Adventskalender 20. Dezember 2007

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Emily Dickinson

 

Engel

 

Engel kann man, früh am Morgen,
in betauten Wiesen seh’n,
neigen – pflücken – lächeln – schweben –
sind Knospen wohl ihr Eigentum?Engel kann man, in der heißen
Mittagszeit, im Sande seh’n,
neigen – pflücken seufzen -schweben –
verdorrte Blüten tragen sie.

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Edgar Allan Poe

Der Engel des Wunderlichen

Eine Extravaganz

Es war ein kalter Novembernachmittag. Ich hatte gerade ein ungewöhnlich solides Mittagsmahl eingenommen, dessen nicht unwichtigste Schüssel die schwerverdaulichen Trüffeln gebildet hatten, und saß nun allein im Speisezimmer, die Füße auf den Kaminvorsetzer und den Ellbogen auf einen kleinen Tisch gestützt, den ich vor das Feuer gerückt hatte und auf dem verschiedene Flaschen Wein und Likör standen. Während des Morgens hatte ich Glovers ‚Leonidas‘, Wilkies ‚Epigoniade‘, Lamartines ‚Pilgerfahrt‘, Barlows ‚Columbiade‘, Tuckermanns ‚Sizilien‘ und Griswolds ‚Curiositäten‘ gelesen und will gern gestehen, daß mir jetzt ein bißchen dumm im Kopfe war. Ich gab mir alle Mühe, mich mit ein paar Gläsern Lafitte aufzurütteln, und als es mir nicht gelang, nahm ich voll Verzweiflung meine Zuflucht zu einer Zeitung, die vor mir lag. Nachdem ich sorgfältig erst die Rubrik ‚Häuser zu vermieten‘ und dann die Rubrik ‚Entlaufene Hunde‘ und dann die beiden Rubriken ‚Durchgegangene Frauen und Lehrlinge‘ gelesen hatte, nahm ich mit großer Entschlossenheit den Leitartikel in Angriff; als ich ihn von Anfang bis zu Ende gelesen, ohne eine Silbe zu verstehen, kam mir der Gedanke, er sei vielleicht chinesisch geschrieben, und so las ich ihn vom Ende bis zum Anfang noch einmal, jedoch dito ohne befriedigendes Resultat. Ich war schon gerade im Begriff, voll Abscheu

Dies Zeitungsblatt, das einzige Werk,
Das selbst die Kritiker nicht kritisieren,

wegzuwerfen, als ich fühlte, wie meine Aufmerksamkeit durch folgende Notiz erregt wurde:

‚Die Wege zum Tode sind ebenso zahlreich wie seltsam. Ein Londoner Blatt meldet das aus den merkwürdigsten Ursachen erfolgte Ableben eines Mannes. Er spielte das Spiel ‚puff the dart‘, bei welchem man eine lange Nähnadel durch eine kleine Zinnröhre gegen eine Scheibe bläst. Der Unglückliche steckte die Nadel in das falsche Ende der Röhre, und als er nun fest den Atem einzog, um sie kräftig herausblasen zu können, sog er sie in seine Kehle. Sie durchbohrte seine Lunge und tötete den Unvorsichtigen in wenig Tagen.‘

Als ich das gelesen, geriet ich in eine maßlose Wut.

»Dieser Artikel, schrie ich, »ist eine erbärmliche Lüge – eine armselige Ente – er entstammt der Hefe der Phantasie irgendeines bedauernswerten Zeilenschinders, eines elenden Geschichtenfabrikanten aus Kalau. Diese Buben kennen die Leichtgläubigkeit unserer Zeit und setzen ihren ganzen Witz daran, unmögliche Möglichkeiten auszuhecken, ›wunderliche Begebenheiten‹, hehe! wie sie es nennen. Aber für einen nachdenkenden Geist (wie den meinigen, fügte ich in Klammern hinzu, und tippte unwillkürlich mit dem Zeigefinger auf meine Nase), für eine überlegene Intelligenz (wie ich sie besitze) ist es im Augenblicke klar, daß die wunderbare, gerade in letzter Zeit eingetretene Häufung der ›wunderlichen Begebenheiten‹ die wunderlichste aller wunderlichen Begebenheiten ist. Ich bin aber fest entschlossen, von jetzt ab nichts mehr zu glauben, was irgend etwas Wunderliches an sich hat.«

»Main Chott! wie dumm muß man sain, um so was zu sagen!« – antwortete mir eine der merkwürdigsten Stimmen, die ich jemals gehört habe.

Anfangs hielt ich sie für ein Summen in meinen Ohren, wie man es oft verspürt, wenn man sehr betrunken ist – dann jedoch schien sie mir mehr Ähnlichkeit mit dem Ton zu haben, den ein leeres Faß von sich gibt, wenn man mit einem dicken Stocke darauf schlägt. Ich würde sie in der Tat für dies Geräusch gehalten haben, hätte ich nicht die Artikulation der Silben und Worte vernommen. Ich bin von Natur absolut nicht ängstlich, und die unterschiedlichen Glas Lafitte, die ich geschlürft, trugen nicht wenig dazu bei, mir Mut zu verleihen. Deshalb empfand ich auch nicht die geringste Bestürzung, sondern erhob gemächlich meine Augen und ließ sie sorgfältig durch das Zimmer schweifen, um den Eindringling zu entdecken. Doch konnte ich niemanden erblicken.

»Pfui!« ließ sich die Stimme wieder vernehmen, als ich mit meiner Untersuchung fortfuhr, »Sie müssen cha wie ein S-chwain betrunken sain, daß Sie mich nich sehen, wo ich doch cherade vor Ihnen sitze.«

Hierauf fiel es mir ein, auch einmal direkt vor mich hin zu sehen, und da saß wahrhaftig, mir frech gegenüber, eine bis jetzt noch nie beschriebene, aber vielleicht nicht ganz unbeschreibliche Persönlichkeit: Der Körper war ein Wein- oder Rumfaß oder etwas Ähnliches und sah im wahrsten Sinne falstaffisch aus. Aus seinem unteren Teile ragten zwei länglichere Fäßchen heraus und schienen die Stelle der Beine zu vertreten. Als Arme hingen von der oberen Partie des großen Fasses zwei ziemlich lange Flaschen herab, deren Hälse den Dienst der Hände versahen. Der Kopf des Ungeheuers bestand in einem jener Flaschenkörbe, die aussehen wie eine riesige Schnupftabaksdose mit einem Loch in der Mitte des Deckels. Dieser Flaschenkorb, den ein Trichter krönte, wie ein über die Augen herabgezogener Hut, lag seitlich auf dem Faß, das Loch mir zugewandt, und aus diesem Loch, das verzogen und verrunzelt schien, wie der Mund einer sehr ceremoniellen alten Jungfer, entsandte die Kreatur gewisse rumpelnde und brummelnde Geräusche, die sie offenbar für verständliche Reden hielt.

»Ich maine«, begann das Geschöpf wieder, »Sie müssen betrunken sain wie ein S-chwain, daß Sie mich nich chleich chesehen haben, obwohl ich hier cherade vor Ihnen sitze; und ich maine auch, daß Sie dümmer sain müssen wie ’ne Chans, daß Sie nich chlauben, was in der Druckerei chedruckt wird! Das is die Wahrhait! Chedes Wort is die raine Wahrhait!«

»Bitte, wer sind Sie?« fragte ich voll Würde, obwohl ein wenig erstaunt, »wie kamen Sie hier herein, und wovon reden Sie?«

»Wie ich hier rainchekommen bin«, entgegnete das Geschöpf, »das cheht Sie char nichts an; und wovon ich spreche? Nun – ich spreche davon wovon mich chut dünkt zu sprechen; und wer ich bin? Ich bin cherade darum herchekommen, daß Sie es gelber sehen.«

»Sie sind ein betrunkener Vagabund«, sagte ich, »ich werde meinem Diener klingeln, das er Sie auf die Straße wirft!«

»Hi hi hi« lachte der Kerl, »hu! hu! hu! Was das ancheht – das können Sie cha char nich!«

»Das kann ich nicht?« fragte ich. »Was meinen Sie? Was kann ich nicht?«

»Sie können nicht s-chellen«, erwiderte er und versuchte, mit seinem scheußlichen kleinen Munde zu grinsen.

