Wilhelmine die Braut.

Sie kamen zu uns in das Zimmer und wir mußten sie leben lassen. Gerade als Onkel Fritz rief: »Das Brautpaar hoch, dreimal hoch,« traten Dr. Zehner und Henni ein. Sie kamen aus Lingen, glücklich am Weihnachtsabend verlobt. Das war denn eine große Freude. Und Butsch und Frau erschienen; Herr Weigelt war durchaus nett gegen sie. –Max und Frieda hatten sich brieflich entschuldigt.

Während Dorette und ihr Tapezier zum Abendbrot deckten, gingen wir zu den Kindern, wo ich an Groß und Klein verschiedene Scherzgeschenke vertheilen wollte.

Der Tannenbaum brannte und nun kam eine Ueberraschung, die Erika mit den Kindern heimlich vorbereitet hatte. Unter dem Baum standen Fritz und Franz, in der Mitte klein Wilhelmine, die Knaben in rauhen Gewändern, die Erika verfertigt, mit Schäferstäben als Hirten, Wilhelmine in ihrem weißen Kleidchen mit zwei kleinen Flügeln und einem Schneeglöckchenkranz als Engel. Und dann sangen sie ein Weihnachtslied. Wir waren alle still; am stillsten Onkel Fritz.

Sie hatten es noch nicht ausgesungen, als Dorette mir zuflüsterte, es sei wer die Hintertreppe heraufgekommen; so elend; eine Frau. – »Mit einem Knaben?« fragte ich. – »Ja.« – Draußen war ich.

»Frau Naue, da sind Sie ja. Und Nante. So ist’s recht.« – Die Frau schluchzte. Wie war sie verhärmt, wie jammervoll. Da war was geschehen, das sah ich auf den ersten Blick. »Warum kamen Sie nicht schon längst?« warf ich ihr liebreich vor. »Dorette, gieb der Frau erst mal eine Tasse Fleischbrühe und ein Brödchen und dem Kleinen desgleichen.«

»Ick wußte nich wo un nich wer,« sagte sie, »aber als se mir in’t Jlinik brachten, da fragte ein Herr, wo Nante bei den Hut käme, det wäre ja seinen Fritz seiner; da hab ick ihn’t jesagt. Und jefragt, ob er die Frau kennen däthe? Und auf die Art bin ick hier.«

»Sie sind krank gewesen?« fragte ich.

»Ick bin’t noch, aber et jeht. Sieber hat mir’n Tritt jejeben, von wegen Naten sein feinet Zeig, dett ick bin lang hinjeschlagen. Det war zu ville.«

»Frau, Frau, welch ein Glück, daß Sie in der Klinik mit meinem Schwiegersohn zusammentrafen und Nante das rothe F vorm Kopf hatte und der Rath es auch sah. Und Sie wollten nichts mehr von mir wissen, wo ich doch den Jungen so lieb hab. Wie es ihm schmeckt. Kommen Sie, Frau Naue, Sie sollen Weihnacht mit uns feiern. Ich seh‘ mir was drinn, daß Sie sich gerade heute hergefunden haben. Es giebt keinen Zufall, es giebt eine Lenkung über uns. Kennen Sie die Geschichte von dem Kandidaten im Stelzenkrug? Nein? Ich erzähle Sie Ihnen gelegentlich, mein Karl wird leichte Arbeit für Sie haben. – Oder müssen Sie wieder zu Ihrem Mann?«

Sie schüttelte das Haupt, und alles je erduldete Leid vergrämte das schmale Gesicht.

»Unser Jlück ist dahin für de jute Sache. Se sagen ja: det Weib is frei. Ick bin frei von ihn’n.« – Das sprach sie mit merkbarer Aufathmung. Dann brach sie zusammen und weinte bitterlich.

Mein Karl suchte mich. Ich setzte ihm die Bewandtniß rasch auseinander. Die Frau blieb. Wir können nicht Allen helfen, aber doch jeder, wo er kann.

Frau Naue fühlte sich gestärkt, mein Karl hatte drinnen erzählt wie es war, der Herr Rath erinnerte sich des Zusammentreffens, als er und Butsch die kleine Elsa Weigelt zur Operation brachten und ich führte die Frau und den Knaben hinein.

Allerdings muß ich sagen, für regelrecht Veranlagte war das mit Zeltwand durchschorene Berliner Zimmer eine Klappssache, für Nante aber eine Entrückung in eine ungeahnte Welt. Er war scheu und stumm, er sah nur. Dann redeten die Kinder mit ihm und gaben ihm von den Sachen, die sie vorher empfangen.

Als er sich eingesehen und eingelebt hatte, betrachtete er immer noch die geflügelte kleine Wilhelmine mit verwunderten Augen und blödem Unverständniß. Das fühlte sie wohl, und während Dorette die Pastetchen hineintrug, die wir zur Fleischbrühe haben wollten, und darauf Rinderbraten – aber kein altes Rückenkissen, sondern saftig und beißbar – nahm das resolute kleine Ding Fritz und Franz bei der Hand und ging mit ihnen an die Singstelle, und sie sangen unter dem strahlenden Weihnachtsbaum.

Wir kannten das Lied schon von vorher, aber Nanten war es neu. Er lehnte sich an seine Mutter und umklammerte ihre Hand. Als sie seine hochrothen Wangen sah und die leuchtenden Augen, überflog auch ihr wachsbleiches Antlitz ein Schimmer von Glück, und mir schien, als wenn sie wie in Erinnerung mit einstimmte:

Alle Jahre wieder
Kommt das Christuskind
Auf die Erde nieder,
Wo wir Menschen sind.

© Projekt Gutenberg

 

 

Frohes Fest

Dezember 21, 2007
Allen Abonnenten und Lesern und solchen, die es noch werden könnten (also allen Menschen dieser Erde), wünsche ich ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest. Besondere Wünsche schicke ich an folgende Menschen (in alphabetische Reihenfolge):
Achim
Anita
Anne
Benjamin
Birger
Birgit
Blanka
Christian
Christiane
Christine
Dagmar
Elke
Elisabeth
Erich
Hans-Peter
Helga
Herbert
Hermann
Hinrich
Insa
Jenny
Jörg
Jürgen
Klaus
Klaus Peter
Lenny
Lothar
Marion
Marvin
Matthias
Martina
Michael
Monika
Nadine
Norbert
Peter
Ramona
Ruedi
Sabine
Sarah
Sigrid
Stephanie
Tabea
Thea
Torsten
Udo
Ursula
Walter
Wim
Wolfgang
[Alle Namen sind nur einmalig aufgeführt, auch wenn mehrere Personen damit gemeint sein können. Alle, die ich trotz großer Sorgfalt vergessen haben sollte, bitte ich vorsorglich um Vergebung.]
Feld und Wiesen sind verschneit
Weihnachtsstimmung macht sich breit
Nüsse knacken, Plätzchen backen,
Möbel rücken, Baum noch schmücken,
über all‘ dem Stollen essen,
hätt‘ ich dich bald ganz vergessen,
war ein Scherz – denk doch an dich
schick dir Grüße herziglich.

weihnachtswichtl.jpg

Uwe Laufer bei pixelio.de

Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Fröhliche Weihnacht überall!

Fröhliche Weihnacht überall
tönet durch die Lüfte froher Schall
Weihnachtston, Weihnachtsbaum
Weihnachtsduft in jedem Raum

Fröhliche Weihnacht überall
tönet durch die Lüfte froher Schall
Darum alle stimmet ein in den Jubelton
denn es kommt das Heil der Welt von des Vaters Thron

„Fröhliche Weihnacht überall“…
Licht auf dunklem Wege,
unser Licht bist du;
denn du führst, die dir vertrau’n,
ein zu sel’ger Ruh‘.

„Fröhliche Weihnacht überall“…
Was wir ander’n taten,
sei getan für dich,
daß bekennen jeder muß,
Christkind kam für mich.

Darüber wie das Weihnachtsfest zu gestalten ist, gibt es sehr unterschiedliche Auffasungen. Loriot hat seine Mitmenschen gut beobachtet.

Familie Hoppenstedt ist modernen Strömungen und technischen Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen. So interessiert sich Frau Hoppenstedt leidenschaftlich für den neuen Einhand-Saugblaser „Heinzelmann“, Opa Hoppenstedt für das Kinderspiel „Wir bauen uns ein Atomkraftwerk“, das er seinem Enkelkind schenkt, während Vater Hoppenstedt dafür sorgt, dass der Weihnachtsbaum naturgrün und umweltfreundlich bleibt. Der Heilige Abend vereint die Familie in Glück und Harmonie, und Vater Hoppenstedt lässt sich nicht nehmen, das kleine Atomkraftwerk eigenhändig zusammenzubauen, bis es das tut, was es eigentlich nicht soll, aber gelegentlich eben doch macht: Es explodiert.

Über dem ganzen Spaß und der Schadebfreude wollen wir nicht ganz vergessen, warum überhaupt Weihnachten gefeiert wird.

DAS EVANGELIUM NACH LUKAS / 2. Kapitel

Jesu Geburt

El Greco: Hl. Familie

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1Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. 2Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6Und als sie dort waren, kam die Zeit, daß sie gebären sollte. 7Und asie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

a: Mt 1,25

8Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13Und alsbald war da bei dem Engel adie Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14bEhre sei Gott in der Höhe und cFriede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

a: Ps 103,20-21 b: Kap 19,38 c: 4. Mose 6,26; Eph 2,14; 2,17

15Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Laßt uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. 21Und als acht Tage um waren und aman das Kind beschneiden mußte, bgab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.

Frohe Weihnacht in allerhand Sprachen


Afrikanisch: Een Plesierige Kerfees!
Arabisch: Idah Saidan Wa Sanah Jadidah!
Argentinisch: Felices Pasquas Y Felices ano Nuevo!
Armenisch: Shenoraavor Nor Dari yev Pari Gaghand!
Azerisch: Tezze Iliniz Yahsi Olsun!
Baskisch: Zorionak eta Urte Berri On!
Bohemian: Vesele Vanoce!
Brasilianisch: Boas Festas e Feliz Ano Novo!
Bretonisch: Nedeleg laouen na bloavezh mat!
Bulgarisch: Tchestita Koleda; Tchestito Rojdestvo Hristovo!
Catalanisch: Bon Nadal i un Bon Any Nou!
Chilenisch: Feliz Navidad!
Chinesisch: (Mandarin) Kung His Hsin Nien bing Chu Shen Tan!
Catonesisch: Gun Tso Sun Tan’Gung Haw Sun!
Cornisch: Nadelik looan na looan blethen noweth!
Cree: Mitho Makosi Kesikansi!
Dänisch: Glædelig Jul!
Deutsch: Froehliche Weihnachten!
Dutch: Zalig kerstfeest oder Zalig Kerstfeast!
Englisch: Merry Christmas, Happy Christmas!
Esperanto: Gajan Kristnaskon!
Estonisch: Ruumsaid juulup|hi!
Farsisch: Cristmas-e-shoma mobarak bashad!
Finnisch: Hyvaa joulua!
Flemisch: Zalig Kerstfeest en Gelukkig nieuw jaar!
Französisch: Joyeux Noel!
Gaelisch: Nollaig chridheil agus Bliadhna mhath ùr!
Griechisch: Kala Christouyenna!
Hebräisch: Mo’adim Lesimkha. Chena tova!
Hindisch: Shub Naya Baras!
Hausarisch: Barka da Kirsimatikuma Barka da Sabuwar Shekara!
Hawaianesisch: Mele Kalikimaka ame Hauoli Makahiki Hou!
Irländisch: Gledileg Jol!
Indonesisch: Selamat Hari Natal!
Inuit (inupik): Jutdlime pivdluarit ukiortame pivdluaritlo!
Irakisch: Idah Saidan Wa Sanah Jadidah!
Irisch: Nollaig Shona Dhuit, or Nodlaig mhaith chugnat!
Italenisch: Buone Feste Natalizie!
Japanisch: Shinnen omedeto. Merii Kurisumasu!
Koreanisch: Sung Tan Chuk Ha!
Lateinisch: Natale hilare et Annum Faustum!
Latvianisch: Prieci’gus Ziemsve’tkus un Laimi’gu Jauno Gadu!
Litauisch: Linksmu Kaledu!
Macedonisch: Sreken Bozhik!
Maltesisch: LL Milied Lt-tajjeb!
Manx: Nollick ghennal as blein vie noa!
Maorisch: Meri Kirihimete!
Marathisch: Shub Naya Varsh!
Navajo: Merry Keshmish!
Norwegisch: God Jul, or Gledelig Jul!
Pennsylvania Deutsch: En frehlicher Grischtdaag un en hallich Nei Yaahr!
Polnisch: Wesolych Swiat Bozego Narodzenia or Boze Narodzenie!
Portugisisch: Boas Festas!
Rumänisch: Sarbatori vesele!
Russisch: Pozdrevlyayu s prazdnikom Rozhdestva is Novim Godom!
Samoanisch: La Maunia Le Kilisimasi Ma Le Tausaga Fou!
Serbisch: Hristos se rodi!
Slovakisch: Sretan Bozic or Vesele vianoce!
Samisch: Buorrit Juovllat!
Samoanisch: La Maunia Le Kilisimasi Ma Le Tausaga Fou!
Scots Gaelisch: Nollaig chridheil huibh!
Serbo-Kroatisch: Sretam Bozic. Vesela Nova Godina, Hristos se rodi!
Singhalesisch: Subha nath thalak Vewa. Subha Aluth Awrudhak Vewa!
Slovakisch: Vesele Vianoce. A stastlivy Novy Rok!
Slovenisch: Vesele Bozicne. Screcno Novo Leto!
Spanisch: Feliz Navidad!
Swedisch: God Jul and (Och) Ett Gott Nytt År!
Tagalogisch: Maligayamg Pasko. Masaganang Bagong Taon!
Tamisch: Nathar Puthu Varuda Valthukkal!
Trukeesisch: (Micronesian) Neekiriisimas annim oo iyer seefe feyiyeech!
Thaiisch: Sawadee Pee Mai!
Tschechisch: Prejeme Vam Vesele Vanoce a stastny Novy Rok!
Türkisch: Noeliniz Ve Yeni Yiliniz Kutlu Olsun!
Ukrainisch: Srozhdestvom Kristovym!
Ungarisch: Kellemes Karacsonyi unnepeket!
Vietnamesisch: Chung Mung Giang Sinh!
Welisch: Nadolig Llawen!

Ian Anderson – Weihnachten

Ian Anderson live in 2006 with orchestral. Enjoy!
Video Source: laufi.de

 

Adventskalender 21. Dezember 2007

Dezember 20, 2007

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Georg Trakl

 

Im Winter

 

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

 

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Seine Wunde voller Gnaden
Pflegt der Liebe sanfte Kraft.

 

O! des Menschen bloße Pein.
Der mit Engeln stumm gerungen,
Langt von heiligem Schmerz bezwungen
Still nach Gottes Brot und Wein.

 

1. Fassung

 

Ein Winterabend

 

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

 

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

 

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.

 

2. Fassung

 

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Francis Bacon (Maler)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Francis Bacon (* 28. Oktober 1909 in Dublin; † 28. April 1992 in Madrid) war ein englischer Maler.

Bacon gehört zu den bedeutendsten gegenständlichen Malern des 20. Jahrhunderts. In seinem Werk setzt er sich vornehmlich mit der Darstellung des menschlichen Körpers auseinander. Die Entstellungen, die Deformationen und die teils amputierten Glieder sind Ausdruck alltäglicher Gewalt. Reduziert auf ihre bloße Kreatürlichkeit stehen Bacons Figuren für eine Existenz ohne Sinn und Erlösung.

Inhaltsverzeichnis


//

Leben

Francis Bacons Leben steht unter dem Einfluss von Alkohol und Glücksspiel. Sein Biograph, Daniel Farson, berichtet von einer Vita zwischen Halb- und Unterwelt: Von der Verführungen des 15-jährigen Bacon durch Stallburschen in Dublin, von einem geheimen Spielclub in seiner Wohnung, von zwielichtigen Etablissements in Berlin und Paris bis hin zu Bacons Kriegserlebnissen, wo er nach Bombenangriffen Tote wegkarrte. Dem Abgründigen gegenüber steht der großmütige Gentleman Bacon; der belesene Intellektuelle, der die antiken Tragödien, Nietzsche, Sigmund Freud und Marcel Proust las, von James Joyce und T.S. Eliot schwärmte und eine ungewöhnliche Arbeits- und Selbstdisziplin aufbrachte.

1909–1924

Francis Bacon wird am 28. Oktober 1909 als Sohn englischer Eltern in Dublin geboren. Er ist das zweite von fünf Kindern. Seine Brüder sterben früh, seine Schwestern wandern später aus. Francis’ Vater, Edward Anthony Mortimer Bacon, leitet seine Herkunft von dem elisabethanischen Staatsmann und Philosophen Sir Francis Bacon ab. Ehemals in militärischen Diensten, arbeitet das als autoritär und gewalttätig geltende Familienoberhaupt als Zureiter und Trainer von Rennpferden. Bacons Mutter, Christina Winifred Firth hingegen wird als aufgeschlossen, gesellig und gebildet bezeichnet.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird der Vater ins Kriegsministerium nach Lodon berufen. Die folgenden 10 Jahre sind von häufigen Wohnortswechsel geprägt. In Bacons Jugend wohnt die Familie abwechselnd in Dublin und in London. Aufgrund der Kriegswirren und der zahlreichem Umzüge wächst Bacon ohne regelmässige Schulbildung und telweise sich selbst überlassen auf. Aus einem Internat flüchtet er nach wenigen Wochen. Früh macht Francis Bacon die Erfahrung von Gewalt. Während des Osteraufstands der Sinn Féin-Bewegung im Jahre 1916 lebt er wieder in Irland. Später erinnert er sich, „in einem mit Sandsäcken verbarrikadierten Haus“ gewohnt zu haben.

1925–1941

Mit 16 Jahren wird sich Bacon seiner Homosexualität bewusst. Sein Vater überrascht ihn dabei, wie er Dessous seiner Mutter anprobiert und wirft ihn aus dem Haus. Francis Bacon geht nach London, wo er Gelegenheitsarbeiten annimmt und unter anderem bei einem Notar arbeitet. 1927 schickt ihn sein Vater nach Berlin. Dort soll er unter der Obhut eines Onkels leben, der jedoch selbst in fragwürdigen Kreisen verkehrt und dessen Erziehungsversuche scheitern. Bacon stürzt sich ins Berliner Leben, übersiedelt im Sommer aber nach Paris, wo er zu zeichnen und aquarellieren beginnt. Den Wunsch, eine Kunstschule zu besuchen, äußert er nicht. Gelegentlich arbeitet er als Innendekorateur und Designer. Im Juli begegnet er in der Galerie Paul Rosenberg Werken Picassos, die ihn sehr beeindrucken. Er besucht Ausstellungen mit Werken von Fernand Léger, Joan Miró, Max Ernst und Giorgio de Chirico.

Ein Jahr später bezieht er eine zum Atelier umgewandelte Garage in Queensberry Mews West, South Kensington. Dort veranstaltet er Ausstellungen mit Wand- und Bodenteppichen sowie mit modernen Möbeln aus Stahl und Glas nach eigenen Entwürfen. Francis Bacon beginnt, als Autodidakt Ölbilder zu malen. Der vom Kubismus beeinflusste australische Künstler Roy de Maistre unterweist ihn zwar im Umgang mit der Ölfarbe, bleibt jedoch der einzige Lehrer, den Bacon je haben wird. Weil seine Ausstellungen ohne Resonanz bleiben, gibt Bacon seine Tätigkeit als Möbeldesigner wieder auf. 1931 zieht er in ein Atelier in der Fulham Road und nimmt kunstferne Gelegenheitsarbeiten an, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Auf der Ausstellung „Art Now“ der Londoner Mayor Gallery wird Bacons Werk Kreuzigung (1933) ausgestellt und in einem Buch reproduziert. Der Sammler Michael Sadler erwirbt erste Bilder Bacons. Da er keinen Galeristen findet, der sein Werk betreut, organisiert Francis Bacon 1934 seine erste Einzelausstellung mit Ölbildern und Gouachen im Untergeschoss des Hauses eines Freundes. Die Ausstellung wird ein Misserfolg und findet weder bei Presse noch Publikum ein Echo. Entmutigt malt er weniger und ergibt sich der Spielleidenschaft, reist durch Europa und arbeitet eine zeitlang als Croupier. 1936 werden seine Bilder zu einer internationalen Surrealisten-Ausstellung für zu wenig surrealistisch befunden und ausgeschlossen. Im Folgejahr nimmt Bacon aber an einer Gruppenausstellung junger britischer Künstler teil. Aufgrund seines Asthmaleidens wird er 1941 vom Kriegsdienst befreit und zum Zivilschutz einberufen, von dem er nach kurzer Zeit jedoch krankheitsbedingt ebenfalls freigestellt wird. Eine zeitlang lebt Bacon nun auf dem Land in Petersfield in Hampshire.

1942–1963

Ende 1942 kehrt Francis Bacon nach London zurück und bezieht sein altes Atelier in Kensington. Zwischen 1942 und 1943 zerstört er seine künstlerische Produktion der vergangenen Jahre fast vollständig. Aus dem Zeitraum 1929–1944 bleiben nur 15 Bilder erhalten. Ab 1944 intensiviert Bacon seine Malerei. Das Triptychon Drei Studien zu Figuren am Fuße einer Kreuzigung (1944) entsteht und löst bei einer Ausstellung im Folgejahr heftige Diskussionen aus. Es folgen diverse Gruppenausstellungen, in denen seine Bilder das Publikum polarisieren. 1946 lässt sich Bacon in Monte Carlo nieder, wo er sich seiner Spielleidenschaft widmet. Bis 1950 pendelt er zwischen Monte Carlo und London hin und her, bevor er auf Dauer in die britische Hauptstadt zurückkehrt. Jetzt unterrichtet er für einige Monate am Londoner Royal College of Art. In dieser Zeit beginnt Bacon seine Papstserien nach einem Motiv des Papstes Innozenz X. von Velazquez. Er schließt Freundschaften zu Lucian Freud, den er 1951 erstmalig portraitiert und David Sylvester, mit dem er zwischen 1962 und 1986 zahlreiche Interviews führen wird. Francis Bacon reist nach Südafrika, um seine Mutter zu besuchen, die seit dem Tode des Vaters (1940) dort lebt. Auch in Kairo macht er Station. 1952 lernt er Peter Lacy kennen, einen Barpianisten, der Bacons Geliebter wird. Bacon besucht ihn in Tanger.

In den nächsten Jahren folgen mehrfache Wohnungs- und Atelierwechsel. Bacon hat nun verschiedene Einzelausstellungen in London und New York und gestaltet 1954 gemeinsam mit Lucian Freud und Ben Nicholson den Britischen Pavillon auf der XXVII. Biennale in Venedig. Ebenso entstehen Landschaftsbilder, in denen Bacons Bewunderung gegenüber van Gogh zum Ausdruck kommt. In den nächsten Jahren finden zahlreiche Einzelausstellungen in Italien, England, Frankreich und den USA statt. Das Institute of Contemporary Arts in London organisiert 1955 seine erste Retrospektive. Weitere Retrospektiven durch die Tate Gallery in London (1962), das Guggenheim-Museum in New York (1963) und das Art Institute in Chicago (1963) zeugen ebenso von Bacons wachsender internationalen Bedeutung, wie seine Beteiligung an der Documenta (documenta II 1959) in Kassel. Am Abend der Londoner Retrospektive 1962 stirbt Bacons Freund Peter Lacy infolge schwerer Krankheit durch exzessiven Alkohol und Drogenmissbrauch.

1964–1992

Francis Bacon lernt George Dyer kennen, einen gleichermaßen depressiven wie gewaltbereiten Gauner aus einfachen Verhältnissen, mit dem er eine Beziehung eingeht. Bacons Ruhm nimmt in der Folgezeit zu, er erhält mehrere Preise, 1967 den Rubenspreis der Stadt Siegen. Im Jahr 1964 ist Francis Bacon erneut Teilnehmer der documenta III in Kassel. 1971 steht er an der Spitze einer Rangliste der zehn bedeutendsten lebenden Künstler.

Am Vorabend der großen Retrospektive im Pariser Grand Palais wird George Dyer tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden, zusammengekauert auf dem Toilettensitz. Den durch Tabletten und Alkohol wahrscheinlich herbeigeführten Suizid wird Bacon in verschiedenen Bildern verarbeiten (Triptychon August 1972; Triptychon Mai-Juni 1973). 1975 trifft Bacon Andy Warhol in New York, 1978 Balthus in Rom. Während dessen erfolgen weitere Retrospektiven in der Kunsthalle Düsseldorf (1972), im Metropolitan Museum of Art in New York (1975), in der Tate Gallery in London (1985), in der Staatsgalerie Stuttgart (1985) sowie in der Nationalgalerie in Berlin (1986); dazwischen größere Ausstellungen in Spanien, Japan und Amerika und Beteiligungen an der documenta 6 (1977) und der DOCUMENTA IX (1992) in Kassel. Als einer der wenigen westlichen Künstler erhält Bacon eine Ausstellung in der Tretjakow-Galerie in Moskau. Im Alter muss er sich einer Nierenoperation unterziehen; ihm wird eine Niere entfernt, was ihn von weiterem Alkoholkonsum nicht abhält. 1991 reist der Maler zum Besuch der Velazquez-Ausstellung im Prado nach Madrid. Dort stirbt Francis Bacon nach einem Herzinfarkt am 28. April 1992. Sein Leichnam wird verbrannt, die Asche in England verstreut. Die Wirkungskraft seiner Malerei strahlt bis zum heutigen Tage auf zeitgenössische Künstler wie Norbert Tadeusz. Auch einige Maler der Neuen Leipziger Schule wie Neo Rauch oder Aris Kalaizis, heben in ihren Interviews die Bedeutung Francis Bacon’s hervor.

Werk

„Es gab so viel Krieg in meinem Leben“, bekennt Francis Bacon in seinem letzten veröffentlichten Interview drei Monate vor seinem Tod. Der Maler spannt damit eine Hintergrundfolie, vor der man sein Werk deuten kann, rückt Lebenslage und Schaffen in einen spezifischen Zusammenhang. Tatsächlich spielt der Gewaltaspekt eine zentrale Rolle in Bacons Bildern. Immer wieder beschäftigt er sich mit den Themen Gewalt, Zerstörung und Verfall, in deren Zentren die menschliche Figur steht. Torsohafte, verkrüppelte Körper, bluttriefende Fleischmassen und verstümmelte Kadaver sind erklärte Ausdrucksträger exzessiver Gewalttätigkeit. Seine Entwürfe sind Spiegel der Schicksalhaftigkeit menschlicher Existenz, die für ihn ein Dasein zum Tode ist.

Figur und Hintergrund

Bacons Leinwände sind gerahmt, fast immer in den Maßen 198 cm x 147,5 cm (größere Maße ließ sein Atelier nicht zu), nicht gefirnisst, sondern hinter Glas ausgestellt. Seine Bilder, meist mit Öl gemalt, sind zunächst durch einfache symmetrische Beziehungen und übersichtliche Farbzonen strukturiert. Dies gilt sowohl für Einzelbilder als auch für Bildergruppen, seine Triptychen. Simple geometrische Formen bilden den Hintergrund. Ein oftmals kreisrunder Untergrund oder eine elliptische Horizontlinie, rechteckige Wandflächen, gerüstartige Linien im Raum bei geordneter, pastelliger Farbpalette sind das Dekor für Bacons Figuren (Studie zu einem Portrait von Lucian Freud, 1973; Studie zu einem Selbstportrait, 1985). Die Figuren selbst sind mit reicherer Palette aufgetragen, mit groben Pinselstrichen verschmiert, die Farben mit Bürsten oder Lappen auf die Leinwand gestrichen. So verhalten sich die farbigen Inkarnate kontrapunktisch zu den entleerten, fast sterilen Hintergründen und geraten auf diese Weise in Isolation. Sie sind unscharf, verwackelt und teilweise bis zur Unkenntlichkeit deformiert. Mehrere Farbschichten überlagern einander, entstellen die Züge der Figur, verwackeln ihre Konturen. Die Beziehung zwischen Figur und Hintergrund wird brüchig. Erscheint die Kulisse statisch und neutral, werden die Figuren oftmals dynamisch und energiegeladen dargestellt. Auf eine fast klinische Folie legt sich der Gegensatz einer zerdehnten Körpermasse.

Francis Bacon entlehnt seine figuralen Stellungen teilweise der Fotografie, aber auch der Skulptur. So leiht er Motive von Edward Muybridges Bewegungsstudien aus (Zwei Figuren, 1953; Zwei Figuren im Gras, 1954; Studien des menschlichen Körpers, 1970), nutzt historische Pressefotos sowie Reproduktionen schematischer Darstellungen aus einem Handbuch für röntgenologische Lagerungstechniken und übernimmt Elemente diverser Skulpturen Michelangelos neben Merkmalen antiker Marmorstatuen. Er greift auch die Effekte der Fotografie auf, Bildüberblendungen, Unschärfen, Verwacklungen und Negativumkehrungen.

Perspektive und Raum

Kreise, Pfeile und käfigartige Linienkonstruktionen (Figur in Bewegung, 1976) umlagern häufig das Bildzentrum und deuten auf das separierte Moment der Figur, auf ihre bloße Kreatürlichkeit. Durch das Liniengerüst entsteht ein Raum im Raum, die Unterbrechung eines Kontinuums, die sich in der Präsentation des Exponats wiederholt: umfangreiche Rahmung und die schützende Glasscheibe versiegeln die Bildoberfläche, schalten zwischen Betrachter und Bild einen Wahrnehmungsfilter.

Der Raum in Bacons Werken ist polyperspektivisch definiert. Parallellinien, die sich glaskastenförmig um die Figur legen, unterteilen das Bild in perspektivische Felder. Ein eindeutiger Blickwinkel, ein exakter Fluchtpunkt wird aufgegeben. Es entstehen multiple Raumdefinitionen, die nebeneinander stehen und gegeneinander wirken. Raum ist keine Eigenschaft der Geometrie mehr, sondern eine Eigenschaft der Figur. Bacons Raum ist ein verschränktes Raumsystem, das miteinander in Konflikt steht und durch die Präsenz der Figur zusammengehalten wird. So wird es möglich, dass die dargestellte Raumstruktur unterschiedliche Interieurs suggeriert: innen und außen, Kammern und Säle, private Zimmer und öffentliche Bühnen, Weitläufigkeit, Enge und Begrenztheit. Bacons Räume bieten ganze Spektren: Offenheit und Abgrenzung, Aseptik und blutige Befleckung.

Bewegung und Narration

Die Bilder Francis Bacons erzählen keine Geschichten. Sie sind vielmehr durch das Fehlen sinnvoller Verbindungsstücke charakterisiert. Zwar stehen seine Bildensembles in einer Beziehung zueinander, seine Triptychen in einem formalen Ordnungszusammenhang. Jedoch gibt es keine verbindliche narrative Logik zwischen den einzelnen Bildtafeln. Das Dargestellte soll sich nicht zu einer Erzählung verbinden lassen, soll kein dramaturgisches Geschehen abbilden. Einen Sinn gibt es nicht, weil die erzählerischen Elemente fehlen.

Die Kontinuität der Handlungsabfolge scheint unterbrochen. Bacon repetiert diesen Aspekt seiner Kunst in der Figurendarstellung selbst. Die Figur bewegt sich, bleibt aber auf der Stelle. Ihre Bewegung ruht in sich selbst, erzeugt eine plastische Metamorphose, zieht eine Bewegungsspur. „Ich möchte, dass meine Bilder so aussehen, als sei ein menschliches Wesen durch sie hindurchgegangen, wie eine Schnecke, eine Spur von menschlicher Anwesenheit und die Erinnerung an vergangene Ereignisse zurücklassend, so wie die Schnecke ihren Schleim zurücklässt“, lautet eine Formulierung des Malers.

Kein anderes Motiv hat Bacons Arbeiten stärker inspiriert als die Bewegungsstudien von Edward Muybridge. Dessen Fotoreihen dokumentieren sequentielle Abläufe menschlicher und tierischer Körper. Ihre Bewegung vollzieht sich in einem zeitlichen Nacheinander und einem räumlichen Hintereinander. Ganz ähnlich hatten Marcel Duchamp (Akt, eine Treppe hinabsteigend, 1912) und Umberto Boccioni ihre futuristischen Bilder gestaltet, als raumzeitliche Abfolgen, als ein Nebeneinander zusammenhängender Körperstellungen. Bacon hingegen verzichtet auf die Darstellung der Bewegung im Raum. Bei ihm sind die Bewegungsphasen übereinander geblendet, so als schnitt man die Figuren Muybridges aus und projizierte sie übereinander. Die Schnitte im Bewegungsablauf erfährt der Betrachter als Schnitte des Körpers. So entsteht eine Identität von Bewegung und Verletzung. Das, was der Betrachter als körperliche Verformung wahrnimmt, sind fehlende Verbindungsglieder der Bewegungssequenz.

Religion ohne Transzendenz

Das Gemälde 1946 zeigt eine abgründige, dunkle Figur, eingepasst zwischen Stahlrohren und einem aufgespannten Regenschirm. Ein aufgehängter, geschlachteter Ochse, der an Rembrandts Ochsen erinnert (Der geschlachtete Ochse, 1655), kündet von der Kreuzigungsszene. Religiöse Motive finden sich häufig in Bacons Werk. So gestaltet er zwischen 1951 und 1965 zahlreiche Variationen zu Papst Innozenz X. nach Diego Velázquez. Insgesamt variiert er das Thema 45 Mal. Dem Sakralen ordnet Bacon das Irdische zu, der Papst ist ein schreiender Papst, Ausdruck alltäglichen Leidens an der Welt.

Francis Bacon entlehnt diese elementare menschliche Äußerung, den aufgerissenen Mund, aus ihm vertrauten Abbildern. Der Maler ist vom Gesichtsausdruck der Mutter in Nicolas Poussins Gemälde Der Bethlehemitische Kindermord (1628) beeindruckt; gleichermaßen vom Zerrbild der Kindermädchenmimik auf der Potemkinischen Treppe von Odessa in Sergej Eisensteins Filmklassiker Panzerkreuzer Potemkin. Übertragen auf die Papstbilder, durchbricht der Schrei die liturgische Ordnung und unterminiert das kirchliche Weltbild. Der Schrei als Metapher des Schmerzes zeugt von Verlangen nach Erlösung und der Verzweiflung ihres Ausbleibens.

In den 1960er Jahren wählt Bacon vermehrt das Triptychon als Darstellungsform. Bacon selbst behauptet, das Breitwandkino mit seinem Cinemascope-Format habe ihn zu dieser Idee verführt. Tatsächlich jedoch ist die Dreiteiligkeit der Bildtafeln von tieferer Bedeutung. So erinnert sie in ihrer Symmetrie an das Format des Altarbildes mit seinen aufklappbaren Seitenflügeln. Assoziationen an die Dreifaltigkeit werden ebenso geweckt wie an die drei Kreuze der Kreuzigungsdarstellungen Christus’. Das Triptychon bietet Bacon die Möglichkeit, seinen Bildern eine religiöse Thematik einzuschreiben, ohne diese darlegen zu müssen.

Mit den Werken Drei Studien zu Figuren am Fuße einer Kreuzigung (1944), Drei Studien für eine Kreuzigung (1962) oder Kreuzigung (1965) thematisiert er den Passionsgedanken jedoch unmittelbarer. Die Allegorie des Todes findet in der Marter des Körpers ihren Ausgang. Das Schlachthaus ist für Bacon das moderne Passionsgelände, das geschlachtete Fleisch Sinnbild existentieller Erfahrung. In einem Interview mit David Sylvester äußert sich Bacon wörtlich: „Wenn man in eines dieser großen Lagerhäuser geht, und diese riesigen Hallen des Todes durchschreitet, kann man das Fleisch und die Fische und die Vögel und vieles andere sehen, das da tot daliegt. Und selbstverständlich wird man als Maler ständig daran erinnert, dass die Farbe von Fleisch tatsächlich sehr, sehr schön ist. […] Nun, wir sind ja schließlich selbst Fleisch, potentielle Kadaver.“ Der Tierkadaver ist für Bacon das Bild eigener Sterblichkeit, über ihn findet er den direkten Weg zur Kreuzigung. „Ich war schon immer sehr berührt von Bildern, die mit Schlachthäusern und Fleisch zu tun haben. Für mich gehören sie sehr stark zu dem ganzen Thema der Kreuzigung“, sagt der Maler 1962. Bacon selbst hat die Kreuzigung als eine Art Gerüst beschrieben, „an dem man alle denkbaren Gefühle und Eindrücke aufhängen kann“.