Daraufhin machte ich eine Bewegung, wie um mich zu erheben und meine Drohung auszuführen; aber der Raufbold neigte sich über den Tisch und versetzte mir mit dem Hals einer seiner langen Flaschen einen solchen Schlag vor die Stirn, daß ich in den Lehnstuhl, von dem ich mich halb erhoben, zurückknickte. Ich war grenzenlos erstaunt und wußte im Moment nicht, was ich machen sollte. Mittlerweile fuhr er in seiner Rede fort: »Sie sehen«, sagte er, »es ist das beste, wenn Sie chanz stille sitzen. Nun sollen Sie auch wissen, wer ich bin. Ich bin der Engel des Wunderlichen!«

»Wunderlich genug sind Sie allerdings«, wagte ich zu erwidern. »Aber ich hatte mir immer vorgestellt, daß Engel Flügel hätten.«

»Mein Chott! Flügel!« rief er höchst ergrimmt. »Was chehen mich Flügel an! Sie s-chainen mich wohl für ein Küken zu halten!«

»O nein! nein!« erwiderte ich besänftigend, »Sie sind kein Küken – gewiß nicht!«

»Das wollte ich auch chemaint haben! Aber nun betragen Sie sich chut, sonst chebe ich Ihnen noch eine ins Chesicht. Das Küken hat Flügel und die Eule hat Flügel und die bösen Chaister haben Flügel und der chroße Teufel hat Flügel. Engel haben keine Flügel, und ich bin der Engel des Wunderlichen.«

»Und die Angelegenheit, um derentwillen Sie mich aufsuchen…«

»Meine Angelegenheit?« schrie das gräßliche Subjekt, »himmlis-cher Vater, was fürn s-chlecht erzogener Mens-ch müssen Sie sain, daß Sie einen S-chentle-man und einen Engel nach seinen Angelegenheiten fragen können!«

Diese Sprache durfte ich mir nicht bieten lassen, selbst nicht von einem Engel; ich nahm all meinen Mut zusammen, ergriff ein Salzfäßchen, das in meinem Bereich stand, und schleuderte es dem Eindringling an den Kopf. Aber er wich aus oder ich hatte schlecht gezielt, kurz: die einzige Wirkung des Geschosses war die, daß es das Glas der Pendeluhr auf dem Kamin zertrümmerte. Der Engel jedoch hatte meine Absicht verstanden und erwiderte meinen Angriff durch zwei oder drei kräftige Schläge von der Art des ersten. Sie bestimmten mich, sofort unterwürfig zu sein; und ich muß mit Beschämung gestehen, daß mir, sei es aus Schmerz oder Zorn, einige Tränen in die Augen kamen.

»Main Chott!« sagte der Engel des Wunderlichen, offenbar durch meine Traurigkeit besänftigt, »der arme Mann ist entweder chanz betrunken oder sehr traurig. Sie müssen den Wain auch nich so stark che-nießen, Sie müssen ihm ein bißchen Wasser zusetzen. Hier, trinken Sie mal das, chuter Burs-che, und wainen Sie nich mehr, hören Sie, wainen Sie nich mehr!«

Gleichzeitig füllte der Engel des Wunderlichen mein Glas, das zum Drittel Portwein enthielt, mit einer farblosen Flüssigkeit, die er aus einer der Flaschen, die seine Arme vorstellten, fließen ließ. Ich bemerkte, daß die Flaschen Etiquetten und die Etiquetten die Inschrift Kirschwasser trugen.

Diese liebenswürdige Aufmerksamkeit des Engels besänftigte mich; und mit Hilfe des ‚Wassers‘, mit dem er noch verschiedene Male meinen Wein versetzte, fand ich die genügende Ruhe wieder, um seinen höchst seltsamen Reden zu lauschen. Ich beabsichtige nicht, alles wieder zu erzählen, was er mir mitteilte, doch blieb mir noch im Gedächtnis, daß er behauptete, er sei der Genius, der über alle ‚unangenehmen Zwischenfälle‘ der Menschheit herrsche, und es sei seine Aufgabe, jene ‚wunderlichen Begebenheiten‘ zu veranlassen, die den Skeptiker fortwährend in Erstaunen setzen. Ein- oder zweimal, als ich wagte, seinen Behauptungen gegenüber meinem vollständigen Unglauben Ausdruck zu verleihen, wurde er so wütend, daß ich es für weiser hielte, nichts mehr zu sagen, und ihn ruhig gewähren ließ.

Er sprach denn auch noch lange weiter, während ich, in den Stuhl zurückgelehnt, die Augen schloß und mich damit amüsierte, Traubenrosinen zu kauen und die Kerne durch das Zimmer zu flitzen, der Engel jedoch faßte wohl schließlich dies Betragen als eine Beleidigung auf. Er erhob sich in fürchterlichem Grimm, zog den Trichterhut vollständig über die Augen, fluchte irgendeinen grandiosen Fluch, stieß eine noch grandiosere Drohung aus, die ich nicht reicht verstand, machte mir eine tiefe Verbeugung und verließ mich, indem er mir in der Art des Erzbischofs im Gil Blas ‚beaucoup de bonheur et un peu plus de bon sens‘ wünschte.

Ich empfand sein Weggehen als eine wahre Erleichterung. Die paar Gläser Lafitte, die ich in kleinen Schlucken getrunken, hatten mich ein wenig schläfrig gemacht und das Bedürfnis nach dem gewohnten Nachmittagsschlummer von fünfzehn oder zwanzig Minuten in mir erregt. Um sechs Uhr hatte ich eine wichtige Verabredung, die ich keinesfalls versäumen durfte. Meine Feuerversicherungspolice war nämlich am Tage zuvor abgelaufen; und da irgendeine Änderung nötig geworden, hatten wir abgemacht, daß ich um sechs Uhr bei dem Direktorium der Gesellschaft erscheinen solle, um die Form einer neuen Police festzusetzen. Als ich nach der Uhr auf dem Kamin blinzelte (ich war zu schläfrig, meine Taschenuhr zu ziehen), bemerkte ich mit Vergnügen, daß ich noch gerade fünfundzwanzig Minuten für mich hatte. Es war halb sechs. In fünf Minuten konnte ich bequem das Büro der Feuerversicherungsgesellschaft erreichen. Meine übliche Siesta hatte noch nie die Dauer von fünfundzwanzig Minuten überschritten. Ich fühlte mich als vollständig beruhigt und schickte mich zu meinem Schläfchen an.

Als ich wieder erwachte, blickte ich auf die Uhr, und war fast geneigt, an ‚wunderliche Begebenheiten‘ zu glauben, als ich sah, daß ich statt meiner gewohnten fünfzehn oder zwanzig Minuten nur drei geschlafen hatte. Ich überließ mich von neuem der Ruhe, und als ich ein zweites Mal erwachte, sah ich mit größter Verwunderung, daß es noch immer siebenundzwanzig Minuten vor sechs war.

Ich sprang auf, um die Uhr zu untersuchen, und bemerkte, daß sie stehengeblieben war. Meine Taschenuhr zeigte halb acht. Ich hatte zwei Stunden geschlafen; für die Verabredung war es natürlich zu spät geworden.

»Na – es wird wohl nichts auf sich haben!« sagte ich mir. »Ich werde morgen auf das Büro gehen und mich entschuldigen. Aber was mag denn nur mit der Uhr geschehen sein?«

Ich betrachtete sie genauer und entdeckte, daß einer der Rosinenkerne, die ich durch das; Zimmer geschnellt, als der Engel des Wunderlichen seine Rede hielt, hinter das zerbrochene Glas gedrungen war und sich so in dem Schlüsselloch festgesetzt hatte, daß ein Ende hervorragte und die Umdrehung des Minutenzeigers aufhielt.

»Aha«, sagte ich, »sehe schon, was es ist: etwas ganz Selbstverständliches, eine natürliche Begebenheit, wie sie hin und wieder vorzukommen pflegt.«

Ich legte der Sache denn auch weiter keine Bedeutung bei und begab mich zur gewohnten Stunde zu Bett. Nachdem ich eine Kerze auf dem Nichttisch entzündet und den Versuch gemacht hatte, ein paar Seiten über ‚Die Allgegenwärtigkeit der Gottheit‘ zu lesen, fiel ich unglücklicherweise in weniger als zwanzig Sekunden in Schlaf und ließ das Licht brennen.

Meine Träume wurden durch die Erscheinung des Engels des Wunderlichen schrecklich beunruhigt. Es kam mir vor, als stände er am Fußende des Bettes, zöge die Vorhänge zurück und drohte mir mit den hohlen, abscheulichen Tönen eines Rumfasses bittere Rache an für die Nichtachtung, mit der ich ihn behandelt habe. Er schloß seine lange Ansprache, indem er seinen Trichterhut abnahm, mir die Röhre in die Kehle steckte und mich mit einem Ozean von Kirschwasser überschwemmte, das er in endlosen Fluten aus einer der langhalsigen Flaschen ergoß, die ihm als Arme dienten. Meine Todesangst wurde unerträglich, und ich erwachte gerade in dem Augenblick, als eine Ratte die brennende Kerze von dem Tischchen riß und mit ihr davonfloh. Doch konnte ich nicht mehr verhindern, daß sie sich mit ihrem Raube in ihr Loch flüchtete. Gleich darauf drang ein starker, erstickender Geruch in meine Nase, und ich mußte mit Schrecken bemerken, daß das Zimmer brannte.

In einer ganz unglaublich kurzen Zeit war das ganze Gebäude in Flammen gehüllt. Jeder Ausgang aus meinem Schlafgemach, ausgenommen der durch das Fenster, war versperrt. Die Menge auf der Straße jedoch verschaffte sich schnell eine lange Leiter und legte sie an das Fenster an. Ich stieg herunter und glaubte mich schon gerettet, als ein riesiges Schwein, dessen kugelrunder Wanst, ja, dessen ganze Physiognomie und Erscheinung mich durch irgend etwas an den Engel des Wunderlichen erinnerte – als sich dieses Schwein, das bis jetzt ruhig in seinem Morast geschlummert hatte, plötzlich in den Kopf setzte, seine linke Schulter müßte ein wenig gekrault werden, und keinen für den Zweck besser geeigneten Gegenstand finden zu können glaubte, als den Fuß meiner Leiter. Ich stürzte hinab und hatte das Unglück, einen Arm zu brechen.

Dieser Unfall sowie der Verlust der Versicherungssumme und der schwerwiegendere Verlust meiner Haare, die das Feuer versengt hatte, machten mich zu einem ernsten Menschen, so daß ich mich entschloß, eine Frau zu nehmen.

Es gab da eine reiche Witwe, die in Trostlosigkeit den Tod ihres siebenten Gatten beweinte – ihrer siebenmal wunden Seele bot ich den Balsam meiner Schwüre an. Nicht ohne keusches Zögern gewährte sie meinen Bitten Gehör. Ich kniete in Dankbarkeit und Anbetung zu ihren Füßen. Sie errötete, und ihre üppige Lockenfülle näherte sich mir so, daß sie in Berührung mit derjenigen kam, die mir die Kunst meines Friseurs für einige Zeit verliehen. Ich weiß nicht, wie es geschah – jedenfalls geschah es: Ich erhob mich ohne Perücke, mit glänzender Platte. Sie voll Verachtung und Zorn, halb in fremden Haarschmuck gehüllt. So endeten meine Hoffnungen durch einen Unfall, den ich nicht ahnen konnte und der doch nur die natürliche Folge der Ereignisse war.

Ich verzweifelte aber nicht, sondern unternahm die Belagerung eines anderen Herzens. Diesmal war mir das Schicksal eine Zeitlang gewogen; und doch kreuzte zum zweiten Male ein lächerlicher Zwischenfall meine Pläne. Ich traf meine Braut an einem Orte, an dem sich die Elite der Stadt zusammenfand, und wollte mich gerade beeilen, ihr meine respektvollste Begrüßung zu Füßen zu legen, als irgendein kleiner Fremdkörper in die rechte Ecke meines linken Auges geriet und mich für den Augenblick vollständig blind machte. Ehe ich wieder aufblicken konnte, war die Dame meines Herzens verschwunden – beleidigt, daß ich vorübergegangen, ohne sie zu grüßein; sie beliebte das wahrscheinlich als eine überlegte Grobheit auszudeuten! Während ich noch ganz verblüfft über diesen Zwischenfall stehen blieb (der übrigens jedem unter der Sonne hätte passieren können) und noch immer nicht sehen konnte, wurde ich von dem Engel des Wunderlichen angeredet, der mir seine Hilfe mit einer Höflichkeit anbot, die ich keineswegs von ihm zu erwarten das Recht hatte. Er untersuchte mein verletztes Auge voll Sanftmut und Geschicklichkeit, belehrte mich, daß ich einen Tropfen im Auge habe, und (von welcher Beschaffenheit dieser ‚Tropfen‘ auch war) er entfernte ihn und verschaffte mir dadurch sofort eine große Erleichterung.

Da das Schicksal offenbar beschlossen hatte, mich nur zu quälen, schien es mir die höchste Zeit, zu sterben, und ich richtete schleunigst meine Schritte nach dem nächsten Flusse. Dort entledigte ich mich meiner Kleider (denn es ist kein Grund vorhanden, weshalb wir nicht so sterben sollten, wie wir geboren werden) und warf mich der Länge nach ins Wasser. Der einzige Zeuge meines Unterganges war ein alter Rabe, der zuviel in Branntwein geweichtes Korn gefuttert hatte; davon war er betrunken geworden und hatte sich von seinen Kameraden getrennt.

Kaum war ich im Wasser angelangt, als es diesem Tiere einfiel, mit dem unerläßlichsten Teile meines Anzuges hinwegzufliegen. Ich schob meine selbstmörderische Absicht infolgedessen noch etwas auf, stieg wieder ans Ufer, glitt mit meinen unteren Extremitäten in die Ärmel meines Rockes und nahm die Verfolgung des Schurken auf; und zwar mit der ganzen Lebhaftigkeit, die der Fall erforderte und die Umstände gestatteten. Aber mein böses Geschick ließ noch nicht von mir ab. Als ich so in vollster Eile lief, die Nase in der Luft, meine ganze Aufmerksamkeit auf den Räuber meines Eigentums gerichtet, bemerkte ich plötzlich, daß meine Füße keinen festen Boden mehr faßten: ich war nämlich in einen Abgrund gelaufen, und wäre unfehlbar zu Tode gestürzt, hätte ich nicht zum Glück ein langes Tau ergriffen, das von einem gerade vorübersegelnden Luftballon herabhing.

Sobald sich meine Sinne so weit erholt hatten, um meine schreckliche Lage oder vielmehr mein schreckliches Hängen erkennen zu können, wandte ich meine ganze Lungenkraft an, dieses Hängen dem Luftschiffer über mir bemerklich zu; machen. Eine Zeitlang strengte ich mich vergebens an. Entweder sah mich der Dummkopf oben nicht, oder der Schuft wollte mich nicht sehen. Der Ballon stieg rapide, und meine Kräfte sanken noch rapider. Ich wollte mich schon in mein Schicksal ergeben und mich ruhig fallen lassen, als mein Mut plötzlich wieder durch den Ton einer hohlen Stimme belebt wurde, die von oben kam und in aller Gemütsruhe eine Opernmelodie summte. Ich blickte empor und bemerkte den Engel des Wunderlichen. Er lehnte mit gekreuzten Armen über den Rand der Gondel; und mit der Pfeife im Munde, aus der er gemächlich Rauchwolken blies, machte er den Eindruck, als sei er in bestem Einvernehmen mit sich selbst und dem ganzen Weltall. Ich war zu erschöpft, um reden zu könne, und sandte nur einen flehenden Blick zu ihm hinauf.

Einige Minuten lang sagte er nichts, obwohl er mir voll ins Gesicht sah. Dann endlich, nachdem er sorgfältig seinen Meerschaum von dem rechten in den linken Mundwinkel geschoben hatte, ließ er sich zum Sprechen herab.

»Wer sind Sie aichentlich?« fragte er, »und was, zum Teufel, wüns-chen Sie?«

Auf dieses Zeichen grenzenlosester Unverschämtheit, Grausamkeit und Verstellung konnte ich nur mit dem einen flehentlichen Worte »Hilfe!« antworten.