Francis Bacons Gemälde rezitieren den körperlichen Schmerz, führen Mensch und Vieh auf die Elementarebene des Seins zurück und machen sie zur Kreatur, zum anonymen Geschöpf. Der offene Körper, das blutende Opfer und die Gewalt des Fleisches werfen alle mystischen Implikationen ab und stehen für ein Leiden ohne Sinn.

Literatur

  • Daniel Farson: The Gilded Gutter Life of Francis Bacon. London 1993, ISBN 0-679-42632-9
  • Gilles Deleuze: Logik der Sensation. Fink, München 1995, ISBN 3-7705-2952-9
  • Wieland Schmied: Francis Bacon. Das Bewusstsein der Gewalt. München, New York, 1996, ISBN 3-7913-1637-0
  • David Sylvester: Gespräche mit Francis Bacon. Prestel, München, New York 1997, ISBN 3-7913-1795-4
  • Michael Peppiat: Francis Bacon. Anatomie eines Rätsels. DuMont, Köln 2000, ISBN 3-7701-4635-2
  • Luigi Ficacci: Francis Bacon, Taschen Verlag, Köln 2003, ISBN 3-8228-2197-7
  • Christoph Heinrich (Hrsg.): Francis Bacon. Die Portraits. Hatje Cantz Verlag, 2005, ISBN 3-7757-1727-7
  • Armin Zweite (Hrsg.): Francis Bacon. Die Gewalt des Faktischen. Hirmer Verlag 2006, ISBN 3-7774-3235-0
  • Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 44, Jg. 1996, S. 42-50

Filme

  • Koralnik, P.: Francis Bacon, peintre anglais (1963)
  • Joubert, A.: Palletes, Les figures de l’excès, La Sept Arte 1996
  • Maybury, J.: Love is the Devil: Study for a Portrait of Francis Bacon (GB 1998)
  • Low, Adam: Bacon’s Arena (GB 2005)

Weblinks

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Francis_Bacon_%28Maler%29

 

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Bibliografische Angaben für „Francis Bacon (Maler)

Adventskalender 20. Dezember 2007

Dezember 19, 2007

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Emily Dickinson

 

Engel

 

Engel kann man, früh am Morgen,
in betauten Wiesen seh’n,
neigen – pflücken – lächeln – schweben –
sind Knospen wohl ihr Eigentum?Engel kann man, in der heißen
Mittagszeit, im Sande seh’n,
neigen – pflücken seufzen -schweben –
verdorrte Blüten tragen sie.

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Edgar Allan Poe

Der Engel des Wunderlichen

Eine Extravaganz

Es war ein kalter Novembernachmittag. Ich hatte gerade ein ungewöhnlich solides Mittagsmahl eingenommen, dessen nicht unwichtigste Schüssel die schwerverdaulichen Trüffeln gebildet hatten, und saß nun allein im Speisezimmer, die Füße auf den Kaminvorsetzer und den Ellbogen auf einen kleinen Tisch gestützt, den ich vor das Feuer gerückt hatte und auf dem verschiedene Flaschen Wein und Likör standen. Während des Morgens hatte ich Glovers ‚Leonidas‘, Wilkies ‚Epigoniade‘, Lamartines ‚Pilgerfahrt‘, Barlows ‚Columbiade‘, Tuckermanns ‚Sizilien‘ und Griswolds ‚Curiositäten‘ gelesen und will gern gestehen, daß mir jetzt ein bißchen dumm im Kopfe war. Ich gab mir alle Mühe, mich mit ein paar Gläsern Lafitte aufzurütteln, und als es mir nicht gelang, nahm ich voll Verzweiflung meine Zuflucht zu einer Zeitung, die vor mir lag. Nachdem ich sorgfältig erst die Rubrik ‚Häuser zu vermieten‘ und dann die Rubrik ‚Entlaufene Hunde‘ und dann die beiden Rubriken ‚Durchgegangene Frauen und Lehrlinge‘ gelesen hatte, nahm ich mit großer Entschlossenheit den Leitartikel in Angriff; als ich ihn von Anfang bis zu Ende gelesen, ohne eine Silbe zu verstehen, kam mir der Gedanke, er sei vielleicht chinesisch geschrieben, und so las ich ihn vom Ende bis zum Anfang noch einmal, jedoch dito ohne befriedigendes Resultat. Ich war schon gerade im Begriff, voll Abscheu

Dies Zeitungsblatt, das einzige Werk,
Das selbst die Kritiker nicht kritisieren,

wegzuwerfen, als ich fühlte, wie meine Aufmerksamkeit durch folgende Notiz erregt wurde:

‚Die Wege zum Tode sind ebenso zahlreich wie seltsam. Ein Londoner Blatt meldet das aus den merkwürdigsten Ursachen erfolgte Ableben eines Mannes. Er spielte das Spiel ‚puff the dart‘, bei welchem man eine lange Nähnadel durch eine kleine Zinnröhre gegen eine Scheibe bläst. Der Unglückliche steckte die Nadel in das falsche Ende der Röhre, und als er nun fest den Atem einzog, um sie kräftig herausblasen zu können, sog er sie in seine Kehle. Sie durchbohrte seine Lunge und tötete den Unvorsichtigen in wenig Tagen.‘

Als ich das gelesen, geriet ich in eine maßlose Wut.

»Dieser Artikel, schrie ich, »ist eine erbärmliche Lüge – eine armselige Ente – er entstammt der Hefe der Phantasie irgendeines bedauernswerten Zeilenschinders, eines elenden Geschichtenfabrikanten aus Kalau. Diese Buben kennen die Leichtgläubigkeit unserer Zeit und setzen ihren ganzen Witz daran, unmögliche Möglichkeiten auszuhecken, ›wunderliche Begebenheiten‹, hehe! wie sie es nennen. Aber für einen nachdenkenden Geist (wie den meinigen, fügte ich in Klammern hinzu, und tippte unwillkürlich mit dem Zeigefinger auf meine Nase), für eine überlegene Intelligenz (wie ich sie besitze) ist es im Augenblicke klar, daß die wunderbare, gerade in letzter Zeit eingetretene Häufung der ›wunderlichen Begebenheiten‹ die wunderlichste aller wunderlichen Begebenheiten ist. Ich bin aber fest entschlossen, von jetzt ab nichts mehr zu glauben, was irgend etwas Wunderliches an sich hat.«

»Main Chott! wie dumm muß man sain, um so was zu sagen!« – antwortete mir eine der merkwürdigsten Stimmen, die ich jemals gehört habe.

Anfangs hielt ich sie für ein Summen in meinen Ohren, wie man es oft verspürt, wenn man sehr betrunken ist – dann jedoch schien sie mir mehr Ähnlichkeit mit dem Ton zu haben, den ein leeres Faß von sich gibt, wenn man mit einem dicken Stocke darauf schlägt. Ich würde sie in der Tat für dies Geräusch gehalten haben, hätte ich nicht die Artikulation der Silben und Worte vernommen. Ich bin von Natur absolut nicht ängstlich, und die unterschiedlichen Glas Lafitte, die ich geschlürft, trugen nicht wenig dazu bei, mir Mut zu verleihen. Deshalb empfand ich auch nicht die geringste Bestürzung, sondern erhob gemächlich meine Augen und ließ sie sorgfältig durch das Zimmer schweifen, um den Eindringling zu entdecken. Doch konnte ich niemanden erblicken.

»Pfui!« ließ sich die Stimme wieder vernehmen, als ich mit meiner Untersuchung fortfuhr, »Sie müssen cha wie ein S-chwain betrunken sain, daß Sie mich nich sehen, wo ich doch cherade vor Ihnen sitze.«

Hierauf fiel es mir ein, auch einmal direkt vor mich hin zu sehen, und da saß wahrhaftig, mir frech gegenüber, eine bis jetzt noch nie beschriebene, aber vielleicht nicht ganz unbeschreibliche Persönlichkeit: Der Körper war ein Wein- oder Rumfaß oder etwas Ähnliches und sah im wahrsten Sinne falstaffisch aus. Aus seinem unteren Teile ragten zwei länglichere Fäßchen heraus und schienen die Stelle der Beine zu vertreten. Als Arme hingen von der oberen Partie des großen Fasses zwei ziemlich lange Flaschen herab, deren Hälse den Dienst der Hände versahen. Der Kopf des Ungeheuers bestand in einem jener Flaschenkörbe, die aussehen wie eine riesige Schnupftabaksdose mit einem Loch in der Mitte des Deckels. Dieser Flaschenkorb, den ein Trichter krönte, wie ein über die Augen herabgezogener Hut, lag seitlich auf dem Faß, das Loch mir zugewandt, und aus diesem Loch, das verzogen und verrunzelt schien, wie der Mund einer sehr ceremoniellen alten Jungfer, entsandte die Kreatur gewisse rumpelnde und brummelnde Geräusche, die sie offenbar für verständliche Reden hielt.

»Ich maine«, begann das Geschöpf wieder, »Sie müssen betrunken sain wie ein S-chwain, daß Sie mich nich chleich chesehen haben, obwohl ich hier cherade vor Ihnen sitze; und ich maine auch, daß Sie dümmer sain müssen wie ’ne Chans, daß Sie nich chlauben, was in der Druckerei chedruckt wird! Das is die Wahrhait! Chedes Wort is die raine Wahrhait!«

»Bitte, wer sind Sie?« fragte ich voll Würde, obwohl ein wenig erstaunt, »wie kamen Sie hier herein, und wovon reden Sie?«

»Wie ich hier rainchekommen bin«, entgegnete das Geschöpf, »das cheht Sie char nichts an; und wovon ich spreche? Nun – ich spreche davon wovon mich chut dünkt zu sprechen; und wer ich bin? Ich bin cherade darum herchekommen, daß Sie es gelber sehen.«

»Sie sind ein betrunkener Vagabund«, sagte ich, »ich werde meinem Diener klingeln, das er Sie auf die Straße wirft!«

»Hi hi hi« lachte der Kerl, »hu! hu! hu! Was das ancheht – das können Sie cha char nich!«

»Das kann ich nicht?« fragte ich. »Was meinen Sie? Was kann ich nicht?«

»Sie können nicht s-chellen«, erwiderte er und versuchte, mit seinem scheußlichen kleinen Munde zu grinsen.

Daraufhin machte ich eine Bewegung, wie um mich zu erheben und meine Drohung auszuführen; aber der Raufbold neigte sich über den Tisch und versetzte mir mit dem Hals einer seiner langen Flaschen einen solchen Schlag vor die Stirn, daß ich in den Lehnstuhl, von dem ich mich halb erhoben, zurückknickte. Ich war grenzenlos erstaunt und wußte im Moment nicht, was ich machen sollte. Mittlerweile fuhr er in seiner Rede fort: »Sie sehen«, sagte er, »es ist das beste, wenn Sie chanz stille sitzen. Nun sollen Sie auch wissen, wer ich bin. Ich bin der Engel des Wunderlichen!«

»Wunderlich genug sind Sie allerdings«, wagte ich zu erwidern. »Aber ich hatte mir immer vorgestellt, daß Engel Flügel hätten.«

»Mein Chott! Flügel!« rief er höchst ergrimmt. »Was chehen mich Flügel an! Sie s-chainen mich wohl für ein Küken zu halten!«

»O nein! nein!« erwiderte ich besänftigend, »Sie sind kein Küken – gewiß nicht!«

»Das wollte ich auch chemaint haben! Aber nun betragen Sie sich chut, sonst chebe ich Ihnen noch eine ins Chesicht. Das Küken hat Flügel und die Eule hat Flügel und die bösen Chaister haben Flügel und der chroße Teufel hat Flügel. Engel haben keine Flügel, und ich bin der Engel des Wunderlichen.«

»Und die Angelegenheit, um derentwillen Sie mich aufsuchen…«

»Meine Angelegenheit?« schrie das gräßliche Subjekt, »himmlis-cher Vater, was fürn s-chlecht erzogener Mens-ch müssen Sie sain, daß Sie einen S-chentle-man und einen Engel nach seinen Angelegenheiten fragen können!«

Diese Sprache durfte ich mir nicht bieten lassen, selbst nicht von einem Engel; ich nahm all meinen Mut zusammen, ergriff ein Salzfäßchen, das in meinem Bereich stand, und schleuderte es dem Eindringling an den Kopf. Aber er wich aus oder ich hatte schlecht gezielt, kurz: die einzige Wirkung des Geschosses war die, daß es das Glas der Pendeluhr auf dem Kamin zertrümmerte. Der Engel jedoch hatte meine Absicht verstanden und erwiderte meinen Angriff durch zwei oder drei kräftige Schläge von der Art des ersten. Sie bestimmten mich, sofort unterwürfig zu sein; und ich muß mit Beschämung gestehen, daß mir, sei es aus Schmerz oder Zorn, einige Tränen in die Augen kamen.

»Main Chott!« sagte der Engel des Wunderlichen, offenbar durch meine Traurigkeit besänftigt, »der arme Mann ist entweder chanz betrunken oder sehr traurig. Sie müssen den Wain auch nich so stark che-nießen, Sie müssen ihm ein bißchen Wasser zusetzen. Hier, trinken Sie mal das, chuter Burs-che, und wainen Sie nich mehr, hören Sie, wainen Sie nich mehr!«

Gleichzeitig füllte der Engel des Wunderlichen mein Glas, das zum Drittel Portwein enthielt, mit einer farblosen Flüssigkeit, die er aus einer der Flaschen, die seine Arme vorstellten, fließen ließ. Ich bemerkte, daß die Flaschen Etiquetten und die Etiquetten die Inschrift Kirschwasser trugen.

Diese liebenswürdige Aufmerksamkeit des Engels besänftigte mich; und mit Hilfe des ‚Wassers‘, mit dem er noch verschiedene Male meinen Wein versetzte, fand ich die genügende Ruhe wieder, um seinen höchst seltsamen Reden zu lauschen. Ich beabsichtige nicht, alles wieder zu erzählen, was er mir mitteilte, doch blieb mir noch im Gedächtnis, daß er behauptete, er sei der Genius, der über alle ‚unangenehmen Zwischenfälle‘ der Menschheit herrsche, und es sei seine Aufgabe, jene ‚wunderlichen Begebenheiten‘ zu veranlassen, die den Skeptiker fortwährend in Erstaunen setzen. Ein- oder zweimal, als ich wagte, seinen Behauptungen gegenüber meinem vollständigen Unglauben Ausdruck zu verleihen, wurde er so wütend, daß ich es für weiser hielte, nichts mehr zu sagen, und ihn ruhig gewähren ließ.

Er sprach denn auch noch lange weiter, während ich, in den Stuhl zurückgelehnt, die Augen schloß und mich damit amüsierte, Traubenrosinen zu kauen und die Kerne durch das Zimmer zu flitzen, der Engel jedoch faßte wohl schließlich dies Betragen als eine Beleidigung auf. Er erhob sich in fürchterlichem Grimm, zog den Trichterhut vollständig über die Augen, fluchte irgendeinen grandiosen Fluch, stieß eine noch grandiosere Drohung aus, die ich nicht reicht verstand, machte mir eine tiefe Verbeugung und verließ mich, indem er mir in der Art des Erzbischofs im Gil Blas ‚beaucoup de bonheur et un peu plus de bon sens‘ wünschte.

Ich empfand sein Weggehen als eine wahre Erleichterung. Die paar Gläser Lafitte, die ich in kleinen Schlucken getrunken, hatten mich ein wenig schläfrig gemacht und das Bedürfnis nach dem gewohnten Nachmittagsschlummer von fünfzehn oder zwanzig Minuten in mir erregt. Um sechs Uhr hatte ich eine wichtige Verabredung, die ich keinesfalls versäumen durfte. Meine Feuerversicherungspolice war nämlich am Tage zuvor abgelaufen; und da irgendeine Änderung nötig geworden, hatten wir abgemacht, daß ich um sechs Uhr bei dem Direktorium der Gesellschaft erscheinen solle, um die Form einer neuen Police festzusetzen. Als ich nach der Uhr auf dem Kamin blinzelte (ich war zu schläfrig, meine Taschenuhr zu ziehen), bemerkte ich mit Vergnügen, daß ich noch gerade fünfundzwanzig Minuten für mich hatte. Es war halb sechs. In fünf Minuten konnte ich bequem das Büro der Feuerversicherungsgesellschaft erreichen. Meine übliche Siesta hatte noch nie die Dauer von fünfundzwanzig Minuten überschritten. Ich fühlte mich als vollständig beruhigt und schickte mich zu meinem Schläfchen an.

Als ich wieder erwachte, blickte ich auf die Uhr, und war fast geneigt, an ‚wunderliche Begebenheiten‘ zu glauben, als ich sah, daß ich statt meiner gewohnten fünfzehn oder zwanzig Minuten nur drei geschlafen hatte. Ich überließ mich von neuem der Ruhe, und als ich ein zweites Mal erwachte, sah ich mit größter Verwunderung, daß es noch immer siebenundzwanzig Minuten vor sechs war.

Ich sprang auf, um die Uhr zu untersuchen, und bemerkte, daß sie stehengeblieben war. Meine Taschenuhr zeigte halb acht. Ich hatte zwei Stunden geschlafen; für die Verabredung war es natürlich zu spät geworden.

»Na – es wird wohl nichts auf sich haben!« sagte ich mir. »Ich werde morgen auf das Büro gehen und mich entschuldigen. Aber was mag denn nur mit der Uhr geschehen sein?«

Ich betrachtete sie genauer und entdeckte, daß einer der Rosinenkerne, die ich durch das; Zimmer geschnellt, als der Engel des Wunderlichen seine Rede hielt, hinter das zerbrochene Glas gedrungen war und sich so in dem Schlüsselloch festgesetzt hatte, daß ein Ende hervorragte und die Umdrehung des Minutenzeigers aufhielt.

»Aha«, sagte ich, »sehe schon, was es ist: etwas ganz Selbstverständliches, eine natürliche Begebenheit, wie sie hin und wieder vorzukommen pflegt.«

Ich legte der Sache denn auch weiter keine Bedeutung bei und begab mich zur gewohnten Stunde zu Bett. Nachdem ich eine Kerze auf dem Nichttisch entzündet und den Versuch gemacht hatte, ein paar Seiten über ‚Die Allgegenwärtigkeit der Gottheit‘ zu lesen, fiel ich unglücklicherweise in weniger als zwanzig Sekunden in Schlaf und ließ das Licht brennen.