»Sie wüns-chen Hilfe?« fragte der Kirschwassermann. »Hoffentlich nicht von mir. Da haben Sie eine Flas-che – helfen Sie sich selbst und s-cheren Sie sich zum Teufel.«

Bei diesen Worten warf er mir eine große Flasche Kirschwasser zu, die mir gerade auf den Schädel fiel und mich glauben machte, es sei um mein Gehirn geschehen. Ich wollte infolgedessen schon das Tau loslassen und so auf gut Glück meinen Geist selbst aufgeben, als ich die Stimme des Engels wieder vernahm, die mir jetzt befahl, mich gut festzuhalten.

»Halten Sie sich chut fest!« rief er. »Sai’n Sie doch nich so ailich; haben Sie chehört? Wollen Sie noch die andere Flas-che chenießen, oder sind Sie endlich nüchtern cheworden und zu Verstande chekommen?«

Ich beeilte mich, zweimal energisch den Kopf zu bewegen, einmal verneinend, um ihm zu sagen, daß ich auf die andere Flasche verzichte, und einmal bejahend, um ihm mitzuteilen, daß ich vollständig nüchtern und bei Verstande sei.

Dies schien den Engel etwas zu besänftigen.

»Chlauben Sie denn nun wenigstens«, fragte er, »chlauben Sie nun an die Möglichkeit des Wunderlichen?«

Ich machte von neuem eine bejahende Kopfbewegung-

»Und chlauben Sie an mich, den Engel des Wunderlichen?«

Ich nickte wieder.

»Und Sie cheben zu, daß Sie ’n Trunkenbold sind und ein törichter Mens-ch?«

Ich nickte nochmals.

»Dann stecken Sie Ihre rechte Hand in die linke Ho-sentas-che zum Zeichen der vollen Erchebenheit che-chenüber dem Engel des Wunderlichen?«

Dies war mir, aus leicht verständlichen Gründen, ganz unmöglich. Erstens war mein linker Arm bei dem Fall von der Leiter gebrochen, und wenn ich mich mit der rechten Hand nicht festhalten konnte, so konnte ich mich eben überhaupt nicht festhalten. Und zweitens hatte ich ja gar keine Hose mehr, seit der Rabe sie mir genommen. Ich sah mich deshalb zu meinem größten Bedauern gezwungen, den Kopf zu schütteln, um dem Engel zu verstehen zu geben, daß ich den Augenblick nicht für geeignet halte, seiner gewiß sehr vernünftigen Aufforderung nachzukommen. Doch kaum hatte der Engel meine Bewegung bemerkt, als er losbrüllte: »Dann chehen Sie zum Teufel!« und mit einem scharfen Messer das Tau, an dem ich hing, durchschnitt. Da wir jetzt gerade zufällig über meinem Hause schwebten (das während meiner Irrfahrten wieder vollständig aufgebaut: worden war), ereignete es sich, daß ich der Länge nach durch den weiten Schornstein und in den Kamin meines Speisezimmers fiel.

Als ich wieder zum Bewußtsein kam (der Sturz hatte mich nämlich völlig betäubt), bemerkte ich, daß es ungefähr vier Uhr morgens war. Ich lag an der Stelle, auf die mich mein Fall von dem Tau des Ballons geschleudert hatte. Mein Kopf wühlte, in der Asche des erloschenen Kaminfeuers, während meine Füße auf dem Wrack des kleinen, umgefallenen und dann aus dem Leim gegangenen Tischchens und zwischen den Bruchstücken eines reichhaltigen Desserts einer Zeitung, einigen Gläsern und zertrümmerten Flaschen und einem leeren Krug Kirschwasser ruhten.

© Projekt Gutenberg

Engel

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen werden unter Engel (Begriffsklärung) aufgeführt.

Der Engel (vom griechischen άγγελος, ángelos – Bote, Botschafter über lateinisch angelus als Übersetzung des hebräischen mal’ach (מלאך) – Bote) ist in vielen Religionen ein Wesen, das Gott oder den Göttern zur Seite steht, aber von ihnen unterschieden wird.

Der Ausdruck „Mal’ach“ für Engel wird erstmals in Kapitel 19 von Genesis verwendet, in der Erzählung der Flucht Lots aus Sodom. Engeldarstellungen sind jedoch schon deutlich älter.

In der religionswissenschaftlichen Darstellung werden Engel als Wesen der jüdischen, christlichen und islamischen Mythologie gedeutet.

 

Erzengel Michael

 

Erzengel Michael

 

Kampf des Jakob gegen einen Engel

 

Kampf des Jakob gegen einen Engel

Inhaltsverzeichnis


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Engel in der Geschichte

Die ersten Engeldarstellungen finden sich um 2250 v. Chr. in Mesopotamien, z. B. auf einem Rollsiegel des Schreibers Adda. Um 1500 v. Chr. reichte die Macht Ägyptens bis in jenes Gebiet, und die Engeldarstellungen sind von dort nach Ägypten gekommen.

Während der Sarkophag der Pharaonin Hatschepsut um 1450 v. Chr. auf der Stirnseite noch einen Engel ohne Flügel zeigt, trägt der Sarg des Pharaos Tutanchamun schon mehrere Engel-Darstellungen mit ausgebreiteten Flügeln, desgleichen findet man auch auf verschiedenen Pektoralen. Einer der eindrucksvollsten Darstellungen ist der Sarkophag des Pharao Haremhab, ca. 1350 v.Chr. Er zeigt auf allen vier Ecken fast körpergroße Engel, die ihre bodenlangen Flügel rückwärts schützend über den Toten halten.

In der gleichen Zeit, ab etwa 1200 und von da durchgängig bis zu den Ptolemäern wird es üblich, geflügelte Schutzengel über die Grabeingänge oder an Grabwände zu malen. So ist z. B. das Grab der Nefertari mit solchen Engelabbildungen ausgestattet. Hier in Ägypten sind es die Göttinnen Isis, Nephthys, Selket und Maat, die Engelgestalten darstellen, erkennbar an ihrem speziellen Kopfschmuck.

Vier Jahrhunderte später finden sich Engel in den Königspalästen der Assyrer in Ninive, Nimrud oder Dur Scharrukin, zum Teil mit Doppelflügeln nach oben und unten, als so genannte Genien, auf riesige Steinplatten gemeißelt. Sie sind auch die Vorbilder des Traumes beim Propheten Jesaja in seiner Berufungsvision.

Etwa um 600 v. Chr. bekamen die Griechen unter dem Pharao Psammetich I. Zugang nach Ägypten und lernten dort die Monumental-Architektur und Reliefkunst und wohl auch die Engelbildnisse kennen. Sie ahmten nach, und so finden wir um ca. 450 v. Chr. viele Engeldarstellungen auf Vasen. Viele davon findet man heute im Britischen Museum. Griechische Künstler waren es schließlich, die ersten Vollplastiken von Engeln schufen, als Nike von Samothrake (Louvre) oder die des Paionius. Der Engel auf den Quadrigen in Berlin, London oder Paris stellt ebenfalls die Siegesgöttin Nike dar mit Siegeskranz und Palmenzweig. Heute wird diese jedoch zumeist einfach als Engel wahrgenommen.

Ab 500 v. Chr. war Juda Provinz des damaligen Weltreichs der Perser. Die Perser waren Anhänger der Religion des Zarathustra, die bereits eine Lehre der Engel kannte und auch den Glauben des jüdischen Volkes beeinflusst hat. Schließlich kamen die Römer, bauten ihrerseits ein Weltreich und übernahmen vieles aus der Kultur ihrer Vorgänger, auch die Engel, die sich in ihrer Funktion und Gestaltung oft veränderten. Sie glichen den Putten späterer Jahrhunderte.

Erst im 4. Jahrhundert nach Christus wurde das Christentum zur Staatsreligion. In den ersten drei Jahrhunderten nach Christus sind von den Römern noch viele Mosaike mit schönen Engelgestalten als Fußböden entstanden, die heute beispielsweise in Tunesien zu bewundern sind. Fast nahtlos gehen Engel dann in die Ausschmückungen der frühen byzantinischen Kirchen über (z. B. Ravenna).

Durch alle Kulturen und Jahrhunderte hindurch hat sich die Funktion der Engelgestalten kaum verändert. Sie sind da eingesetzt, wo Vermittlung zwischen Gott und Menschen entstehen soll und vor allem, wo Schutz vonnöten ist.

Engel in der Bibel

Die Bibel geht zwar davon aus, dass es Engel – himmlische, mit Bewusstsein begabte Geistwesen – gibt; aber sie verzichtet weitgehend auf ein Ausmalen dieser Himmelswelt, die in anderen Religionen damals verbreitet war. Viel wichtiger ist ihr die Funktion der Engel: den Menschen Gottes Wort, Gegenwart, Absicht und vollgültigen Willen mitzuteilen. Darum erscheinen Engel in der Bibel oft einfach als „Boten Gottes“ in menschlicher Gestalt. Sie sind ohne Zweifel souverän, den Menschen weit überlegen und nicht an die Schranken und Bedingungen der menschlichen Sinnenwelt gebunden: aber diese Fähigkeiten treten meist hinter ihrer Botschaft zurück.

Das biblische Engelbild hat mit dem der Kunst und Volksfrömmigkeit vielfach nur wenig gemein. Die verniedlichenden Darstellungen der Engel als Putten widersprechen der biblischen Darstellung. Als Wesen, die grundsätzlich der „unsichtbaren Welt“ (Nicäno-Konstantinopolitanum) angehören, entziehen sie sich der Objektivierung. Dennoch kann die Sprache des Gebets (vgl. Martin Luthers Morgen- und Abendsegen), der Liturgie und der Poesie nicht auf sie verzichten.

Allgemeines

Die Bibel kennt in weiten Teilen Engel als eigene Wesen, die Gottes Reich angehören. Von Engeln ist in beiden in der Genesis vorliegenden Schöpfungserzählungen (Gen. Kap. 1 und Kap. 2) nicht explizit die Rede, es wird aber in der ganzen Bibel darauf hingewiesen, dass Engel schon vor der Entstehung der Welt existierten und Gott dienten. Es heißt auch: „Engel sind Geschöpfe, die zwischen Gott und den Menschen stehen.“

Im Buch Genesis wird von Cherubim berichtet, welche mit dem Flammenschwert das Paradies bewachen (1. Mose 3, 24). Während sie hier dem Menschen die Rückkehr ins Paradies verwehren, heißt es im ersten Korintherbrief, dass Engel letztlich den Menschen unterstellt sind und Menschen später über Engel richten werden (1.Kor 6, 3).

In Gen. 6, 2-4 tauchen sogenannte „Gottessöhne“ auf, die mit sterblichen Frauen verkehrten und dadurch „Riesen“ oder auch „Nephilim“ hervorbrachten. Die antike Mythologie wie z. B. im apokryphen Buch Henoch dachte hierbei allgemein an Geistwesen. Im Speziellen wurden hierbei die gefallenen Wächter unter Führung von Azazel gemeint, die sich Gott abgewandt haben. Das Motiv wird durch den Kontext, in den es gestellt wurde (chronologisch vor der Sintflut), entmythisiert: Gemeint sind hier die „Helden der Vorzeit“, die ersten zehn Generationen Menschen von Adam bis Noach, die zwar besonders lange lebten, gleichwohl aber sterblich waren. „Gottessöhne“ sind für die Bibel zunächst alle Menschen, die ihre Gottebenbildlichkeit auch nach dem Sündenfall behalten (Gen. 1, 27).

Im Buch Ijob (um 250-200 v. Chr.) tauchen die Gottessöhne erneut auf, wobei es sich um eine Versammlung von Geistwesen, darunter auch Satan, handelt. Später erwähnt Gott die Gottessöhne nochmals als die ersten, die ihn mit den Sternen lobten – offenbar noch vor der Schöpfung der Menschen (Hi. 38, 7). Hier werden Vorstellungen einer Engelwelt sichtbar, die der Schaffung der Menschenwelt vorausgeht und die Geschicke der Menschen mitbestimmt.

In der späten Vision vom Endgericht (Dan. 7, 1-14, um 170 v. Chr.) dagegen bleiben die Throne, die um Gottes Thron aufgestellt werden, leer. Von Engeln ist hier erst nach dem Erwachen des Sehers Daniel die Rede: Sie deuten ihm das Gesicht, ohne dass sie selbst darin eine Rolle spielen. Die Menge ohne Zahl, die vor Gottes Thron versammelt ist (Vers 10), sind keine Engel, sondern die, die im Endgericht bestehen und Gott anbeten.

Die Bibel erwähnt verschiedene Arten von Engeln, ohne sie in eine klar gegliederte Engelshierarchie einzuordnen: Seraphim, Cherubim, Erzengel, Thronoi, Herrschaften, Fürstentümer und Gewalten (siehe unter anderem: 1. Samuel 4,4; Jesaja 6,2; Epheserbrief 1,21; Kolosserbrief 1,16).

 

Der Priester Zacharias, Vater von Johannes dem Täufer, bekommt im Tempel Besuch von einem Engel, so berichtet es Lukas im 1. Kapitel. Anschließend verstummt er.

 

Der Priester Zacharias, Vater von Johannes dem Täufer, bekommt im Tempel Besuch von einem Engel, so berichtet es Lukas im 1. Kapitel. Anschließend verstummt er.

JHWH, der Gott Israels, erscheint hin und wieder bestimmten Menschen (zum Beispiel Abraham im Hain Mamre und Mose im brennenden Dornenbusch) in Engelsgestalt. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang der sogenannte „Engel des Bundes“, der Hagar, Abraham, Jakob, Moses, Gideon und Elija erscheint. Daneben gibt es auch die Todesengel und die Racheengel, in denen der Zorn Gottes Gestalt gewinnt. Vor allem aber bilden die Engel den „Hofstaat“ Gottes und seine „Heeresmacht“, mit der Gott Zebaot, der „Herr der Heerscharen“, für und manchmal auch gegen Menschen streitet. Eine besondere Bedeutung haben Engel auch als Überbringer von Heils- oder Gerichtsbotschaften Gottes (etwa im Alten Testament bei der Zerstörung Sodoms, oder im Neuen Testament bei der Geburt Jesu und bei Jesu Auferstehung am Ostermorgen).

Weitere Aufgaben der Engel sind nach biblischer Darstellung Schutz- und Hilfsdienste für bestimmte Menschen und Menschengruppen (Psalm 91; Daniel 6,22; Matthäus 18,10; Lukas 16,22; Apostelgeschichte 12,7).

Luzifer

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Zur Stützung der Annahme, Satan sei ein gefallener Engel, ein Diener Gottes, der sich von ihm gelöst habe, werden i.d.R. folgende Bibelstellen herangezogen, die von tief gefallenen Königen handeln: Jes. 14 vom König zu Babel, Hes. 28 vom König zu Tyrus. In Lk. 10 und ebenso Offb. 12 fällt der Satan vom Himmel, aber da ist er vorher nicht Engel, sondern schon Satan gewesen, und hatte ein eigenes Kontingent an Engeln unter sich. Das ist aber allegorische Auslegung und diese Texte müssen nicht in dieser Weise ausgelegt werden. Letztlich bleibt es biblisch unklar, woher genau Satan kommt.

An mehreren Stellen (Jes 14,12, Ez 28,14, Offb 12,7ff. und 19,20-20,10) berichtet die Bibel auch von einem „gefallenen“ Engel, der sich über Gott und den von ihm geschaffenen Menschen zu erheben versucht hat und dafür mit Verbannung aus dem Himmel bestraft wurde („Höllensturz“). Später wurde er als Luzifer (Lichtträger) bezeichnet und mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Im Buch Ijob (um 250-200 v. Chr.) erscheint Satan nicht als widergöttliche Macht, sondern als einer von ihnen (Hi. 1, 6) und schließt mit Gott die „satanische Wette“ um Ijobs Treue zu Gott (v. 11f).