Meine Träume wurden durch die Erscheinung des Engels des Wunderlichen schrecklich beunruhigt. Es kam mir vor, als stände er am Fußende des Bettes, zöge die Vorhänge zurück und drohte mir mit den hohlen, abscheulichen Tönen eines Rumfasses bittere Rache an für die Nichtachtung, mit der ich ihn behandelt habe. Er schloß seine lange Ansprache, indem er seinen Trichterhut abnahm, mir die Röhre in die Kehle steckte und mich mit einem Ozean von Kirschwasser überschwemmte, das er in endlosen Fluten aus einer der langhalsigen Flaschen ergoß, die ihm als Arme dienten. Meine Todesangst wurde unerträglich, und ich erwachte gerade in dem Augenblick, als eine Ratte die brennende Kerze von dem Tischchen riß und mit ihr davonfloh. Doch konnte ich nicht mehr verhindern, daß sie sich mit ihrem Raube in ihr Loch flüchtete. Gleich darauf drang ein starker, erstickender Geruch in meine Nase, und ich mußte mit Schrecken bemerken, daß das Zimmer brannte.

In einer ganz unglaublich kurzen Zeit war das ganze Gebäude in Flammen gehüllt. Jeder Ausgang aus meinem Schlafgemach, ausgenommen der durch das Fenster, war versperrt. Die Menge auf der Straße jedoch verschaffte sich schnell eine lange Leiter und legte sie an das Fenster an. Ich stieg herunter und glaubte mich schon gerettet, als ein riesiges Schwein, dessen kugelrunder Wanst, ja, dessen ganze Physiognomie und Erscheinung mich durch irgend etwas an den Engel des Wunderlichen erinnerte – als sich dieses Schwein, das bis jetzt ruhig in seinem Morast geschlummert hatte, plötzlich in den Kopf setzte, seine linke Schulter müßte ein wenig gekrault werden, und keinen für den Zweck besser geeigneten Gegenstand finden zu können glaubte, als den Fuß meiner Leiter. Ich stürzte hinab und hatte das Unglück, einen Arm zu brechen.

Dieser Unfall sowie der Verlust der Versicherungssumme und der schwerwiegendere Verlust meiner Haare, die das Feuer versengt hatte, machten mich zu einem ernsten Menschen, so daß ich mich entschloß, eine Frau zu nehmen.

Es gab da eine reiche Witwe, die in Trostlosigkeit den Tod ihres siebenten Gatten beweinte – ihrer siebenmal wunden Seele bot ich den Balsam meiner Schwüre an. Nicht ohne keusches Zögern gewährte sie meinen Bitten Gehör. Ich kniete in Dankbarkeit und Anbetung zu ihren Füßen. Sie errötete, und ihre üppige Lockenfülle näherte sich mir so, daß sie in Berührung mit derjenigen kam, die mir die Kunst meines Friseurs für einige Zeit verliehen. Ich weiß nicht, wie es geschah – jedenfalls geschah es: Ich erhob mich ohne Perücke, mit glänzender Platte. Sie voll Verachtung und Zorn, halb in fremden Haarschmuck gehüllt. So endeten meine Hoffnungen durch einen Unfall, den ich nicht ahnen konnte und der doch nur die natürliche Folge der Ereignisse war.

Ich verzweifelte aber nicht, sondern unternahm die Belagerung eines anderen Herzens. Diesmal war mir das Schicksal eine Zeitlang gewogen; und doch kreuzte zum zweiten Male ein lächerlicher Zwischenfall meine Pläne. Ich traf meine Braut an einem Orte, an dem sich die Elite der Stadt zusammenfand, und wollte mich gerade beeilen, ihr meine respektvollste Begrüßung zu Füßen zu legen, als irgendein kleiner Fremdkörper in die rechte Ecke meines linken Auges geriet und mich für den Augenblick vollständig blind machte. Ehe ich wieder aufblicken konnte, war die Dame meines Herzens verschwunden – beleidigt, daß ich vorübergegangen, ohne sie zu grüßein; sie beliebte das wahrscheinlich als eine überlegte Grobheit auszudeuten! Während ich noch ganz verblüfft über diesen Zwischenfall stehen blieb (der übrigens jedem unter der Sonne hätte passieren können) und noch immer nicht sehen konnte, wurde ich von dem Engel des Wunderlichen angeredet, der mir seine Hilfe mit einer Höflichkeit anbot, die ich keineswegs von ihm zu erwarten das Recht hatte. Er untersuchte mein verletztes Auge voll Sanftmut und Geschicklichkeit, belehrte mich, daß ich einen Tropfen im Auge habe, und (von welcher Beschaffenheit dieser ‚Tropfen‘ auch war) er entfernte ihn und verschaffte mir dadurch sofort eine große Erleichterung.

Da das Schicksal offenbar beschlossen hatte, mich nur zu quälen, schien es mir die höchste Zeit, zu sterben, und ich richtete schleunigst meine Schritte nach dem nächsten Flusse. Dort entledigte ich mich meiner Kleider (denn es ist kein Grund vorhanden, weshalb wir nicht so sterben sollten, wie wir geboren werden) und warf mich der Länge nach ins Wasser. Der einzige Zeuge meines Unterganges war ein alter Rabe, der zuviel in Branntwein geweichtes Korn gefuttert hatte; davon war er betrunken geworden und hatte sich von seinen Kameraden getrennt.

Kaum war ich im Wasser angelangt, als es diesem Tiere einfiel, mit dem unerläßlichsten Teile meines Anzuges hinwegzufliegen. Ich schob meine selbstmörderische Absicht infolgedessen noch etwas auf, stieg wieder ans Ufer, glitt mit meinen unteren Extremitäten in die Ärmel meines Rockes und nahm die Verfolgung des Schurken auf; und zwar mit der ganzen Lebhaftigkeit, die der Fall erforderte und die Umstände gestatteten. Aber mein böses Geschick ließ noch nicht von mir ab. Als ich so in vollster Eile lief, die Nase in der Luft, meine ganze Aufmerksamkeit auf den Räuber meines Eigentums gerichtet, bemerkte ich plötzlich, daß meine Füße keinen festen Boden mehr faßten: ich war nämlich in einen Abgrund gelaufen, und wäre unfehlbar zu Tode gestürzt, hätte ich nicht zum Glück ein langes Tau ergriffen, das von einem gerade vorübersegelnden Luftballon herabhing.

Sobald sich meine Sinne so weit erholt hatten, um meine schreckliche Lage oder vielmehr mein schreckliches Hängen erkennen zu können, wandte ich meine ganze Lungenkraft an, dieses Hängen dem Luftschiffer über mir bemerklich zu; machen. Eine Zeitlang strengte ich mich vergebens an. Entweder sah mich der Dummkopf oben nicht, oder der Schuft wollte mich nicht sehen. Der Ballon stieg rapide, und meine Kräfte sanken noch rapider. Ich wollte mich schon in mein Schicksal ergeben und mich ruhig fallen lassen, als mein Mut plötzlich wieder durch den Ton einer hohlen Stimme belebt wurde, die von oben kam und in aller Gemütsruhe eine Opernmelodie summte. Ich blickte empor und bemerkte den Engel des Wunderlichen. Er lehnte mit gekreuzten Armen über den Rand der Gondel; und mit der Pfeife im Munde, aus der er gemächlich Rauchwolken blies, machte er den Eindruck, als sei er in bestem Einvernehmen mit sich selbst und dem ganzen Weltall. Ich war zu erschöpft, um reden zu könne, und sandte nur einen flehenden Blick zu ihm hinauf.

Einige Minuten lang sagte er nichts, obwohl er mir voll ins Gesicht sah. Dann endlich, nachdem er sorgfältig seinen Meerschaum von dem rechten in den linken Mundwinkel geschoben hatte, ließ er sich zum Sprechen herab.

»Wer sind Sie aichentlich?« fragte er, »und was, zum Teufel, wüns-chen Sie?«

Auf dieses Zeichen grenzenlosester Unverschämtheit, Grausamkeit und Verstellung konnte ich nur mit dem einen flehentlichen Worte »Hilfe!« antworten.

»Sie wüns-chen Hilfe?« fragte der Kirschwassermann. »Hoffentlich nicht von mir. Da haben Sie eine Flas-che – helfen Sie sich selbst und s-cheren Sie sich zum Teufel.«

Bei diesen Worten warf er mir eine große Flasche Kirschwasser zu, die mir gerade auf den Schädel fiel und mich glauben machte, es sei um mein Gehirn geschehen. Ich wollte infolgedessen schon das Tau loslassen und so auf gut Glück meinen Geist selbst aufgeben, als ich die Stimme des Engels wieder vernahm, die mir jetzt befahl, mich gut festzuhalten.

»Halten Sie sich chut fest!« rief er. »Sai’n Sie doch nich so ailich; haben Sie chehört? Wollen Sie noch die andere Flas-che chenießen, oder sind Sie endlich nüchtern cheworden und zu Verstande chekommen?«

Ich beeilte mich, zweimal energisch den Kopf zu bewegen, einmal verneinend, um ihm zu sagen, daß ich auf die andere Flasche verzichte, und einmal bejahend, um ihm mitzuteilen, daß ich vollständig nüchtern und bei Verstande sei.

Dies schien den Engel etwas zu besänftigen.

»Chlauben Sie denn nun wenigstens«, fragte er, »chlauben Sie nun an die Möglichkeit des Wunderlichen?«

Ich machte von neuem eine bejahende Kopfbewegung-

»Und chlauben Sie an mich, den Engel des Wunderlichen?«

Ich nickte wieder.

»Und Sie cheben zu, daß Sie ’n Trunkenbold sind und ein törichter Mens-ch?«

Ich nickte nochmals.

»Dann stecken Sie Ihre rechte Hand in die linke Ho-sentas-che zum Zeichen der vollen Erchebenheit che-chenüber dem Engel des Wunderlichen?«

Dies war mir, aus leicht verständlichen Gründen, ganz unmöglich. Erstens war mein linker Arm bei dem Fall von der Leiter gebrochen, und wenn ich mich mit der rechten Hand nicht festhalten konnte, so konnte ich mich eben überhaupt nicht festhalten. Und zweitens hatte ich ja gar keine Hose mehr, seit der Rabe sie mir genommen. Ich sah mich deshalb zu meinem größten Bedauern gezwungen, den Kopf zu schütteln, um dem Engel zu verstehen zu geben, daß ich den Augenblick nicht für geeignet halte, seiner gewiß sehr vernünftigen Aufforderung nachzukommen. Doch kaum hatte der Engel meine Bewegung bemerkt, als er losbrüllte: »Dann chehen Sie zum Teufel!« und mit einem scharfen Messer das Tau, an dem ich hing, durchschnitt. Da wir jetzt gerade zufällig über meinem Hause schwebten (das während meiner Irrfahrten wieder vollständig aufgebaut: worden war), ereignete es sich, daß ich der Länge nach durch den weiten Schornstein und in den Kamin meines Speisezimmers fiel.

Als ich wieder zum Bewußtsein kam (der Sturz hatte mich nämlich völlig betäubt), bemerkte ich, daß es ungefähr vier Uhr morgens war. Ich lag an der Stelle, auf die mich mein Fall von dem Tau des Ballons geschleudert hatte. Mein Kopf wühlte, in der Asche des erloschenen Kaminfeuers, während meine Füße auf dem Wrack des kleinen, umgefallenen und dann aus dem Leim gegangenen Tischchens und zwischen den Bruchstücken eines reichhaltigen Desserts einer Zeitung, einigen Gläsern und zertrümmerten Flaschen und einem leeren Krug Kirschwasser ruhten.

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Engel

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen werden unter Engel (Begriffsklärung) aufgeführt.

Der Engel (vom griechischen άγγελος, ángelos – Bote, Botschafter über lateinisch angelus als Übersetzung des hebräischen mal’ach (מלאך) – Bote) ist in vielen Religionen ein Wesen, das Gott oder den Göttern zur Seite steht, aber von ihnen unterschieden wird.

Der Ausdruck „Mal’ach“ für Engel wird erstmals in Kapitel 19 von Genesis verwendet, in der Erzählung der Flucht Lots aus Sodom. Engeldarstellungen sind jedoch schon deutlich älter.

In der religionswissenschaftlichen Darstellung werden Engel als Wesen der jüdischen, christlichen und islamischen Mythologie gedeutet.

 

Erzengel Michael

 

Erzengel Michael

 

Kampf des Jakob gegen einen Engel

 

Kampf des Jakob gegen einen Engel

Inhaltsverzeichnis


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Engel in der Geschichte

Die ersten Engeldarstellungen finden sich um 2250 v. Chr. in Mesopotamien, z. B. auf einem Rollsiegel des Schreibers Adda. Um 1500 v. Chr. reichte die Macht Ägyptens bis in jenes Gebiet, und die Engeldarstellungen sind von dort nach Ägypten gekommen.

Während der Sarkophag der Pharaonin Hatschepsut um 1450 v. Chr. auf der Stirnseite noch einen Engel ohne Flügel zeigt, trägt der Sarg des Pharaos Tutanchamun schon mehrere Engel-Darstellungen mit ausgebreiteten Flügeln, desgleichen findet man auch auf verschiedenen Pektoralen. Einer der eindrucksvollsten Darstellungen ist der Sarkophag des Pharao Haremhab, ca. 1350 v.Chr. Er zeigt auf allen vier Ecken fast körpergroße Engel, die ihre bodenlangen Flügel rückwärts schützend über den Toten halten.

In der gleichen Zeit, ab etwa 1200 und von da durchgängig bis zu den Ptolemäern wird es üblich, geflügelte Schutzengel über die Grabeingänge oder an Grabwände zu malen. So ist z. B. das Grab der Nefertari mit solchen Engelabbildungen ausgestattet. Hier in Ägypten sind es die Göttinnen Isis, Nephthys, Selket und Maat, die Engelgestalten darstellen, erkennbar an ihrem speziellen Kopfschmuck.

Vier Jahrhunderte später finden sich Engel in den Königspalästen der Assyrer in Ninive, Nimrud oder Dur Scharrukin, zum Teil mit Doppelflügeln nach oben und unten, als so genannte Genien, auf riesige Steinplatten gemeißelt. Sie sind auch die Vorbilder des Traumes beim Propheten Jesaja in seiner Berufungsvision.

Etwa um 600 v. Chr. bekamen die Griechen unter dem Pharao Psammetich I. Zugang nach Ägypten und lernten dort die Monumental-Architektur und Reliefkunst und wohl auch die Engelbildnisse kennen. Sie ahmten nach, und so finden wir um ca. 450 v. Chr. viele Engeldarstellungen auf Vasen. Viele davon findet man heute im Britischen Museum. Griechische Künstler waren es schließlich, die ersten Vollplastiken von Engeln schufen, als Nike von Samothrake (Louvre) oder die des Paionius. Der Engel auf den Quadrigen in Berlin, London oder Paris stellt ebenfalls die Siegesgöttin Nike dar mit Siegeskranz und Palmenzweig. Heute wird diese jedoch zumeist einfach als Engel wahrgenommen.

Ab 500 v. Chr. war Juda Provinz des damaligen Weltreichs der Perser. Die Perser waren Anhänger der Religion des Zarathustra, die bereits eine Lehre der Engel kannte und auch den Glauben des jüdischen Volkes beeinflusst hat. Schließlich kamen die Römer, bauten ihrerseits ein Weltreich und übernahmen vieles aus der Kultur ihrer Vorgänger, auch die Engel, die sich in ihrer Funktion und Gestaltung oft veränderten. Sie glichen den Putten späterer Jahrhunderte.

Erst im 4. Jahrhundert nach Christus wurde das Christentum zur Staatsreligion. In den ersten drei Jahrhunderten nach Christus sind von den Römern noch viele Mosaike mit schönen Engelgestalten als Fußböden entstanden, die heute beispielsweise in Tunesien zu bewundern sind. Fast nahtlos gehen Engel dann in die Ausschmückungen der frühen byzantinischen Kirchen über (z. B. Ravenna).

Durch alle Kulturen und Jahrhunderte hindurch hat sich die Funktion der Engelgestalten kaum verändert. Sie sind da eingesetzt, wo Vermittlung zwischen Gott und Menschen entstehen soll und vor allem, wo Schutz vonnöten ist.

Engel in der Bibel

Die Bibel geht zwar davon aus, dass es Engel – himmlische, mit Bewusstsein begabte Geistwesen – gibt; aber sie verzichtet weitgehend auf ein Ausmalen dieser Himmelswelt, die in anderen Religionen damals verbreitet war. Viel wichtiger ist ihr die Funktion der Engel: den Menschen Gottes Wort, Gegenwart, Absicht und vollgültigen Willen mitzuteilen. Darum erscheinen Engel in der Bibel oft einfach als „Boten Gottes“ in menschlicher Gestalt. Sie sind ohne Zweifel souverän, den Menschen weit überlegen und nicht an die Schranken und Bedingungen der menschlichen Sinnenwelt gebunden: aber diese Fähigkeiten treten meist hinter ihrer Botschaft zurück.

Das biblische Engelbild hat mit dem der Kunst und Volksfrömmigkeit vielfach nur wenig gemein. Die verniedlichenden Darstellungen der Engel als Putten widersprechen der biblischen Darstellung. Als Wesen, die grundsätzlich der „unsichtbaren Welt“ (Nicäno-Konstantinopolitanum) angehören, entziehen sie sich der Objektivierung. Dennoch kann die Sprache des Gebets (vgl. Martin Luthers Morgen- und Abendsegen), der Liturgie und der Poesie nicht auf sie verzichten.

Allgemeines

Die Bibel kennt in weiten Teilen Engel als eigene Wesen, die Gottes Reich angehören. Von Engeln ist in beiden in der Genesis vorliegenden Schöpfungserzählungen (Gen. Kap. 1 und Kap. 2) nicht explizit die Rede, es wird aber in der ganzen Bibel darauf hingewiesen, dass Engel schon vor der Entstehung der Welt existierten und Gott dienten. Es heißt auch: „Engel sind Geschöpfe, die zwischen Gott und den Menschen stehen.“

Im Buch Genesis wird von Cherubim berichtet, welche mit dem Flammenschwert das Paradies bewachen (1. Mose 3, 24). Während sie hier dem Menschen die Rückkehr ins Paradies verwehren, heißt es im ersten Korintherbrief, dass Engel letztlich den Menschen unterstellt sind und Menschen später über Engel richten werden (1.Kor 6, 3).

In Gen. 6, 2-4 tauchen sogenannte „Gottessöhne“ auf, die mit sterblichen Frauen verkehrten und dadurch „Riesen“ oder auch „Nephilim“ hervorbrachten. Die antike Mythologie wie z. B. im apokryphen Buch Henoch dachte hierbei allgemein an Geistwesen. Im Speziellen wurden hierbei die gefallenen Wächter unter Führung von Azazel gemeint, die sich Gott abgewandt haben. Das Motiv wird durch den Kontext, in den es gestellt wurde (chronologisch vor der Sintflut), entmythisiert: Gemeint sind hier die „Helden der Vorzeit“, die ersten zehn Generationen Menschen von Adam bis Noach, die zwar besonders lange lebten, gleichwohl aber sterblich waren. „Gottessöhne“ sind für die Bibel zunächst alle Menschen, die ihre Gottebenbildlichkeit auch nach dem Sündenfall behalten (Gen. 1, 27).