Namen von Engeln

In der Bibel und in den Apokryphen lesen wir nur die Namen Gabriel, Michael und Rafael. In anderen religiösen Schriften finden sich eine Vielzahl von Eigennamen, die sowohl Engeln als auch Erzengeln zugeschrieben werden:

Afael Akibeel Anane Anael (Barakiel) Arazjal
Armers Asaziel (Azazel, Asael) Azkeel Azrael Bariel
Batraal Camael (Kamael) Danel Daniel Ertael
Gabriel Jomjael Lucifero (Luzifer) Metatron Michael
Ramuel Raphael Sabbataios (Schepteel) Samael Samsaveel
Samyaza Sarakujal Sedekiel (Salathiel) Tamiel Turel
Oriphiel Urakabarameel Uriel Zachariel Zavebe

Jüdisch-christliche Tradition

Viele Engellehren finden sich außerhalb der kanonischen Bibelschriften. Ein typischer Vertreter dieser im strengen Sinne nichtbiblischen Schriften sind die Chroniken des Henoch, die vermutlich im 3. Jahrhundert vor Christus entstanden sind, sich jedoch aus älteren Quellen speisen. In diesen Chroniken wird ausführlich über Engel, ihre Namen, ihre Aufgaben und ihre charakteristischen Eigenschaften berichtet. Henoch beschreibt in seinen Chroniken seine Reise in die zehn Himmel, wo er das Wirken der Engel sah und dokumentierte. Die Chroniken von Henoch wurden vom Kirchenvater Hieronymus im 4. Jahrhundert nach Christus zu Apokryphen erklärt und ihnen damit der Rang einer Heiligen Schrift aberkannt. Neueste Studien haben ergeben, dass viele Inhalte der Henoch-Texte sich im Neuen Testament wiederfinden.

Das Judentum kennt neben den in der Bibel genannten Erzengeln (Gabriel und Michael) auch noch Uriel, Raphael, Sariel und Jerahmeel, die sehr spät in der Entwicklung des Judentums auftreten.

Im Mittelalter sah Maimonides Engel in einem rationalistischen Weltbild als eine biblische Umschreibung der Naturkräfte, die Gott einsetze, um seinen Willen in der Welt umzusetzen.

Nach jüdischer Tradition wird jedem Engel eine bestimmte Botschaft zugeordnet.

Systematik und Hierarchie der Engel nach Dionysius Areopagita

Die Bibel erwähnt verschiedene Arten von Engeln, ohne sie in eine klar gegliederte Engelshierarchie einzuordnen: Seraphim, Cherubim, Erzengel, Thronoi, Herrschaften, Fürstentümer und Gewalten (siehe unter anderem: 1. Samuel 4,4; Jesaja 6,2; Epheserbrief 1,21; Kolosserbrief 1,16).

Dionysius Areopagita (auch Pseudo-Dionysios), teilt die Engel erstmals in drei Triaden ein:

1. Triade:

  • Seraphim sind vier- bzw. sechsflügelige Symbole des Lichts, der Glut des göttlichen Feuers (Ez. 1,5 f; Jes 6,1 ff) und stehen Gott am nächsten.
  • Cherubim sind Verbreiter der Erkenntnis, Ergießer der Weisheit, Beschützer des Gartens Eden (Gen 3,24), werden beim Bau der Stiftshütte (Ex 25,18 ff) sowie beim Bau des Tempels Salomo (1Kön 6,23 ff) u.a. erwähnt.
  • Thronoi (griechisch in etwa: „erhabene Gestalten“) sind die unterste Stufe der 1. Triade und bezeichnen das Erhabene. Die Septuaginta gebraucht den Begriff auch für die Seraphim, Paulus spricht im Kolosserbrief von Thronen (Kol 1,16).

2. Triade: (Kol 1,16 sowie Eph 1,21)

  • Herrschaften (Dominationes) sind Beherrscher der Engel.
  • Mächte (Virtutes) vollziehen unerschütterlich den Willen Gottes.
  • Gewalten (Potestates) verkörpern die unzerstörbare Harmonie.

3. Triade:

  • Fürstentümer (Principatus) verkörpern den himmlischen Führungscharakter.
  • Erzengel (göttliche Kohorte) fungieren vor allem als Verkünder göttlicher Offenbarung. Neben Gabriel, Michael und Raphael taucht Uriel nur in der Mosesapokalypse auf. Jakob kämpft mit Penuël (Gottesgesicht) in Gen 32,31.
Der Talmud kennt noch Samael, Sedekiel (verhindert die Opferung Isaaks), Anael (Barakiel) und Sabbataios (Schepteel). Damit ergibt sich mit Gabriel, Michael und Raphael eine Siebenereinheit wie bei Zarathustra, die sich leicht mit den Gestirnen identifizieren lassen.
  • Engel (Schutzengel) stehen auf der untersten Kategorie und stehen den Menschen am nächsten. Sie haben unterschiedliche Bezeichnungen wie „Schar“ (Ijob 19,12 und Ps 103,21), „Erscheinung“ (Dan 10,7) oder „Geist“ (Offb 1,4).

Dionysius‘ Engelshierarchie wurde unter anderem von Gregor dem Großen adaptiert und leicht abgewandelt. Die Ausdifferenzierungen der Hierarchie, wie sie Gregor vorstellte, war vor allem in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters von großer Bedeutung.

Dieser Form der Hierarchienlehre wurden im Lauf der Zeit immer wieder einzelne Elemente zugefügt. Beherrscht werden die Hierarchien in den verschiedenen Religionen vom jeweiligen Schöpfergott, so im Islam von Allah und im Christentum von der Trinität (Dreifaltigkeit).

Eine tiefergreifende Änderung erfuhr die Hierarchienlehre durch die Theosophie, die den jüdischen Schöpfergott JHWH in die 2. Triade stellte und als sogenannte 4. Triade die Reihenfolge Mensch, Tier, Pflanze, Stein angab.

Die Engellehre in der Anthroposophie

Laut der mittelalterlichen Lehre, an welche die Anthroposophie anknüpft, gibt es neun Hierarchien. Der Mensch soll einmal zur 10. Hierarchie werden, so jedenfalls Rudolf Steiner.

Es ergibt sich folgendes Schema:

Dreifaltigkeit Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist

1. dem Vater zugeordnet:

1.1. Seraphim
1.2. Cherubim
1.3. Throne

2. dem Sohne zugeordnet:

2.1. Kyriotetes (Weltenlenker)
2.2. Dynameis (Weltenkräfte)
2.3. Exusiai (Offenbarer) = hebräisch ELOHIM

3. dem Heiligen Geist zugeordnet:

3.1. Archai (Zeitgeister)
3.2. Archangeloi (Erzengel)
3.3. Angeloi (Engel, auch Schutzengel)

So jedenfalls stellt es Hans-Werner Schroeder in seinem Werk Mensch und Engel auf S. 151 (Fischer-Taschenbuchausgabe), dar.

Zuordnung der Engelhierarchien nach dem Lebensbaum der Kabbala

I Kether – Krone = Seraphim

II Chokmah – Weisheit = Cherubim

III Binah – Intelligenz = Throne

IV Chesed – Liebe = Kyriotetes

V Geburah – Strenge = Dynameis

VI Tiphereth – Schönheit = Exusiai

VII Nezach – Sieg = Archai

VIII Hod – Glanz = Erzengel

IX Jesod – Fundament = Engel

X Malkuth – Königreich = Mensch

Engelverehrung

Engelverehrung in der Bibel

Anbetung kommt nach Aussagen der Bibel den Engeln jedoch nicht zu (Kolosser 2,18; Offenbarung 19,10; 22,9), sondern es wird gelehrt, dass die Heiligen (alle Gläubigen) die Engel richten werden (1 Kor 6:3). Jesus lehrt, dass in der Auferstehung die Menschen bezüglich Heirat und Unsterblichkeit wie die Engel sein werden (z. B. Lukas 20:35-36). Paulus lehrt ausdrücklich den Übergang des irdischen in den unsterblichen Leib (1Kor 15:51). Flavius Josephus (Hades, VI) lehrt von auferstandenen Männern und Frauen. Während Sacharja 5,9 dahingehend interpretiert werden könnte, dass es auch weibliche Engel gibt, könnte 1. Kor 11,10 den Schluss zulassen, dass die männlichen Engel auch anfällig für die weiblichen Reize der irdischen Frauen im Gottesdienst seien.