Im Buch Ijob (um 250-200 v. Chr.) tauchen die Gottessöhne erneut auf, wobei es sich um eine Versammlung von Geistwesen, darunter auch Satan, handelt. Später erwähnt Gott die Gottessöhne nochmals als die ersten, die ihn mit den Sternen lobten – offenbar noch vor der Schöpfung der Menschen (Hi. 38, 7). Hier werden Vorstellungen einer Engelwelt sichtbar, die der Schaffung der Menschenwelt vorausgeht und die Geschicke der Menschen mitbestimmt.

In der späten Vision vom Endgericht (Dan. 7, 1-14, um 170 v. Chr.) dagegen bleiben die Throne, die um Gottes Thron aufgestellt werden, leer. Von Engeln ist hier erst nach dem Erwachen des Sehers Daniel die Rede: Sie deuten ihm das Gesicht, ohne dass sie selbst darin eine Rolle spielen. Die Menge ohne Zahl, die vor Gottes Thron versammelt ist (Vers 10), sind keine Engel, sondern die, die im Endgericht bestehen und Gott anbeten.

Die Bibel erwähnt verschiedene Arten von Engeln, ohne sie in eine klar gegliederte Engelshierarchie einzuordnen: Seraphim, Cherubim, Erzengel, Thronoi, Herrschaften, Fürstentümer und Gewalten (siehe unter anderem: 1. Samuel 4,4; Jesaja 6,2; Epheserbrief 1,21; Kolosserbrief 1,16).

 

Der Priester Zacharias, Vater von Johannes dem Täufer, bekommt im Tempel Besuch von einem Engel, so berichtet es Lukas im 1. Kapitel. Anschließend verstummt er.

 

Der Priester Zacharias, Vater von Johannes dem Täufer, bekommt im Tempel Besuch von einem Engel, so berichtet es Lukas im 1. Kapitel. Anschließend verstummt er.

JHWH, der Gott Israels, erscheint hin und wieder bestimmten Menschen (zum Beispiel Abraham im Hain Mamre und Mose im brennenden Dornenbusch) in Engelsgestalt. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang der sogenannte „Engel des Bundes“, der Hagar, Abraham, Jakob, Moses, Gideon und Elija erscheint. Daneben gibt es auch die Todesengel und die Racheengel, in denen der Zorn Gottes Gestalt gewinnt. Vor allem aber bilden die Engel den „Hofstaat“ Gottes und seine „Heeresmacht“, mit der Gott Zebaot, der „Herr der Heerscharen“, für und manchmal auch gegen Menschen streitet. Eine besondere Bedeutung haben Engel auch als Überbringer von Heils- oder Gerichtsbotschaften Gottes (etwa im Alten Testament bei der Zerstörung Sodoms, oder im Neuen Testament bei der Geburt Jesu und bei Jesu Auferstehung am Ostermorgen).

Weitere Aufgaben der Engel sind nach biblischer Darstellung Schutz- und Hilfsdienste für bestimmte Menschen und Menschengruppen (Psalm 91; Daniel 6,22; Matthäus 18,10; Lukas 16,22; Apostelgeschichte 12,7).

Luzifer

Hauptartikel: Luzifer

Zur Stützung der Annahme, Satan sei ein gefallener Engel, ein Diener Gottes, der sich von ihm gelöst habe, werden i.d.R. folgende Bibelstellen herangezogen, die von tief gefallenen Königen handeln: Jes. 14 vom König zu Babel, Hes. 28 vom König zu Tyrus. In Lk. 10 und ebenso Offb. 12 fällt der Satan vom Himmel, aber da ist er vorher nicht Engel, sondern schon Satan gewesen, und hatte ein eigenes Kontingent an Engeln unter sich. Das ist aber allegorische Auslegung und diese Texte müssen nicht in dieser Weise ausgelegt werden. Letztlich bleibt es biblisch unklar, woher genau Satan kommt.

An mehreren Stellen (Jes 14,12, Ez 28,14, Offb 12,7ff. und 19,20-20,10) berichtet die Bibel auch von einem „gefallenen“ Engel, der sich über Gott und den von ihm geschaffenen Menschen zu erheben versucht hat und dafür mit Verbannung aus dem Himmel bestraft wurde („Höllensturz“). Später wurde er als Luzifer (Lichtträger) bezeichnet und mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Im Buch Ijob (um 250-200 v. Chr.) erscheint Satan nicht als widergöttliche Macht, sondern als einer von ihnen (Hi. 1, 6) und schließt mit Gott die „satanische Wette“ um Ijobs Treue zu Gott (v. 11f).

Namen von Engeln

In der Bibel und in den Apokryphen lesen wir nur die Namen Gabriel, Michael und Rafael. In anderen religiösen Schriften finden sich eine Vielzahl von Eigennamen, die sowohl Engeln als auch Erzengeln zugeschrieben werden:

Afael Akibeel Anane Anael (Barakiel) Arazjal
Armers Asaziel (Azazel, Asael) Azkeel Azrael Bariel
Batraal Camael (Kamael) Danel Daniel Ertael
Gabriel Jomjael Lucifero (Luzifer) Metatron Michael
Ramuel Raphael Sabbataios (Schepteel) Samael Samsaveel
Samyaza Sarakujal Sedekiel (Salathiel) Tamiel Turel
Oriphiel Urakabarameel Uriel Zachariel Zavebe

Jüdisch-christliche Tradition

Viele Engellehren finden sich außerhalb der kanonischen Bibelschriften. Ein typischer Vertreter dieser im strengen Sinne nichtbiblischen Schriften sind die Chroniken des Henoch, die vermutlich im 3. Jahrhundert vor Christus entstanden sind, sich jedoch aus älteren Quellen speisen. In diesen Chroniken wird ausführlich über Engel, ihre Namen, ihre Aufgaben und ihre charakteristischen Eigenschaften berichtet. Henoch beschreibt in seinen Chroniken seine Reise in die zehn Himmel, wo er das Wirken der Engel sah und dokumentierte. Die Chroniken von Henoch wurden vom Kirchenvater Hieronymus im 4. Jahrhundert nach Christus zu Apokryphen erklärt und ihnen damit der Rang einer Heiligen Schrift aberkannt. Neueste Studien haben ergeben, dass viele Inhalte der Henoch-Texte sich im Neuen Testament wiederfinden.

Das Judentum kennt neben den in der Bibel genannten Erzengeln (Gabriel und Michael) auch noch Uriel, Raphael, Sariel und Jerahmeel, die sehr spät in der Entwicklung des Judentums auftreten.

Im Mittelalter sah Maimonides Engel in einem rationalistischen Weltbild als eine biblische Umschreibung der Naturkräfte, die Gott einsetze, um seinen Willen in der Welt umzusetzen.

Nach jüdischer Tradition wird jedem Engel eine bestimmte Botschaft zugeordnet.

Systematik und Hierarchie der Engel nach Dionysius Areopagita

Die Bibel erwähnt verschiedene Arten von Engeln, ohne sie in eine klar gegliederte Engelshierarchie einzuordnen: Seraphim, Cherubim, Erzengel, Thronoi, Herrschaften, Fürstentümer und Gewalten (siehe unter anderem: 1. Samuel 4,4; Jesaja 6,2; Epheserbrief 1,21; Kolosserbrief 1,16).

Dionysius Areopagita (auch Pseudo-Dionysios), teilt die Engel erstmals in drei Triaden ein:

1. Triade:

  • Seraphim sind vier- bzw. sechsflügelige Symbole des Lichts, der Glut des göttlichen Feuers (Ez. 1,5 f; Jes 6,1 ff) und stehen Gott am nächsten.
  • Cherubim sind Verbreiter der Erkenntnis, Ergießer der Weisheit, Beschützer des Gartens Eden (Gen 3,24), werden beim Bau der Stiftshütte (Ex 25,18 ff) sowie beim Bau des Tempels Salomo (1Kön 6,23 ff) u.a. erwähnt.
  • Thronoi (griechisch in etwa: „erhabene Gestalten“) sind die unterste Stufe der 1. Triade und bezeichnen das Erhabene. Die Septuaginta gebraucht den Begriff auch für die Seraphim, Paulus spricht im Kolosserbrief von Thronen (Kol 1,16).

2. Triade: (Kol 1,16 sowie Eph 1,21)

  • Herrschaften (Dominationes) sind Beherrscher der Engel.
  • Mächte (Virtutes) vollziehen unerschütterlich den Willen Gottes.
  • Gewalten (Potestates) verkörpern die unzerstörbare Harmonie.

3. Triade:

  • Fürstentümer (Principatus) verkörpern den himmlischen Führungscharakter.
  • Erzengel (göttliche Kohorte) fungieren vor allem als Verkünder göttlicher Offenbarung. Neben Gabriel, Michael und Raphael taucht Uriel nur in der Mosesapokalypse auf. Jakob kämpft mit Penuël (Gottesgesicht) in Gen 32,31.
Der Talmud kennt noch Samael, Sedekiel (verhindert die Opferung Isaaks), Anael (Barakiel) und Sabbataios (Schepteel). Damit ergibt sich mit Gabriel, Michael und Raphael eine Siebenereinheit wie bei Zarathustra, die sich leicht mit den Gestirnen identifizieren lassen.
  • Engel (Schutzengel) stehen auf der untersten Kategorie und stehen den Menschen am nächsten. Sie haben unterschiedliche Bezeichnungen wie „Schar“ (Ijob 19,12 und Ps 103,21), „Erscheinung“ (Dan 10,7) oder „Geist“ (Offb 1,4).

Dionysius‘ Engelshierarchie wurde unter anderem von Gregor dem Großen adaptiert und leicht abgewandelt. Die Ausdifferenzierungen der Hierarchie, wie sie Gregor vorstellte, war vor allem in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters von großer Bedeutung.

Dieser Form der Hierarchienlehre wurden im Lauf der Zeit immer wieder einzelne Elemente zugefügt. Beherrscht werden die Hierarchien in den verschiedenen Religionen vom jeweiligen Schöpfergott, so im Islam von Allah und im Christentum von der Trinität (Dreifaltigkeit).

Eine tiefergreifende Änderung erfuhr die Hierarchienlehre durch die Theosophie, die den jüdischen Schöpfergott JHWH in die 2. Triade stellte und als sogenannte 4. Triade die Reihenfolge Mensch, Tier, Pflanze, Stein angab.

Die Engellehre in der Anthroposophie

Laut der mittelalterlichen Lehre, an welche die Anthroposophie anknüpft, gibt es neun Hierarchien. Der Mensch soll einmal zur 10. Hierarchie werden, so jedenfalls Rudolf Steiner.

Es ergibt sich folgendes Schema:

Dreifaltigkeit Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist

1. dem Vater zugeordnet:

1.1. Seraphim
1.2. Cherubim
1.3. Throne

2. dem Sohne zugeordnet:

2.1. Kyriotetes (Weltenlenker)
2.2. Dynameis (Weltenkräfte)
2.3. Exusiai (Offenbarer) = hebräisch ELOHIM

3. dem Heiligen Geist zugeordnet:

3.1. Archai (Zeitgeister)
3.2. Archangeloi (Erzengel)
3.3. Angeloi (Engel, auch Schutzengel)

So jedenfalls stellt es Hans-Werner Schroeder in seinem Werk Mensch und Engel auf S. 151 (Fischer-Taschenbuchausgabe), dar.

Zuordnung der Engelhierarchien nach dem Lebensbaum der Kabbala

I Kether – Krone = Seraphim

II Chokmah – Weisheit = Cherubim

III Binah – Intelligenz = Throne

IV Chesed – Liebe = Kyriotetes

V Geburah – Strenge = Dynameis

VI Tiphereth – Schönheit = Exusiai

VII Nezach – Sieg = Archai

VIII Hod – Glanz = Erzengel

IX Jesod – Fundament = Engel

X Malkuth – Königreich = Mensch

Engelverehrung

Engelverehrung in der Bibel

Anbetung kommt nach Aussagen der Bibel den Engeln jedoch nicht zu (Kolosser 2,18; Offenbarung 19,10; 22,9), sondern es wird gelehrt, dass die Heiligen (alle Gläubigen) die Engel richten werden (1 Kor 6:3). Jesus lehrt, dass in der Auferstehung die Menschen bezüglich Heirat und Unsterblichkeit wie die Engel sein werden (z. B. Lukas 20:35-36). Paulus lehrt ausdrücklich den Übergang des irdischen in den unsterblichen Leib (1Kor 15:51). Flavius Josephus (Hades, VI) lehrt von auferstandenen Männern und Frauen. Während Sacharja 5,9 dahingehend interpretiert werden könnte, dass es auch weibliche Engel gibt, könnte 1. Kor 11,10 den Schluss zulassen, dass die männlichen Engel auch anfällig für die weiblichen Reize der irdischen Frauen im Gottesdienst seien.

Engelverehrung im Christentum früher und heute

Zu allen Zeiten des Christentums hatte der Engelglaube eine zentrale Bedeutung. Papst Benedikt XVI. sagte: „Die Engel sollten mindestens genauso verehrt werden wie Maria, denn ohne sie wäre vieles in der Bibel nicht möglich gewesen.“ Er nannte zwei Beispiele: „Die Flucht nach Ägypten, als der Engel Josef im Traum erschien und die Verkündigung der Engel, dass Jesus auferstanden sei, dies geschah am Ostermorgen.“ Allerdings spielen hier wie so oft auch konfessionelle Unterschiede eine Rolle. Während die Verehrung von Engeln im Katholizismus und der christlichen Orthodoxie immer positiv beurteilt wurde, standen die reformierten Kirchen dieser Form der Religiosität eher skeptisch bis ablehnend gegenüber. Anders die lutherischen Kirchen. Der Gedenktag des Erzengels Michael und aller Engel, gefeiert am 29. September, wird zumindest in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gottesdienstlich begangen. So finden sich in ihrem Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG) Engellieder, wie

  • Herr, Gott, dich loben alle wir (lat. „Dicimus grates tibi“ des lutherischen Theologen Philipp Melanchthon (1539) deutsch von Paul Eber 1561) (ELKG 115)
  • Heut singt die liebe Christenheit (Nikolaus Hermann 1560) (ELKG 116)
  • Gott, aller Schöpfung heilger Herr (Ernst Hofmann 1971) (ELKG 447)

Ebenso findet sich in der Evangelisch-Lutherischen Kirchenagende eine gesonderte Präfation zum Tag des Erzengels Michael und aller Engel.

Engel aus der Sicht mormonischer Kirchen

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage („Mormonen“) versteht unter „Engel“ einen Boten Gottes. Dies kann der Geist eines noch nicht geborenen oder schon verstorbenen aber noch nicht auferstandenen Menschen sein, ein Auferstandener, seltener aber auch ein Mensch während seines sterblichen Lebens.

Joseph Smith behauptete, ihm seien goldene Platten von einem Engel Moroni (außerhalb des mormonischen Glaubens nicht bekannt) übergeben worden, der in seinem Erdenleben ein Prophet gleichen Namens gewesen sei . Die Engel Johannes (der Täufer), Petrus, Jakobus und Johannes (die Apostel) und Elijah hätten das Priestertum wiederhergestellt.

Darüber hinaus werden auch bereits auferstandene Menschen, die zwar des celestialen Reiches würdig sind, jedoch nicht durch die ewige Ehe an einen Partner gebunden sind und somit nicht zu Göttern erhöht werden können, als Engel bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es, für alle Ewigkeit Gott, bzw. den Göttern, zu dienen.

Die Kirche Christi mit der Elias-Botschaft ist der Meinung, dass der auferstandene Johannes der Täufer von 1927 bis 1994 sowohl Otto Fetting als auch W. A. Draves als Engel erschien und als göttlicher Bote 117 Botschaften überbrachte, die als „Das Wort des Herrn“ herausgegeben werden.

Engel im Islam

Die Engel, arabisch الملائكةal-Mala’ika (einschließlich der Erzengel) sind nach islamischer Lehre keine verniedlichten Wesen, wie man sie aus europäischen Darstellungen kennt, sondern – ähnlich der biblischen Darstellung – gewaltige und mächtige unsichtbare Licht-Gestalten von teils gigantischen Ausmaßen, die ihre jeweiligen Aufgaben haben.

Die Engel sind im Islam die Boten, die den Propheten die Offenbarungen Allahs übermitteln (Sure 2:98-99). So ist beispielsweise dem Propheten Mohammed der Erzengel Gabriel erschienen und hat ihm den Koran übermittelt.

Der Koran erwähnt in besonderer Form vier Erzengel: Michael (Mikail), der Engel der Gerechtigkeit; Gabriel (Gibril), der als Übermittler der göttlichen Weisheit verehrt wird; Azrael, der der Todesengel ist; und Israfil, der der Engel des Jüngsten Gerichts ist.

In der Geschichte Mohammeds spielen Engel eine große Rolle. So berichtet der Mohammed Biograf Ibn Ishaq, dass in der Kindheit des Propheten zwei Engel erschienen, die die Brust des jungen Propheten öffneten, um daraus einen dunklen Fleck zu entfernen. Dadurch soll der Überlieferung nach alles Böse aus Mohammeds Seele entfernt worden sein.

Zu dem persönlichen Begleiter des Propheten Mohammed gehört der Erzengel Gabriel, der dem Propheten im Lauf dessen Lebens immer wieder erschien. So wird bei der Himmelfahrt des Propheten Mohammeds berichtet, dass in dieser besonderen Nacht der Erzengel Gabriel Mohammed weckte und ihm ein besonderes Pferd, den Burak, überreichte. Dieses Pferd soll Flügel gehabt haben. Auf diesem Pferd flog Mohammed in Begleitung des Erzengels Gabriel zur Al-Aqsa Moschee nach Jerusalem. Dort verrichtete der Prophet Mohammed zusammen mit all den Propheten und Gesandten Allahs von Adam bis Jesus das islamische Ritualgebet. Anschließend führte der Erzengel Gabriel den Propheten Mohammed durch die sieben Paradiese bis hin zu Allahs unmittelbarer Gegenwart.

Auch bei der Übermittlung der Suren des Koran erschien dem Propheten regelmäßig ein Engel, in der Regel wiederum der Erzengel Gabriel. Zeugen berichteten, dass parallel zu der Übermittlung der Suren die Erde zitterte, die Pferde sich sträubten und alle Menschen von einem unmittelbaren Glücksgefühl erfasst wurden. Zur damaligen Zeit kamen sogar extra Menschen angereist, um an diesen Wundern teilzuhaben, wenn dem Propheten wieder eine Sure übermittelt wurde.

Auch kriegerisch greifen der islamischen Überlieferung nach die Engel zugunsten der Menschen ein. Im Jahr 624 kam es zu der für die Geschichte des Islam entscheidenden Schlacht von Badr. In dieser Schlacht rückte ein gut ausgerüstetes und von der Mannschaftsstärke vielfach überlegenes mekkanisches Expeditionsheer aus, um vor Medina die Muslime unter der Führung des Propheten Mohammed zu vernichten. In dieser Schlacht sollen unter der Führung des Erzengels Gabriel ebenfalls Engel kriegerisch in den Kampf zugunsten der Muslime eingegriffen haben, weshalb das mekkanische Heer völlig aufgerieben wurde.

In späteren Jahren berichtete der Prophet Mohammed, dass ihm jedes Jahr der Erzengel Gabriel einmal in besonderer Form erschien, um mit ihm gemeinsam den bis dahin offenbarten Koran zu zitieren. Auch Mohammeds Begleiter sollen den Erzengel Gabriel gesehen haben. So berichtet der Mohammed Biograf Ibn Ishaq, dass am Ende seines Lebens Mohammed mit seinen Gefährten im Kreis saß, als ein schöner Mann die Runde betrat. Obwohl dieser Mann nicht die Kleidung eines Reisenden trug, kannte doch keiner der anwesenden Muslime diesen Fremden, der als mit einem strahlend weißen Gewand und strahlend schwarzen Haaren beschrieben wurde. Dieser Mann setzte sich vor anwesenden Zeugen dem Propheten Mohammed gegenüber, um ihm Fragen über den Islam zu stellen. Später berichtete Mohammed, dass dieser Mann der Erzengel Gabriel war.

Der Hadith sagt, dass Allah jeweils am 120. Tage nach der Zeugung einen Engel sendet, der dem ungeborenen Menschen den Odem Gottes einhaucht.

Ein zentrales Element des islamischen Glaubens ist, dass jeder Mensch hinter sich bei der linken und der rechten Schulter einen speziellen Schreiberengel hat, der alle guten, beziehungsweise bösen Taten der Menschen aufschreibt. Während der Engel zur rechten jede gute Tat sofort aufschreibt, wartet der Engel zur linken noch eine gewisse Zeit, um eine schlechte Tat aufzuschreiben. Der Islam lehrt, wenn der Mensch eine Tat vor Gott bereut und zum Ausgleich etwas Gutes tut, wie beispielsweise sich zu entschuldigen, einen Geldbetrag zu spenden, zu beten oder den Koran zu lesen, wird die schlechte Tat nicht aufgeschrieben.

Am Ende des Lebens erscheinen dann die beiden Engel und präsentieren alle guten, beziehungsweise schlechten Taten eines jeden Menschen. Überwiegen die schlechten Taten eines Menschen, so kommen die Menschen in die Hölle. Überwiegen aber die guten Taten, so treten die Gläubigen in das Paradies ein.

Das islamische Ritualgebet, dass praktizierende Muslime mindestens fünfmal täglich vollziehen, endet darum auch immer in der knieenden Position mit einer Kopfbewegung zur rechten und zur linken Schulter. Dabei grüßen die Gläubigen die beiden Schreiberengel.

Die Sufis, die islamischen Mystiker, lehren, dass die Engel in ununterbrochenen Gottgedenken mit ihrem Schöpfer Allah verbunden sind. Durch spezielle Gesänge (Dhikr) und Tänze gehen so die Sufis in einen engelhaften Zustand über, um Allah näher zu sein, aber auch, um heilerisch zu wirken.

New Age und Engel

Einige moderne spirituelle Bewegungen bezeichnen in ihren Glaubenssystemen auftretende Wesen oftmals auch als Engel, entwickeln allerdings ein von der traditionellen Bedeutung abweichendes Konzept. So wird von Esoterikern (und auch einigen Romanautoren) angegeben: Engel sind Lebewesen, die grundsätzlich von Menschen verschieden sind, da sie aus einem anderen Teil Gottes heraus geschaffen sind. Dadurch sind sie nicht in der Lage zu lügen, haben sich auch nicht so weit von der Liebe Gottes entfernt und stehen deshalb Gott näher als die meisten Menschen. In Demut und Freude vollziehen sie seinen Willen, können aber durch Gebete oder Gedanken um Hilfe gebeten werden.

In der Esoterik spielen Engel grundsätzlich eine sehr gewichtige Rolle.

Engel als Entwicklungsstufe der Seele

In der Mystik gibt es die Vorstellung, dass sich eine Seele über verschiedene Stufen von Steinen, Pflanzen und Tieren hin zum Menschen entwickelt. Nach dem Tod des menschlichen Körpers kann eine Seele die Stufe des Engels erreichen. Der sufische Mystiker Dschalal ad-Din Rumi beschreibt dies in seinem Gedicht Mathnawi:

Ich starb als Stein und sprosst’ als Pflanze auf
Ich starb als Pflanze und ward Tier darauf
Ich starb als Tier und bin zum Mensch geworden
Was grauet mir, hab’ durch den Tod ich je verloren?
Als Menschen rafft er mich von dieser Erde
Dass ich des Engels Fittich tragen werde
Als Engel noch ist meines bleibens nicht
Denn ewig bleibt nur Gottes Angesicht
Dort trägt mein Flug mich noch weit über Engelshort
Zu unermesslich hohem Ort
Dann ruf’ zu nichts mich, denn in mir klingt’s wie Harfenlieder
Dass zu Ihm wir kehren wieder

 

Rembrandts Engel (links oben) haben eine ganz eigene Flügelform, hier nähert sich ein Engel dem Abraham

 

Rembrandts Engel (links oben) haben eine ganz eigene Flügelform, hier nähert sich ein Engel dem Abraham

In der christlichen Mystik wird diese Vorstellung von Emanuel Swedenborg vertreten. In seinem späten Werk Die eheliche Liebe beschreibt er, dass aus der Seele eines Mannes und der Seele einer Frau durch die Ehe im Himmel ein geschlechtsloser Engel entsteht.

Kontakt zu Engeln

Auch in der Gegenwart berichten Menschen von Engelsbegegnungen, besonders nach Nahtod-Erfahrungen. Einige erzählen sogar von Dauerkontakten zu bestimmten „Geistwesen“, die sie in allen Lebenslagen beschützen, begleiten und beraten. Von evangelikaler Seite werden solche Berichte eher kritisch betrachtet – insbesondere dann, wenn Erkenntnisse aus Engelskontakten der wortwörtlichen Interpretation der Bibel zu widersprechen scheinen. Es wird dann von dämonischen Mächten gesprochen. Demgegenüber stehen im Allgemeinen römisch-katholische Christen und noch stärker die orthodoxen Christen solchen Berichten eher positiv gegenüber. So wird z.B. die Homepage des Vatikan http://www.vatican.va ‚Gabriel‘ genannt, wie der Erzengel der Verkündigung. Die Firewall zum Schutz vor Computer-Viren heißt „Michael“, wie der Wächter-Engel. Und das Intranet, das nur für die Angestellten zugänglich ist, trägt den Namen „Raphael“, der stets im Geheimen arbeitet. „Wir brauchen den Extra-Schutz der Erzengel einfach“, so Schwester Judith Zoebelein, Leiterin der Vatikan-Homepage.[1]

Engel in der Kunst (Auswahl)

Mittelalter

In den mittelalterlichen Darstellungen erscheinen Engel meist als achtungsgebietende männliche Gestalten.

Renaissance

Viele Künstler dieser Epoche entwickeln eigene Engelstypen, die sich signifikant unterscheiden. Im Laufe der Jahrhunderte wandeln sie sich dabei von Männer zu schönen Jünglingen oder Frauen. Engel kommen in dieser Epoche regelmäßig beim Bildmotiv Verkündigung im kirchlich-künstlerischen Kontext vor.

Barock

In dieser Phase werden aus Engeln an vielen Stellen auch „Engelchen“, zierende Putten mit der Anatomie von Kleinkindern.

20. Jahrhundert

In der weit verbreiteten Kunst von Helmuth Uhrig begegnen in über 300 seiner Kunstwerke verschiedenste Engel, durch die für diesen Künstler Gott selbst den Menschen begegnet. Bei Paul Klee spielen Engel ebenfalls eine wichtige Rolle, wobei in seinen Werken dabei eine humoristische Note nicht zu verkennen ist. Walter Benjamin gründete eine Zeitschrift mit dem Namen Angelus novus, deren Titel auf ein Bild Paul Klees zurückging.

Engel im Film (Auswahl)

Anime:

Literatur

  • Peter L. Berger: Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz. Herder, Freiburg 2001 ISBN 3451051931
  • Dorothea Dieckmann: Wie Engel erscheinen, Rotbuch Verlag, ISBN 3880228094
  • Malcolm Godwin: Engel – Eine bedrohte Art. Droemer Verlag, München 1995 ISBN 3861501015
  • Karsten Kenklies: Des Engels Erkenntnis: Der Engel im Lichte der Philosophie, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, Jg. 54, 2002, S. 270-76.
  • Alexa Kriele: Wie im Himmel so auf Erden. Christliche Engelkunde. Vier Bände. Christa Falk Verlag, Seeon. – Bd. 1: 2004 ISBN 3548741010, Bd. 2: 2005 ISBN 3895680605, Bd.3: 2000 ISBN 3895680788, Bd.4: 2001 ISBN 3895681016
  • Ulrich Mann, Horst Seebaß, Karl Erich Grözinger, Otto Böcher u.a.: Engel I. Religionsgeschichtlich II. Altes Testament III. Judentum IV. Neues Testament V. Kirchengeschichtlich VI. Dogmatisch VII. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 9 (1982), S. 580-615 (kulturgeschichtlicher und theologischer Überblick mit weiterer Lit.)
  • Andreas Schlieper: Himmlische Heerscharen – Eine kleine Geschichte der Engel. wjs-Verlag, Berlin, September 2006, ISBN 3-937989-24-2.
  • Hans-Werner Schroeder: Mensch und Engel. Die Wirklichkeit der Hierarchien. Fischer-TB.-Vlg.,Ffm 1990, ISBN 3596255228
  • Walter Simonis,Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-70375-1
  • Walter Simonis, Woher kommt das Böse?, …wenn Gott gut ist, Graz 1999, ISBN 3-222-12740-9
  • H. Vorgrimler/U. Bernauer/Th. Sternberg: Engel. Erfahrungen göttlicher Nähe. Herder, Freiburg 2000, ISBN 3451277344 (enthält viele Bilder)
  • Claire Llewellyn: Engel und Heilige. Verlag EDITION XXL 2003. ISBN 3-89736-706-8
  • Heinrich Krauss: Die Engel. Überlieferung, Gestalt, Deutung. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-44735-X.
  • Gerald Axelrod: … als lebten die Engel auf Erden – Gerald Axelrod UBooks-Verlag 2005, ISBN 3-86608-023-9 (Sachbuch mit vielen Fotografien von Friedhöfen und Kirchen)

Siehe auch

Wikiquote

Wikiquote: Engel – Zitate

Weblinks

Commons

Commons: Engel – Bilder, Videos und Audiodateien

Wiktionary

Wiktionary: Engel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Quellen

  1. heise.de: Vatikan im Web: Erzengel, E-Mails und eine Nonne als PC-Expertin

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Engel

 

Andere Sprachen

 

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Bibliografische Angaben für „Engel

 

 

 

 

Adventskalender 19. Dezember 2007

Dezember 18, 2007

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Gottfried Keller

 

Lebendig begraben

 

1.Wie poltert es! – Abscheuliches Geroll
Von Schutt und Erde, modernden Gebeinen!
Ich kann nicht lachen und kann auch nicht weinen,
Doch nimmt’s mich wunder, wie das enden soll!

 

Nun wird es still. – Sie trollen sich nach Haus
Und lassen mich hier sieben Fuss tief liegen:
Nun, Phantasie! lass deine Adler fliegen,
Hier schwingen sie wohl nimmer mich hinaus!

 

Das ist jetzt eine wunderliche Zeit!
Im dunkeln Grab kein Regen und kein Rühren,
Indes der Geist als Holzwurm mag spazieren
Im Tannenholz – ist das die Ewigkeit?

 

Die Menschen sind ein lügnerisch Geschlecht
Und haben in das Grab hineingelogen,
Den ernsten Moder schnöd mit mir betrogen –
Weh, dass die Lüge an sich selbst sich rächt!

 

Die Lügner gehn von hinnen ungestraft,
Ach, aber ich, die Lüge, muss bekleiben,
Dass sich der Tod ergrimmt an mir kann reiben,
In Tropfen trinkend meines Lebens Kraft!

 

2.

 

Da lieg‘ ich denn, ohnmächtiger Geselle,
Ins Loch geworfen, wie ein Strassenheld,
Ein lärmender, von der Empörung Welle;
Ein blinder Maulwurf im zerwühlten Feld!!

 

Wohlan, ich will, was kommen soll, erwarten,
Es ist am End‘ ein friedlich Wohnen hier;
Ich fühle nicht die Glieder, die erstarrten,
Doch heiter glimmt die stille Seele mir!

 

Hätt‘ ich nun einen ewigen Gedanken,
An dem man endlos sich erproben mag,
So möcht‘ ich liegen in den engen Schranken,
Behaglich sinnend bis zum jüngsten Tag.

 

Vielleicht, wer weiss, wüchs‘ er zu solcher Grösse,
Dass er, in Kraft sich wandelnd, ein Vulkan,
Im Flammenausbruch dieses Grab erschlösse,
Vorleuchtend mir auf neuer Lebensbahn!

 

Wie wundersam, wenn über meinem Haupte
Der Abendtau die matten Blumen kühlt,
Ob wohl lustwandelnd dann der Pfarrherr glaubte,
Dass unter ihm ein Wetterleuchten spielt?

 

Dass glänzend in des eignen Lichtes Strahlen
Hier unten eine Menschenseele denkt?
Vielleicht sind dieses der Verdammung Qualen:
Geheim zu leuchten, ewiglich versenkt!

 

3.

 

Ha! was ist das? Die Sehnen zucken wieder,
Wie Frühlingsbronn quillt neu erweckt das Blut!
Es dehnen sich die aufgetauten Glieder,
Und in der Brust schwillt junger Lebensmut!

 

Nun ist’s geschehn, nun bricht herein der Jammer
Die Späne knirschen unter dem Genick,
Ich messe tastend meine Totenkammer
Und messe aus mein grausiges Geschick!

 

Halt ein, o Wahnsinn! denn noch bin ich Meister
Und bleib‘ es bis zum letzten Odemzug!
So scharet euch, ihr armen Lebensgeister,
Treu um das Banner, das ich ehrlich trug!

 

So öffnet euch, krampfhaft geballte Fäuste,
Und faltet euch ergeben auf der Brust!
Wenn zehnfach mir die Qual das Herz umkreiste,
Fest will ich bleiben, meiner selbst bewusst!

 

Von Erdenduldern ein verlorner Posten,
Will ich hier streiten an der Hölle Tor;
Den herbsten Kelch des Leidens will ich kosten,
Halt mir das Glas, o Seelentrost Humor!

 

4.

 

Läg‘ ich, wo es Hyänen gibt, im Sand,
Wie wollt‘ ich hoffnungsvoll die Nacht erharren
Bis hungrig eine käme hergerannt,
Mich heulend aus der lockern Gruft zu scharren!

 

Wie wollt‘ ich freudig mit dem gier’gen Tier
Dann um mein Leben, unermüdlich, ringen!
Im Sande balgt‘ ich mich herum mit ihr,
Und weiss gewiss, ich würde sie bezwingen.

 

Und auf den Rücken schwäng‘ die Bestie ich
Und spräng‘ im Leichentuch, wie neugeboren,
Und singend heimwärts und schlüg‘ wonniglich
Dem Arzt den Leichengräber um die Ohren!

 

5.

 

Horch! Stimmen und Geschrei, doch kaum zu hören;
Dumpf und verworren tönt es, wie von ferne,
Und ich erkenne, die allnächtlich stören
Der Toten Schlaf, den stillen Gang der Sterne:

 

Der trunkne Küster, aus der Schenke ‚kommen
Setzt sich noch in den Mondschein vor dem Hause,
Kräht einen Psalm; doch kaum hat sie’s vernommen,
So stürzt sein Weib hervor, dass sie ihn zause,

 

Heisst ihn hineingehn und beschilt ihn grimmig,
Hell kräht und unverdrossen der Geselle;
So mischen sich geübt und doppelstimmig
Ihr Katzmiaulen und sein Mondsgebelle.

 

Sie muss ganz nah sein, da ich es kann hören,
Die überkommne alte Pfründerhöhle;
Lass sehn, ob das Gesindel ist zu stören:
Schrei, was du kannst, o du vergrabne Seele!

 

Die Tür schlägt zu – der Lärm hat sich verloren,
Es hülfe nichts, wenn ich zu Tod mich riefe!
Sie stopfen furchtsam ihre breiten Ohren
Vor jedem Ruf des Lebens aus der Tiefe.

 

6.

 

Als endlich sie den Sarg hier abgesetzt,
Den Deckel hoben noch zu guter letzt,
In jenem Augenblick hab‘ ich gesehn,
Wie just die Sonne schied im Untergehn.

 

Beleuchtet von dem abendroten Strahl
Sah ich all die Gesichter noch einmal,
Den Turmknopf oben in der goldnen Ruh –
Es war ein Blitz, sie schlossen wieder zu.

 

Ich sah auch zwischen Auf und Niederschlag,
Wie Märzenschnee rings auf den Gräbern lag;
Das Wetter muss seither gebrochen sein,
Denn feucht dringt es in diesen leichten Schrein.

 

Ich hör‘ ein Knistern, wie wenn sacht und leis
Sich Schollen lösen von des Winters Eis;
Ich ärmster Lenzfreund bin ja auch erwacht
Und kann nicht regen mich in dunkler Nacht!

 

Wie jeglich Samenkorn sich mächtig dehnt,
Der junge Halm ans warme Licht sich sehnt,
So reck‘ ich den gefangnen, meinen Leib,
Doch ist’s ein fruchtlos grimmer Zeitvertreib!