Engelverehrung im Christentum früher und heute

Zu allen Zeiten des Christentums hatte der Engelglaube eine zentrale Bedeutung. Papst Benedikt XVI. sagte: „Die Engel sollten mindestens genauso verehrt werden wie Maria, denn ohne sie wäre vieles in der Bibel nicht möglich gewesen.“ Er nannte zwei Beispiele: „Die Flucht nach Ägypten, als der Engel Josef im Traum erschien und die Verkündigung der Engel, dass Jesus auferstanden sei, dies geschah am Ostermorgen.“ Allerdings spielen hier wie so oft auch konfessionelle Unterschiede eine Rolle. Während die Verehrung von Engeln im Katholizismus und der christlichen Orthodoxie immer positiv beurteilt wurde, standen die reformierten Kirchen dieser Form der Religiosität eher skeptisch bis ablehnend gegenüber. Anders die lutherischen Kirchen. Der Gedenktag des Erzengels Michael und aller Engel, gefeiert am 29. September, wird zumindest in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gottesdienstlich begangen. So finden sich in ihrem Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG) Engellieder, wie

  • Herr, Gott, dich loben alle wir (lat. „Dicimus grates tibi“ des lutherischen Theologen Philipp Melanchthon (1539) deutsch von Paul Eber 1561) (ELKG 115)
  • Heut singt die liebe Christenheit (Nikolaus Hermann 1560) (ELKG 116)
  • Gott, aller Schöpfung heilger Herr (Ernst Hofmann 1971) (ELKG 447)

Ebenso findet sich in der Evangelisch-Lutherischen Kirchenagende eine gesonderte Präfation zum Tag des Erzengels Michael und aller Engel.

Engel aus der Sicht mormonischer Kirchen

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage („Mormonen“) versteht unter „Engel“ einen Boten Gottes. Dies kann der Geist eines noch nicht geborenen oder schon verstorbenen aber noch nicht auferstandenen Menschen sein, ein Auferstandener, seltener aber auch ein Mensch während seines sterblichen Lebens.

Joseph Smith behauptete, ihm seien goldene Platten von einem Engel Moroni (außerhalb des mormonischen Glaubens nicht bekannt) übergeben worden, der in seinem Erdenleben ein Prophet gleichen Namens gewesen sei . Die Engel Johannes (der Täufer), Petrus, Jakobus und Johannes (die Apostel) und Elijah hätten das Priestertum wiederhergestellt.

Darüber hinaus werden auch bereits auferstandene Menschen, die zwar des celestialen Reiches würdig sind, jedoch nicht durch die ewige Ehe an einen Partner gebunden sind und somit nicht zu Göttern erhöht werden können, als Engel bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es, für alle Ewigkeit Gott, bzw. den Göttern, zu dienen.

Die Kirche Christi mit der Elias-Botschaft ist der Meinung, dass der auferstandene Johannes der Täufer von 1927 bis 1994 sowohl Otto Fetting als auch W. A. Draves als Engel erschien und als göttlicher Bote 117 Botschaften überbrachte, die als „Das Wort des Herrn“ herausgegeben werden.

Engel im Islam

Die Engel, arabisch الملائكةal-Mala’ika (einschließlich der Erzengel) sind nach islamischer Lehre keine verniedlichten Wesen, wie man sie aus europäischen Darstellungen kennt, sondern – ähnlich der biblischen Darstellung – gewaltige und mächtige unsichtbare Licht-Gestalten von teils gigantischen Ausmaßen, die ihre jeweiligen Aufgaben haben.

Die Engel sind im Islam die Boten, die den Propheten die Offenbarungen Allahs übermitteln (Sure 2:98-99). So ist beispielsweise dem Propheten Mohammed der Erzengel Gabriel erschienen und hat ihm den Koran übermittelt.

Der Koran erwähnt in besonderer Form vier Erzengel: Michael (Mikail), der Engel der Gerechtigkeit; Gabriel (Gibril), der als Übermittler der göttlichen Weisheit verehrt wird; Azrael, der der Todesengel ist; und Israfil, der der Engel des Jüngsten Gerichts ist.

In der Geschichte Mohammeds spielen Engel eine große Rolle. So berichtet der Mohammed Biograf Ibn Ishaq, dass in der Kindheit des Propheten zwei Engel erschienen, die die Brust des jungen Propheten öffneten, um daraus einen dunklen Fleck zu entfernen. Dadurch soll der Überlieferung nach alles Böse aus Mohammeds Seele entfernt worden sein.

Zu dem persönlichen Begleiter des Propheten Mohammed gehört der Erzengel Gabriel, der dem Propheten im Lauf dessen Lebens immer wieder erschien. So wird bei der Himmelfahrt des Propheten Mohammeds berichtet, dass in dieser besonderen Nacht der Erzengel Gabriel Mohammed weckte und ihm ein besonderes Pferd, den Burak, überreichte. Dieses Pferd soll Flügel gehabt haben. Auf diesem Pferd flog Mohammed in Begleitung des Erzengels Gabriel zur Al-Aqsa Moschee nach Jerusalem. Dort verrichtete der Prophet Mohammed zusammen mit all den Propheten und Gesandten Allahs von Adam bis Jesus das islamische Ritualgebet. Anschließend führte der Erzengel Gabriel den Propheten Mohammed durch die sieben Paradiese bis hin zu Allahs unmittelbarer Gegenwart.

Auch bei der Übermittlung der Suren des Koran erschien dem Propheten regelmäßig ein Engel, in der Regel wiederum der Erzengel Gabriel. Zeugen berichteten, dass parallel zu der Übermittlung der Suren die Erde zitterte, die Pferde sich sträubten und alle Menschen von einem unmittelbaren Glücksgefühl erfasst wurden. Zur damaligen Zeit kamen sogar extra Menschen angereist, um an diesen Wundern teilzuhaben, wenn dem Propheten wieder eine Sure übermittelt wurde.

Auch kriegerisch greifen der islamischen Überlieferung nach die Engel zugunsten der Menschen ein. Im Jahr 624 kam es zu der für die Geschichte des Islam entscheidenden Schlacht von Badr. In dieser Schlacht rückte ein gut ausgerüstetes und von der Mannschaftsstärke vielfach überlegenes mekkanisches Expeditionsheer aus, um vor Medina die Muslime unter der Führung des Propheten Mohammed zu vernichten. In dieser Schlacht sollen unter der Führung des Erzengels Gabriel ebenfalls Engel kriegerisch in den Kampf zugunsten der Muslime eingegriffen haben, weshalb das mekkanische Heer völlig aufgerieben wurde.

In späteren Jahren berichtete der Prophet Mohammed, dass ihm jedes Jahr der Erzengel Gabriel einmal in besonderer Form erschien, um mit ihm gemeinsam den bis dahin offenbarten Koran zu zitieren. Auch Mohammeds Begleiter sollen den Erzengel Gabriel gesehen haben. So berichtet der Mohammed Biograf Ibn Ishaq, dass am Ende seines Lebens Mohammed mit seinen Gefährten im Kreis saß, als ein schöner Mann die Runde betrat. Obwohl dieser Mann nicht die Kleidung eines Reisenden trug, kannte doch keiner der anwesenden Muslime diesen Fremden, der als mit einem strahlend weißen Gewand und strahlend schwarzen Haaren beschrieben wurde. Dieser Mann setzte sich vor anwesenden Zeugen dem Propheten Mohammed gegenüber, um ihm Fragen über den Islam zu stellen. Später berichtete Mohammed, dass dieser Mann der Erzengel Gabriel war.

Der Hadith sagt, dass Allah jeweils am 120. Tage nach der Zeugung einen Engel sendet, der dem ungeborenen Menschen den Odem Gottes einhaucht.

Ein zentrales Element des islamischen Glaubens ist, dass jeder Mensch hinter sich bei der linken und der rechten Schulter einen speziellen Schreiberengel hat, der alle guten, beziehungsweise bösen Taten der Menschen aufschreibt. Während der Engel zur rechten jede gute Tat sofort aufschreibt, wartet der Engel zur linken noch eine gewisse Zeit, um eine schlechte Tat aufzuschreiben. Der Islam lehrt, wenn der Mensch eine Tat vor Gott bereut und zum Ausgleich etwas Gutes tut, wie beispielsweise sich zu entschuldigen, einen Geldbetrag zu spenden, zu beten oder den Koran zu lesen, wird die schlechte Tat nicht aufgeschrieben.

Am Ende des Lebens erscheinen dann die beiden Engel und präsentieren alle guten, beziehungsweise schlechten Taten eines jeden Menschen. Überwiegen die schlechten Taten eines Menschen, so kommen die Menschen in die Hölle. Überwiegen aber die guten Taten, so treten die Gläubigen in das Paradies ein.

Das islamische Ritualgebet, dass praktizierende Muslime mindestens fünfmal täglich vollziehen, endet darum auch immer in der knieenden Position mit einer Kopfbewegung zur rechten und zur linken Schulter. Dabei grüßen die Gläubigen die beiden Schreiberengel.