 

Hört man nicht klopfen laut da obenwärts
Hier mein zum Blühen so bereites Herz?
Sie wissen nicht, wie es da unten tut,
Und keine Wünschelrute zeigt dies Blut!

 

Käm‘ auch geschlichen so von ungefähr
Ein alter Schatz und Quellengräber her,
Sein Stäblein, nur auf Geld und Gut gericht‘,
Es spürt‘ das warme rote Brünnlein nicht.

 

7.

 

Horch – endlich zittert es durch meine Bretter!
Was für ein zauberhaft metallner Klang,
Was ist das für ein unterirdisch Wetter,
Das mir erschütternd in die Ohren drang?

 

Jach unterbrach es meine bangen Klagen,
Ich lauschte zählend, still, fast hoffnungsvoll:
Elf – zwölf – wahrhaftig, es hat zwölf geschlagen,
Das war die Turmuhr, die so dröhnend scholl!

 

Es ist die grosse Glock‘, das Kind der Lüfte,
Das klingt ins tiefste Fundament herab,
Bahnt sich den Weg durch Mauern und durch Grüfte
Und singt sein Lied in mein verlassnes Grab.

 

Gewiss sind jetzt die Dächer warm beschienen
Vom sonnigen Lenz, vom lichten Ätherblau!
Nun kräuselt sich der Rauch aus den Kaminen,
Die Leute lockend von der grünen Au.

 

Was höhnst du mich, du Glockenlied, im Grabe,
Du Rufer in des Herrgotts Speisesaal!
Mahnst ungebeten, dass ich Hunger habe
Und nicht kann hin zum ärmlich stillen Mahl?

 

8.

 

Da hab‘ ich gar die Rose aufgegessen,
Die sie mir in die starre Hand gegeben!
Dass ich noch einmal würde Rosen essen,
Hätt‘ nimmer ich geglaubt in meinem Leben!

 

Ich möcht‘ nur wissen, ob es eine rote,
Ob eine weisse Rose das gewesen?
Gib täglich uns, o Herr! von deinem Brote,
Und wenn du willst, erlös‘ uns von dem Bösen!

 

9.

 

Zwölf hat’s geschlagen – warum denn Mittag?
Vielleicht der Mitternacht ja galt der Schlag,
Dass oben nun des Himmels Sterne gehn,
Ich weiss es nicht und kann es ja nicht sehn!

 

Ha, Mitternacht! Ein heller Hoffnungsstrahl!
Der nächtlich wohl schon manches Grab bestahl,
Der Totengräber schleicht vielleicht herbei
Und macht erschrocken mich Lebend’gen frei!

 

Doch was für Kleinod sollt‘ er suchen hier?
Er weiss zu gut, er findet nichts bei mir!
Ein golden Ringlein nun erlöste mich,
Jedoch umsonst ist nur der Tod für dich.

 

10.

 

Ja, hätt‘ ich ein verlassnes Liebchen nun,
Das vor dem Morgenrot zu klagen käme,
Auf meinem frischen Pfühle auszuruhn
Und meinen Ruf mit süssem Graun vernähme!

 

Warum hab‘ ich der Einen nicht gesagt,
Dass junge Liebe mir im Herzen sprosse?
Ich zauderte und hab‘ es nicht gewagt –
Die Krankheit kam und diese tolle Posse!

 

Wenn einsam sie vielleicht und ungeliebt,
Nachdenklich manchmal ihre Augen senkt,
O wüsste sie dann, dass ein Herz es gibt,
Das, unterm Rasen schlagend, an sie denkt!

 

11.

 

Wie herrlich wär’s, zerschnittner Tannenbaum,
Du ragtest als ein schlanker Mast empor,
Bewimpelt, in den blauen Himmelsraum,
Vor einem sonnig heitern Hafentor!

 

Da, müssen wir einmal beisammen sein,
Lehnt‘ ich an dir im schwanken Segelhaus;
Du aus dem Schwarzwald, drüben ich vom Rhein,
Kamraden, reisten wir aufs Meer hinaus.

 

Und bräch‘ das Schiff zu Splittern auseinand‘,
Geborsten du und über Bord gefällt,
Umfasst‘ ich dich mit eisenfester Hand,
So schwämmen beide wir ans End‘ der Welt.

 

Am besten wär’s, du ständest hoch und frei
Im Tannenwald, das Haupt voll Vogelsang,
Ich aber schlenderte an dir vorbei,
Wohin ich wollt‘, den grünen Berg entlang!

 

12.

 

Der erste Tannenbaum, den ich gesehn,
Das war ein Weihnachtsbaum im Kerzenschimmer;
Noch seh‘ ich lieblich glimmend vor mir stehn
Das grüne Wunder im erhellten Zimmer.

 

Da war ich täglich mit dem frühsten wach,
Den Zweigen gläubig ihren Schmuck zu rauben;
Doch als die letzte süsse Frucht ich brach,
Ging es zugleich an meinen Wunderglauben.

 

Dann aber, als im Lenz zum erstenmal
In einen Nadelwald ich mich verirrte,
Mich durch die hohen stillen Säulen stahl,
Bis sich der Hain zu jungem Schlag entwirrte:

 

O Freudigkeit! wie ich da ungesehn
In einem Forst von Weihnachtsbäumchen spielte,
Dicht um mein Haar ihr zartes Wipfelwehn,
Das überragend mir den Scheitel kühlte.

 

Ein kleiner Riese in dem kleinen Tann,
Sah ich vergnügt, wo Weihnachtsbäume spriessen.
Ich packte keck ein winzig Tännlein an
Und bog es mächtig ringend mir zu Füssen.

 

Und über mir war nichts als blauer Raum;
Doch als ich mich dicht an die Erde schmiegte,
Sah unten ich durch dünner Stämmchen Saum,
Wie Land und See im Silberduft sich wiegte.

 

Wie ich so lag, da rauscht‘ und stob’s herbei,
Dass mir der Lufthauch durch die Locken sauste,
Und aus der Höh‘ schoss senkrecht her der Weih,
Dass seiner Schwingen Schlag im Ohr mir brauste.

 

Als schwebend er nah ob dem Haupt mir stand,
Funkelt‘ sein Aug‘ gleich dunkeln Edelsteinen;
Zu äusserst an der Flügel dünnem Rand
Sah ich die Sonne durch die Kiele scheinen.

 

Auf meinem Angesicht sein Schatten ruht‘
Und liess die glühen Wangen mir erkalten –
Ob welchem Inderfürst von heissem Blut
Ward solch ein Sonnenschirm emporgehalten?

 

Wie ich so lag, erschaut‘ ich plötzlich nah,
Wie eine Eidechs mit neugier’gem Blicke
Vom nächsten Zweig ins Aug‘ mir niedersah,
Wie in die Flut ein Kind auf schwanker Brücke.

 

Nie hab‘ ich mehr solch guten Blick gesehn
Und so lebendig ruhig, fein und glühend;
Hellgrün war sie, ich sah den Odem gehn
In zarter Brust, blass wie ein Röschen blühend.

 

Ob sie mein blaues Auge niederzog?
Sie liess vom Zweig sich auf die Stirn mir nieder,
Schritt abwärts, bis sie um den Hals mir bog,
Ein fein Geschmeide, ruhend ihre Glieder.

 

Ich hielt mich reglos und mit lindem Druck
Fühlt‘ ich den leisen Puls am Halse schlagen;
Das war der einzige und schönste Schmuck,
Den ich in meinem Leben je getragen!

 

Damals war ich ein kleiner Pantheist
Und ruhte selig in den jungen Bäumen;
Doch nimmer ahnte mir zu jener Frist,
Dass in den Stämmchen solche Bretter keimen!

 

13.

 

Der schönste Tannenbaum, den ich gesehn,
Das war ein Freiheitsbaum von sechzig Ellen,
Am Schützenfest, im Wipfel Purpurwehn,
Aus seinem Stamme flossen klare Wellen.

 

Vier Röhren gossen den lebend’gen Quell
In die granitgehaune runde Schale;
Die braunen Schützen drängten sich zur Stell‘
Und schwenkten ihre silbernen Pokale.

 

Unübersehbar schwoll die Menschenflut,
Von allen Enden schallten Männerchöre;
Vom Himmelszelt floss Julisonnenglut,
Erglühnd ob meines Vaterlandes Ehre.

 

Dicht im Gedräng, dort an des Beckens Rand
Sang laut ich mit, ein fünfzehnjähr’ger Junge;
Mir gegenüber an dem Brunnen stand
Ein zierlich Mädchen von roman’scher Zunge.

 

Sie kam aus der Grisonen letztem Tal,
Trug Alpenrosen in den schwarzen Flechten
Und füllte ihres Vaters Siegpokal,
Drin schien ihr Aug‘ gleich Sommersternennächten.

 

Sie liess in kindlich unbefangner Ruh
Vom hellen Quell den Becher überfliessen,
Sah drin dem Widerspiel der Sonne zu,
Bis ihr gefiel, den vollen auszugiessen.

 

Dann mich gewahrend, warf sie wohlgemut
Aus ihrem Haar ein Röslein in den Bronnen,
Erregt‘ im Wasser eine Wellenflut,
Bis ich erfreut den Blumengruss gewonnen.

 

Ich fühlte da die junge Freiheitslust,
Des Vaterlandes Lieb‘ im Herzen keimen;
Es wogt‘ und rauscht‘ in meiner Knabenbrust
Wie Frühlingssturm in hohen Tannenbäumen.

 

14.

 

Und wieder schlägt’s – ein Viertel erst und Zwölfe!
Ein Viertelstündchen erst, dass Gott mir helfe,
Verging, seit ich mich wieder regen kann!
Ich träumte, dass schon mancher Tag verrann!

 

Doch bin ich frei, das Weh hat sich gewendet,
Der seine Strahlen durch das Weltall sendet,
Er löst auch Zeit und Raum in diesem Schrein –
Ich bin allein und dennoch nicht allein!

 

Getrennt bin ich von meinem herben Leiden,
Und wie ein Meer, von dem ich mich will scheiden,
Lass‘ brausen ich mein siedend heisses Blut
Und steh‘ am Ufer als ein Mann von Mut.

 

So toset nur, ihr ungetreuen Wogen,
Lange genug bin ich mit euch gezogen!
Ich übersing‘ euch, wie ein Ferg‘ am Strand,
Und tausch‘ euch an ein gutes Heimatland!

 

Schon seh‘ ich schimmernd fliessen Zeit in Zeiten,
Verlieren sich in unbegrenzte Weiten
Gefilde, Bergeshöhen, Wolkenflug:
Die Ewigkeit in einem Atemzug!

 

Der letzte Hauch ein wallend Meer von Leben,
Wo fliehend die Gedanken mir entschweben!
Fahr hin, o Selbst! vergängliches Idol,
Wer du auch bist, leb‘ wohl du, fahre wohl!

 

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Trudi Gerster

Der krumme Tannenbaum

Tief im Wald stand ein kleiner krummer Tannenbaum. Eines schönen Tages neigte sich eine Eiche zu ihm hinunter und raunte ihm zu: «He, Kleiner, du bist ja ganz krumm.» Da betrachtete sich der Tannenbaum zum ersten Mal von oben bis unten und merkte, dass er anders war als alle anderen Tannen. Er war ganz schief und zu allem Unglück hatte er auf einer Seite fast keine Äste.

Da wurde er ganz traurig. Dicke harzige Tränen flossen an seinem Stamm hinunter, und als das Eichhörnchen kam, um ein wenig auf ihm herumzuklettern, blieb es überall kleben. «Warum weinst du?», fragte das Eichhörnchen. «Du bist ja ganz klebrig!» «Ich schäme mich so, weil ich schief bin und fast keine Äste habe!» Das Eichhörnchen dachte nach. Auf einmal fiel ihm etwas ein: «Birkenwasser!» Es hopste davon und als es bald darauf zurückkam, Maul und Pfötchen voller Birkenblätter, fing es an, die nackten Stellen des Tannenbaums einzureiben. «Was machst du da?» fragte dieser ganz erstaunt. «Ach weisst du, mir ist etwas über die Menschen eingefallen. Das sind die, die immer so steif auf den Hinterbeinen herumstolzieren. Diesen armen Tieren ist fast das ganze Fell ausgefallen. Damit sie den Rest nun nicht auch noch verlieren, reiben sie den Kopf mit Birkensaft ein. Wenn es keine Birken gäbe, hätten die Zweibeiner überhaupt keine Haare mehr. Und was für Haare gut ist, könnte auch für die Äste gut sein. Doch das Einreiben brachte keinen Erfolg, es wollten einfach keine neuen Äste wachsen. Der Tannenbaum wurde noch unglücklicher. Er liess seine Äste hängen und hatte an nichts mehr Freude.

Eines schönen Tages, es war kurz vor Weihnachten, kam ein Spatz aufgeregt angezwitschert: «Tschiep, tschiep, ich weiss etwas. Sie haben dieses Jahr zu wenig Weihnachtsbäume. Morgen kommen die Holzhacker. Vielleicht nehmen sie dich mit und du wirst ein prächtiger Weihnachtsbaum!» «Kann man auch Weihnachtsbaum werden, wenn man so krumm ist wie ich?», fragte der Tannenbaum. «Natürlich! Schiefe Bäume sind sogar sehr beliebt, weil sie etwas Besonderes sind.» Da freute sich der Tannenbaum und als die Holzfäller in den Wald kamen hätte er am liebsten gerufen:«Nehmt mich, nehmt mich!». Aber leider verstehen ja die wenigsten Menschen die Sprache der Pflanzen und Tiere. Da die Männer aber zu wenig schöne Tannenbäume fanden, nahmen sie alle Bäume mit, auch den krummen Tannenbaum.

Doch niemand wollte den krummen Tannenbaum kaufen. Jeder, der ihn anschaute, schüttelte den Kopf und stellte ihn wieder an seinen Platz. Verlassen und todtraurig stand er da. Plötzlich stand ein kleiner Junge vor dem Weihnachtsbaumverkäufer. «Hätten Sie vielleicht noch ein paar Äste übrig?», fragte er schüchtern. «Nein, Äste nicht, aber ein Weihnachtsbäumchen. Möchtest du es nehmen?» «Ja, ich möchte schon, aber ich habe kein Geld. Mein Vater hat keine Arbeitund meine Mutter hat gesagt, für uns sei ein Weihnachtsbaum zu teuer!» Der Christbaumverkäufer schaute den Buben an. «Nimm es mit, ich schenke es dir! Und hier hast du noch zwei Franken, um Weihnachtskerzen zu kaufen. Fröhliche Weihnachten!» «Danke, danke!» stotterte der Bub. Er trug das Bäumchen auf dem Arm wie ein kleines Mädchen seine liebste Puppe. Hanspeter – so hiess der Bub – kaufte farbige Kerzen, schlich verstohlen in den Keller und sägte so lange am Bäumchen herum, bis es beinahe aufrecht stand. Dann setzte er es in einen Blumentopf, ging heimlich in die Wohnstube und stellte es so in eine Ecke, dass man nur die schöne Seite sah. Hanspeters Mutter sass in der Küche. Das Herz war ihr schwer. Auch seine kleine Schwester Katrin hatte ganz traurige Augen und fragte immer wieder: «Mutter, warum bekommen wir keinen Weihnachtsbaum? Wir sind doch brav gewesen, der Hanspeter und ich.» In diesem Augenblick hörte man einen feinen Ton, wie von einem Weihnachtsglöckchen. Die Stubentüre ging auf – und da stand er, ein strahlender, herrlicher Weihnachtsbaum!

Die armen Leute pflegten ihr Bäumchen noch wochenlang. Als es schon fast keine Nadeln mehr hatte, schnitzte Hanspeter sich aus dem Stamm ein kleines Schiff und eine lustige Puppe für seine Schwester. So hatte der kleine, krumme Tannenbaum ein längeres und schöneres Leben als seine prächtigen Kumpanen.

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Tannen

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen werden unter Tannen (Begriffsklärung) aufgeführt.
Tannen

 

 

Weißtanne (Abies alba), Illustration aus Koehler 1887.

 

Weißtanne (Abies alba), Illustration aus Koehler 1887.

Systematik
Abteilung: Nadelholzgewächse (Pinophyta)
Klasse: Pinopsida
Ordnung: Kiefernartige (Pinales)
Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)
Unterfamilie: Abietoideae
Gattung: Tannen
Wissenschaftlicher Name
Abies
Mill.

Die Tannen (Abies) bilden eine Gattung von Nadelbäumen in der Familie der Kieferngewächse (Pinaceae). Es gibt etwa 51 Arten von Tannen, die alle in der gemäßigten Zone der Nordhalbkugel der Erde vorkommen. Nach den Kiefern (Pinus) sind sie die am weitesten verbreitete und artenreichste Gattung in der Familie der Kieferngewächse. In Mitteleuropa ist die Weißtanne (Abies alba) heimisch.

Inhaltsverzeichnis


//

Beschreibung

 

Tannenzapfen, abgefallene Schuppen und geflügelte Samen.

 

Tannenzapfen, abgefallene Schuppen und geflügelte Samen.

Alle Tannen-Arten sind immergrüne tiefwurzelnde Bäume. Die nadelförmigen Blätter sind flach und leicht biegsam und tragen auf der Unterseite oft zwei helle Streifen. Die Nadeln werden 8 bis 11 Jahre alt. Mit ihrem verbreiterten Fuß sitzen sie unmittelbar auf den Ästen (siehe Bild). Sie unterscheiden sich dadurch z. B. von Fichten. Tannen sind einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch), es gibt weibliche und männliche Zapfen an einer Pflanze. Die Zapfen stehen immer aufrecht am Zweig (im Gegensatz zu den hängenden und als Ganzes herabfallenden Fichten-Zapfen). Die Achse (Spindel) des Zapfens verbleibt am Baum, während die Schuppen einzeln abfallen. Folglich können auch keine herabgefallenen Tannenzapfen gesammelt werden. Die geflügelten Samen reifen im Zapfen. Keimpflanzen haben vier bis zehn Keimblätter (Kotyledonen).

Manche Arten bleiben mit einer Wuchshöhe von 20 Metern relativ klein, andere erreichen fast 100 Meter Höhe.

 

Tannennadeln wachsen unmittelbar auf dem Ast.

 

Tannennadeln wachsen unmittelbar auf dem Ast.

 

Abies fraseri, geflügelte Samen.

 

Abies fraseri, geflügelte Samen.

Verbreitung der Gattung Abies

 

Verbreitung von Abies in Eurasien

 

Verbreitung von Abies in Eurasien

 

Verbreitung von Abies in Amerika

 

Verbreitung von Abies in Amerika

Tannen gehören zusammen mit den Zedern (Cedrus) zur Unterfamilie Abietoideae und bilden mit fünf Teilarealen eine holarktisch zirkumpolare Sippe (west-euroasiatisch, sibirisch-ostasiatisch, himalayisch-südost-asiatisch, boreo-kanadisch, westpazifisch). Geschlossen (temperat)-boreal/kontinental bilden Balsam-Tanne (A. balsamea) und Sibirische Tanne (A. sibirica) einen wesentlichen Teil der borealen Nadelwälder Sibiriens und Kanadas, ohne hochkontinentale Bereiche in Nähe der Wald- und Baumgrenze zu besiedeln. Östliche Vorposten dieses Arealtyps finden sich disjunkt im pazifischen Ostsibirien, dem Gebirge Sichote-Alin, der Mandschurei und Hokkaidō. Neben temperat-borealen sind kontinentale Arten in meridional-submeridionalen Florenzonen anzufinden (mexikanische und südwestchinesische Arten, A. lasiocarpa in den Rocky Mountains).

Formenreich sind die Tannen in montanen, subalpinen und oromediterranen Stufen temperater, submeridionaler und meridionaler Zonen, (sub)ozeanischer Gebirge (A. spectabilis und A. densa im „cloud belt“ des perhumiden Ost-Himalayas, A. squamata in China noch in 4000 bis 4.500 m ü. NN). Altweltlich sind die Tannen gewöhnlich mit Zedern und Kiefern vergesellschaftet; in den Subtropen kommen auch Reinbestände vor. In baumartenarmen gemäßigten Breiten Europas kommen unter den Nadelholzgewächsen nur Kiefern- und Fichten-Arten zusammen mit Tannen vor. Die temperat-submeridional, (sub)ozeanisch bis subkontinental verbreitete Weißtanne fällt in Nordeuropa aus. In den Pazifischen Gebirgen Nordamerikas sowie Hindukush-Himalaja, Huangshan, den japanischen Inseln und Taiwan kommen Douglasien (Pseudotsuga), Schierlingstannen (Tsuga) und Fichten (Picea) mit Tannen vor.

Gebiete mit vielen Tannen-Arten sind der Südwesten der Volksrepublik Chinas bis zum Himalaya sowie Bergregionen im westlichen Mexiko und Mittelamerika. Tannen dieser Regionen befinden sich oft in isolierten Rückzugsgebieten in Gebirgen, wo ausreichend Feuchtigkeit und moderate Temperaturen vorherrschen. Absolutes Entwicklungszentrum ist hier die sino-himalyische Region mit siebzehn Arten, herausragend der Huang Shan in Südwestchina. Weitere Diversitätszentren der Gattung liegen in den pazifischen Kordilleren und dem Mediterrangebiet.

Im temperat-(sub)meridional mediterranen Verbreitungsschwerpunkt besiedeln Tannen (sub)ozeanische Gebirge. Mediterrane Tannen sind typisch pleistozäne Reliktendemiten und bilden eine taxonomische Einheit, die sich von amerikanischen und asiatischen unterscheidet. Sie sind intergenetisch den Reihen Septentionales und Meridionales (Sektion Abies und Piceaster) beizuordnen. Erstere enthält Abies alba, A. nebrodensis, A. cephalonica, A. nordmanniana und A. cilicica, letztere A. pinsapo und A. numidica. Die Fragmentierung der mediterranen Populationen ist ursächlich auf die Klimageschichte rückzuführen. Standortökologisch differenzieren sich mediterrane Tannen über den Zedern- und Buchenkomplex. In Gesellschaft der Buchen (Fagus) treten A. alba, A. nebrodensis und A. nordmanniana s.l. auf. Mit Zedern (Cedrus) sind A. pinsapo s.l., A. numidica und A. cilicica vergesellschaftet. A. cephalonica tritt nur rein auf. Eine Reihe von Tannenarten wie die Nebrodi-Tanne (A. nebrodensis) oder die Numidische Tanne (A. numidica) sind in ihrem natürlichen Lebensraum akut vom Aussterben bedroht.

Europäische Tannen-Arten

 

Verbreitung europäischer Tannen

 

Verbreitung europäischer Tannen

Sieben Tannen-Arten sind auf den mediterranen Raum beschränkt. Durch das Fehlen gemeinsamer waldprägender Baum-Arten ist die ausgeprägte Isolation mediterraner Bergwälder hinreichend belegt. Darauf weisen insbesondere auch die Tannen und deren Gesellschaften, die sich in südwest-, zentral- und südostmediterrane differenzieren.
Eng verwandt sind A. pinsapo und A. marocana sowie Abies alba und A. nebrodensis. Hybride sind A. borisii-regis (A. alba × cephalonica) und A. equi-trojani (A. bornmuelleriana × borisii-regis). Vegetationskundlich differenzieren sich Tannen in Kleinasien und Südosteuropa stärker. In balkanischen Tannenwäldern geht die verwandtschaftliche Linie von Abies alba über A. borisii-regis zu A. cephalonica. Überwiegend in mittleren Lagen, den montanen und oromediterranen Stufen verbreitet meidet A. alba schneereiche Lagen der Kampfzone des Waldes. Schädigung durch Schneelast sowie Konkurrenz dürfte hier Hindernis der Etablierung sein. Mediterrane Tannen sind nach Schädigung besser ausschlagfähig, an die Waldgrenze reichen A. cilicica wie A. cephalonica. Tieflagenvorkommen sind in nördlichsten Lagen von A. alba und A. nordmanniana anzutreffen. Buchen und Zedern grenzen mitteleuropäisch montane und oromediterrane Waldtypen ein und sind mit klimatischen Kennwerten korrelierbar. Sporadisch finden sich Buchenwaldarten auch im Areal von Abies pinsapo, A. marocana, reliktisch selbst bei A. numidica. A. cephalonica– und A. cilicica-Wälder haben mit Fagion-Gesellschaften keine Verwandtschaft mehr. Die einzelnen Arten zeichnen den Übergang zwischen subkontinentalen-(sub)ozeanischen, zu mediterranen semiariden Klima nach. Die klimaökologische Zwischenstellung von A. cephalonica und A. pinsapo s.s., ist durch das Fehlen von Buchen und Zedern in beiden Arealteilen unterstrichen. Sie bauen auch weitgehend geschlossene, nahezu reine Bestände, meist plenterartiger Struktur auf. Die Tannen-Areale lassen sich weniger nach dem Jahresniederschlag als vielmehr nach mäßig trockener, frischer und feuchterer Vegetationszeit gliedern. Dabei erhöht sich von Norden nach Süden mit Abnahme des Niederschlages die Vegetationszeitwärme. A. pinsapo, A. numidica sowie A. nebrodensis sind in ihrem natürlichen Habitat gefährdet. Größere Flächen werden von A. cilicica, A. cephalonica, A. alba und A. nordmanniana eingenommen.

 

Ökologische Einnischung europäischer und mediterraner Tannen

 

Ökologische Einnischung europäischer und mediterraner Tannen

A. cilicica ist im zentralen und östlichen Taurus ohne Westtaurus beheimatet und reicht in relativ geschlossener Verbreitung nach Nordsyrien und Libanon. Hier wie auch bei A. cephalonica werden überwiegend gebankte Kalke mit spaltengründigen entwickelten Kalkstein-(Rotlehmböden) bestockt. Am meernäherem Abfall der Gebirge ist die mediterrane Stufenfolge ausgebildet. Durch Besiedlung initialer Kalkrohböden hat sie den Charakter einer gewissen Pionierart mit der, für ausgeprägte Trockentannen, bescheidenen Wuchsleistung (5-10m(12m). Die in der südwestlichen Mediterraneis vorkommenden Igeltanne (A. pinsapo s.l.) ist auf kleinflächige Restvorkommen der feuchtesten Gebirgsgebiete begrenzt (Sierra Nevada 50 Hektar, Babor-Massiv- Algerien 1000 Hektar, Rif Atlas-Marokko 15.000 Hektar). Ausgezeichnet sind die Wuchsleistungen im größten Teilareal mit bemerkenswerten 50 Meter hohen Einzelbäumen . Die mesophile A. pinsapo erreicht bei gleichem geologischen Substrat (Kalkstein) viel bessere Wuchsleistungen als A. cilicica. Voraussetzung für das physiologische Optimum mediterraner Tannen sind reichliche Niederschläge, tiefgründige, spalten-gängige, feinerdereiche, vorratsfrische Böden und schattseitige Lagen. Die nordanatolisch-kaukasischen Komplex der Abies nordmanniana-Gruppe wird zweckmäßiger Weise in Standortsökotypen unterschieden. Taxonomisch wird je nach Autor stärker differenziert. Als typisch kolchische Waldbäume sind sie am kühl-humiden Süd- und Westsaum vom Schwarzen Meer verbreitet, die Standorten der Weißtanne schon stark ähneln.

Giganten unter den Tannen

Die größten bekannten Tannen finden sich im pazifischen Nordamerika. Insbesondere Abies procera, Abies grandis und Abies amabilis erreichen in den gemäßigten Regenwäldern der pazifischen Gebirge erstaunliche Dimensionen. Als größte unter den Tannen gilt dabei die Amerikanische Edeltanne. Auch die Eurasischen Tannen erreichen beachtliche Dimensionen; Abies alba, Abies nordmanniana, Abies fargesii, Abies forrestii und Abies pindrow können eine Höhe von über 60 Metern erreichen.

  • Abies procera
    • Tanne am Yellowjacket Creek im Gifford Pinchot National Forest, WA.: Höhe 72,6 Meter, Stammdurchmesser 275 Zentimeter, Kronendurchmesser 12,5 Meter, Stammvolumen 174,3 m³ (1988)
    • Tanne in der Goat Marsh Research Natural Area, Mt. St. Helens National Monument, WA.: Höhe 89,9 Meter, Stammdurchmesser 192 Zentimeter, Kronendurchmesser 13 m, Stammvolumen 87,7 m³ (1989)
  • Abies amabilis
    • Cabin Lake Tree, Nordseite des Black Mountain im Cypress Provincial Park, BC.: Höhe 46,9 Meter, Stammdurchmesser 233 Zentimeter, Stammvolumen 63 m³
    • Hades Creek Fir im Olympic National Park, WA.: Höhe 66,4 Meter, Stammdurchmesser 210 Zentimeter, Stammvolumen 62 m³
    • Tanne am Humptulips River, Olympic National Forest, WA.: Höhe 71,9 Meter, Stammdurchmesser 140 Zentimeter
  • Abies grandis
    • Riesen-Tanne am Duckabush River Trail, Olympic National Park, WA.: Höhe 77 Meter, Stammdurchmesser 185 Zentimeter, Stammvolumen 68,3 m³ 1(1988)
    • Tanne am Chilliwack River, BC.: Höhe 75 Meter, Stammdurchmesser 220 Zentimeter
    • Riesen-Tanne in der Glacier Peak Wilderness, WA.: Höhe 81,4 Meter, Stammdurchmesser 158 Zentimeter, Stammvolumen 53,0 m³ (1993)
  • Abies nordmanniana
    • Nordmann-Tanne am Mzymta-Fluss, Kaukasus Nationalpark, Russland: Höhe 78 Meter, Stammdurchmesser 360 Zentimeter

 

Baumstämme von Weißtannen aus Gersbach (Südschwarzwald) stützen das größte freitragende Holzdach der Welt auf der Expo 2000

 

Baumstämme von Weißtannen aus Gersbach (Südschwarzwald) stützen das größte freitragende Holzdach der Welt auf der Expo 2000

 

Furnier aus Tannenholz

 

Furnier aus Tannenholz

Nutzung

Tannen sind Reifholzbäume. Es gibt keinen farblichen Unterschied zwischen Kernholz und Splintholz. Das Holz ist gelblich-weiß gefärbt. Es besitzt keine Harzkanäle und die Markstrahlen sind kaum sichtbar. Es wird ähnlich wie Fichtenholz eingesetzt: als Bauholz, zum Möbelbau und zur Papierherstellung. Frisch geschlagen riecht es manchmal nach Katzenurin, die Trocknung ist schwieriger als bei der Fichte. Sonderanwendungen liegen im Wasserbau, wo Tannenholz eine hohe Dauerhaftigkeit besitzt und als Obst- und Gemüsekisten, aufgrund seiner Geruchsfreiheit.

Tannen sind die klassischen Christbäume. Vor allem die Nordmann-Tanne wird dafür in Plantagen angebaut. Außerdem wird von Tannen Schmuckreisig gewonnen.

Tannenholz kann man auch zum Heizen verwenden.

Beachte

Die Gemeine Fichte wird zwar auch Rot-Tanne genannt, gehört aber nicht zu den Tannen. Die Zimmertanne (Araucaria heterophylla) ist trotz des Namens nicht mit den Tannen verwandt.

Systematik

Die Gattung der Tannen wird in zehn Sektionen und weiter in Untersektionen unterteilt. Ihre Systematik beruht schwerpunktmäßig auf der Morphologie der weiblichen Zapfen. Bislang existiert keine systematische genetische Untersuchung, welche bestätigen könnte, dass die morphologische Anordnung, die auch die geographische Verteilung widerspiegelt, mit der Verwandtschaft der Arten übereinstimmt.

 

Aufrechter junger Tannenzapfen von Abies koreana.

 

Aufrechter junger Tannenzapfen von Abies koreana.

 

Aufrechter junger Tannenzapfen von Abies procera.

 

Aufrechter junger Tannenzapfen von Abies procera.

Gattung Tannen (Abies):

Literatur

  • Peter Schütt: Tannenarten Europas und Kleinasiens. Ecomed, Landsberg am Lech 1994, ISBN 3-609-69890-X

Weblinks

Commons

Commons: Tannen – Bilder, Videos und Audiodateien

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Tannen

 

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Bibliografische Angaben für „Tannen

Die Royal Tenenbaums

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Filmdaten
Deutscher Titel: Die Royal Tenenbaums
Originaltitel: The Royal Tenenbaums
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 2001
Länge (PALDVD): 108 Minuten
Originalsprache: Englisch
Altersfreigabe: FSK 12
Stab
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson, Owen Wilson
Produktion: Wes Anderson, Rudd Simmons, Owen Wilson
Musik: Mark Mothersbaugh
Kamera: Robert D. Yeoman
Schnitt: Daniel R. Padgett, Dylan Tichenor
Besetzung

Die Royal Tenenbaums (Originaltitel: The Royal Tenenbaums) ist eine US-amerikanische Tragikomödie aus dem Jahr 2001. Die Regie führte Wes Anderson, das Drehbuch schrieben Wes Anderson und Owen Wilson. Die Hauptrolle spielte Gene Hackman, die Nebenrollen u.a. Anjelica Huston, Gwyneth Paltrow, Ben Stiller, Luke Wilson, Owen Wilson, Danny Glover und Bill Murray.

Inhaltsverzeichnis


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Handlung

Royal Tenenbaum (Gene Hackman) verließ einst seine Frau Etheline (Anjelica Huston) und die Kinder. Als er nach Jahren zurückkehrt, kämpfen seine talentierten Kinder, die vor Jahren scheinbar vor sportlichen oder literarischen Karrieren standen, mit zahlreichen Schwierigkeiten: Die Adoptivtochter Margot (Gwyneth Paltrow) und der älteste Sohn Richie (Luke Wilson) leiden unter ihren mehr als geschwisterlichen Gefühlen füreinander, und der zweite Sohn Chas (Ben Stiller), der den Tod seiner Frau noch nicht überwunden hat, versucht krankhaft seine Söhne vor jeder Gefahr zu schützen.

Derweil denkt Etheline daran, den Steuerberater Henry Sherman (Danny Glover) zu heiraten. Royal täuscht eine Krebskrankheit vor und bittet die Familie um Vergebung und Versöhnung. Er zieht in Ethelines Haus, zumal er aus seinem Hotel wegen unbezahlter Rechnungen hinausgeworfen wurde. Chas lehnt die Versöhnung mit seinem Vater ab, und er wird wütend, als Royal sich mit seinen Söhnen anfreundet. Auch Sherman streitet mit Royal und geht schließlich den Ungereimtheiten in Royals Geschichte nach.

Richie begeht derweil einen Suizidversuch, um die Aufmerksamkeit von Margot auf sich zu ziehen. Diese küsst ihn während eines Gesprächs, fordert allerdings, dass es eine heimliche, unerfüllte Liebe bleiben soll. Margots Ehemann St. Clair (Bill Murray) beauftragt einen Privatdetektiv, um Margots frühere Liebhaber und eine Geliebte zu ermitteln.

Als Royals Schwindel auffliegt, wird er wieder auf die Straße gesetzt, doch er erkennt, wieviel ihm die wenigen Tage mit seiner Familie bedeutet haben. Schließlich gibt er seiner Frau die gewünschten Scheidungspapiere, damit diese Sherman heiraten kann, und versöhnt sich mit seinen Kindern. Am Ende stirbt er, in Frieden mit seiner Familie, an einem Herzinfarkt.

Kritiken

  • film-dienst 5/2002: Mit einer Fülle von Momentaufnahmen entwirft der Film das distanzierte Bild eines gesellschaftlich-familiären Universums, dessen introvertierte Bewohner er einfühlsam karikiert und hinter ihren absurden Fassaden dezente Trauer über vertane Lebenschancen aufscheinen lässt. Vor allem die penibel arrangierten Sets und eine hochartifizielle Inszenierung verlangen eine konzentrierte Rezeption, um die Fülle der Anspielungen und Assoziationen ausschöpfen zu können.
  • Prisma Online: Regisseur Wes Anderson überraschte – zumindest ein kleines Publikum – bereits mit seinem Werk „Rushmore„. Hier wartet er mit einer namhaften Schauspiel-Riege auf, die sowohl das Publikum als auch die Kritiker überzeugt. Die amüsante Mischung aus Drama und subtiler Komödie ist ein exzellenter Ensemble-Film, den er gemeinsam mit Schauspieler Owen Wilson den Darstellern auf den Leib schrieb. So wundert es nicht, dass Gene Hackman für seine Rolle nach Erhalt des Golden Globe auch für den Oscar nominiert wurde.[1]

Trivia

Während der Szene als Richie (Luke Wilson) den Selbstmordversuch begeht, erklingt „Needle in the Hay“ von Elliott Smith. Elliott Smith nahm sich am 21. Oktober 2003, zwei Jahre nach Erscheinen der Royal Tenenbaums, tatsächlich das Leben.

Quellen

  1. „Die Royal Tenenbaums“ bei Prisma Online

Weblinks

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Royal_Tenenbaums

 

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Bibliografische Angaben für „Die Royal Tenenbaums