Die Sufis, die islamischen Mystiker, lehren, dass die Engel in ununterbrochenen Gottgedenken mit ihrem Schöpfer Allah verbunden sind. Durch spezielle Gesänge (Dhikr) und Tänze gehen so die Sufis in einen engelhaften Zustand über, um Allah näher zu sein, aber auch, um heilerisch zu wirken.

New Age und Engel

Einige moderne spirituelle Bewegungen bezeichnen in ihren Glaubenssystemen auftretende Wesen oftmals auch als Engel, entwickeln allerdings ein von der traditionellen Bedeutung abweichendes Konzept. So wird von Esoterikern (und auch einigen Romanautoren) angegeben: Engel sind Lebewesen, die grundsätzlich von Menschen verschieden sind, da sie aus einem anderen Teil Gottes heraus geschaffen sind. Dadurch sind sie nicht in der Lage zu lügen, haben sich auch nicht so weit von der Liebe Gottes entfernt und stehen deshalb Gott näher als die meisten Menschen. In Demut und Freude vollziehen sie seinen Willen, können aber durch Gebete oder Gedanken um Hilfe gebeten werden.

In der Esoterik spielen Engel grundsätzlich eine sehr gewichtige Rolle.

Engel als Entwicklungsstufe der Seele

In der Mystik gibt es die Vorstellung, dass sich eine Seele über verschiedene Stufen von Steinen, Pflanzen und Tieren hin zum Menschen entwickelt. Nach dem Tod des menschlichen Körpers kann eine Seele die Stufe des Engels erreichen. Der sufische Mystiker Dschalal ad-Din Rumi beschreibt dies in seinem Gedicht Mathnawi:

Ich starb als Stein und sprosst’ als Pflanze auf
Ich starb als Pflanze und ward Tier darauf
Ich starb als Tier und bin zum Mensch geworden
Was grauet mir, hab’ durch den Tod ich je verloren?
Als Menschen rafft er mich von dieser Erde
Dass ich des Engels Fittich tragen werde
Als Engel noch ist meines bleibens nicht
Denn ewig bleibt nur Gottes Angesicht
Dort trägt mein Flug mich noch weit über Engelshort
Zu unermesslich hohem Ort
Dann ruf’ zu nichts mich, denn in mir klingt’s wie Harfenlieder
Dass zu Ihm wir kehren wieder

 

Rembrandts Engel (links oben) haben eine ganz eigene Flügelform, hier nähert sich ein Engel dem Abraham

 

Rembrandts Engel (links oben) haben eine ganz eigene Flügelform, hier nähert sich ein Engel dem Abraham

In der christlichen Mystik wird diese Vorstellung von Emanuel Swedenborg vertreten. In seinem späten Werk Die eheliche Liebe beschreibt er, dass aus der Seele eines Mannes und der Seele einer Frau durch die Ehe im Himmel ein geschlechtsloser Engel entsteht.

Kontakt zu Engeln

Auch in der Gegenwart berichten Menschen von Engelsbegegnungen, besonders nach Nahtod-Erfahrungen. Einige erzählen sogar von Dauerkontakten zu bestimmten „Geistwesen“, die sie in allen Lebenslagen beschützen, begleiten und beraten. Von evangelikaler Seite werden solche Berichte eher kritisch betrachtet – insbesondere dann, wenn Erkenntnisse aus Engelskontakten der wortwörtlichen Interpretation der Bibel zu widersprechen scheinen. Es wird dann von dämonischen Mächten gesprochen. Demgegenüber stehen im Allgemeinen römisch-katholische Christen und noch stärker die orthodoxen Christen solchen Berichten eher positiv gegenüber. So wird z.B. die Homepage des Vatikan http://www.vatican.va ‚Gabriel‘ genannt, wie der Erzengel der Verkündigung. Die Firewall zum Schutz vor Computer-Viren heißt „Michael“, wie der Wächter-Engel. Und das Intranet, das nur für die Angestellten zugänglich ist, trägt den Namen „Raphael“, der stets im Geheimen arbeitet. „Wir brauchen den Extra-Schutz der Erzengel einfach“, so Schwester Judith Zoebelein, Leiterin der Vatikan-Homepage.[1]

Engel in der Kunst (Auswahl)

Mittelalter

In den mittelalterlichen Darstellungen erscheinen Engel meist als achtungsgebietende männliche Gestalten.

Renaissance

Viele Künstler dieser Epoche entwickeln eigene Engelstypen, die sich signifikant unterscheiden. Im Laufe der Jahrhunderte wandeln sie sich dabei von Männer zu schönen Jünglingen oder Frauen. Engel kommen in dieser Epoche regelmäßig beim Bildmotiv Verkündigung im kirchlich-künstlerischen Kontext vor.

Barock

In dieser Phase werden aus Engeln an vielen Stellen auch „Engelchen“, zierende Putten mit der Anatomie von Kleinkindern.

20. Jahrhundert

In der weit verbreiteten Kunst von Helmuth Uhrig begegnen in über 300 seiner Kunstwerke verschiedenste Engel, durch die für diesen Künstler Gott selbst den Menschen begegnet. Bei Paul Klee spielen Engel ebenfalls eine wichtige Rolle, wobei in seinen Werken dabei eine humoristische Note nicht zu verkennen ist. Walter Benjamin gründete eine Zeitschrift mit dem Namen Angelus novus, deren Titel auf ein Bild Paul Klees zurückging.

Engel im Film (Auswahl)

Anime:

Literatur

  • Peter L. Berger: Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz. Herder, Freiburg 2001 ISBN 3451051931
  • Dorothea Dieckmann: Wie Engel erscheinen, Rotbuch Verlag, ISBN 3880228094
  • Malcolm Godwin: Engel – Eine bedrohte Art. Droemer Verlag, München 1995 ISBN 3861501015
  • Karsten Kenklies: Des Engels Erkenntnis: Der Engel im Lichte der Philosophie, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie, Jg. 54, 2002, S. 270-76.
  • Alexa Kriele: Wie im Himmel so auf Erden. Christliche Engelkunde. Vier Bände. Christa Falk Verlag, Seeon. – Bd. 1: 2004 ISBN 3548741010, Bd. 2: 2005 ISBN 3895680605, Bd.3: 2000 ISBN 3895680788, Bd.4: 2001 ISBN 3895681016
  • Ulrich Mann, Horst Seebaß, Karl Erich Grözinger, Otto Böcher u.a.: Engel I. Religionsgeschichtlich II. Altes Testament III. Judentum IV. Neues Testament V. Kirchengeschichtlich VI. Dogmatisch VII. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 9 (1982), S. 580-615 (kulturgeschichtlicher und theologischer Überblick mit weiterer Lit.)
  • Andreas Schlieper: Himmlische Heerscharen – Eine kleine Geschichte der Engel. wjs-Verlag, Berlin, September 2006, ISBN 3-937989-24-2.
  • Hans-Werner Schroeder: Mensch und Engel. Die Wirklichkeit der Hierarchien. Fischer-TB.-Vlg.,Ffm 1990, ISBN 3596255228
  • Walter Simonis,Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-70375-1
  • Walter Simonis, Woher kommt das Böse?, …wenn Gott gut ist, Graz 1999, ISBN 3-222-12740-9
  • H. Vorgrimler/U. Bernauer/Th. Sternberg: Engel. Erfahrungen göttlicher Nähe. Herder, Freiburg 2000, ISBN 3451277344 (enthält viele Bilder)
  • Claire Llewellyn: Engel und Heilige. Verlag EDITION XXL 2003. ISBN 3-89736-706-8
  • Heinrich Krauss: Die Engel. Überlieferung, Gestalt, Deutung. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-44735-X.
  • Gerald Axelrod: … als lebten die Engel auf Erden – Gerald Axelrod UBooks-Verlag 2005, ISBN 3-86608-023-9 (Sachbuch mit vielen Fotografien von Friedhöfen und Kirchen)

Siehe auch

Wikiquote

Wikiquote: Engel – Zitate

Weblinks

Commons

Commons: Engel – Bilder, Videos und Audiodateien

Wiktionary

Wiktionary: Engel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

Quellen

  1. heise.de: Vatikan im Web: Erzengel, E-Mails und eine Nonne als PC-Expertin

Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Engel

 

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  • Diese Seite wurde zuletzt am 10. Dezember 2007 um 10:49 Uhr geändert.
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Bibliografische Angaben für „Engel

 

 

 

 

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